Andreas Dörr (Interview)

 


Michael Schmidt: Hallo Andreas, ich weiß nicht, ob die Vincent Preis Gemeinde dich kennt, daher stell dich doch kurz vor!

Andreas Dörr: Ja, es kann durchaus sein, dass die Gemeinde mich bislang nicht so auf dem Schirm hat  . Deshalb stelle ich mich gerne einmal vor.

Mein Name ist Andreas Dörr. Ich bin 48 Jahre alt und lebe mit meiner Frau, meiner Tochter, einem kleinen durchgeknallten Yorkshire Terrier namens „Bärli“ und einer Bartagame, die mich immer zwingt, Echsengeschichten zu schreiben und auf den Namen „Oskar“ hört, im schönen Saarland. Dort arbeite ich als Betreuungsfachkraft in einem Wohnheim für behinderte Menschen. 

Michael Schmidt: Mir ist aufgefallen, du hast keine eigene Autorenseite. Man findet dich an diversen Stellen im Internet, aber es gibt keine Homepage von dir, oder?

Andreas Dörr: Das stimmt. Ich hatte tatsächlich mal eine Autorenseite, aber ich habe gemerkt, dass die Interaktion mit den Leserinnen und Lesern darüber nur bedingt läuft. Deshalb habe ich mich schon vor Jahren auf die sozialen Medien konzentriert. Auf YouTube habe ich z. B. eine Seite, über die ich gerne Geschichten und Gedichte, die ich über die letzten Jahre geschrieben habe, online stelle. TikTok habe ich vor ein paar Monaten entdeckt, nachdem ich gemerkt hatte, wie toll das bei meiner Tochter klappt und dann natürlich auch Facebook und Instagram. Auf diesen Plattformen bekomme ich direkt Feedback von den Leserinnen und Lesern und kann auch direkt auf dieses Feedback antworten. Das macht großen Spaß und bringt, meines Erachtens, mehr Nutzen als eine Autorenseite. 


Michael Schmidt: So, jetzt bin ich mit der Tür ins Haus gefallen. Fangen wir nochmal von vorne an. Herzlichen Glückwunsch zur Nominierung deines Kurzgeschichtenbandes „Krallen der Nacht“ und dem Buch „13 Urbane Legenden“, die du als Herausgeber im Shadodex Verlag veröffentlicht hast.

Andreas Dörr: Vielen, lieben Dank. Ich war total baff, als ich gesehen hatte, dass ich es in die Endrunde geschafft hatte und das gleich mit zwei Büchern. 

Michael Schmidt: Welche der beiden Nominierungen bedeutet dir mehr?

Andreas Dörr: Das ist sehr schwierig. Das ist fast so, als würde man Eltern fragen, welches Kind sie lieber haben 😀

Beide Bücher liegen mir sehr am Herzen und haben großen Spaß bei der Entwicklung gemacht. Ich kann wirklich nicht sagen, welche Nominierung mir da mehr bedeutet.

Michael Schmidt: „Krallen der Nacht“ trägt den Untertitel „Glauben, Vergebung und andere Monster“ und der Klappentext verspricht eine Genremix. Wie viele Geschichten sind enthalten und auf was darf man sich als Leser freuen? Was ist das Besondere an „Krallen der Nacht“

Andreas Dörr:  Ja, es ist, wie du bereits sagtest, ein Genremix. Es sind insgesamt 16 Geschichten unterschiedlicher Genres. Es ist Horror dabei. Mysterie, Science-Fiction. Sozialkritische Geschichten u. v. m. Die Geschichten handeln zum Teil vom Glauben. Handeln davon, ob man bereit ist, anderen Menschen zu vergeben und beinhaltet daneben auch andere Monster, die der Leser kennenlernen darf. Wieso andere Monster? Nun, der Glaube oder die Vergebung, beides können auch Monster sein. Der Glaube kann dich zur Verzweiflung bringen, dich mit deinen Urängsten konfrontieren. Genauso die Vergebung. Wie kann ich jemandem vergeben, der mir schlimmes Leid zugefügt hat? Kann ich das überhaupt ohne mich meinen eigenen inneren Dämonen und Monstern zu stellen? Diese Fragen haben mich bei der Entwicklung des Buches beschäftigt. Und daneben gibt es dann noch die klassischen Monster, über die ich geschrieben habe. Quasi, das Monster der Woche, wenn man so will 😀. 

Michael Schmidt: Sind die Geschichten alle exklusiv für den Band geschrieben und gibt es abseits dieser Sammlung noch weitere Stories, die du dem Leser ans Herz legen möchtest?

Andreas Dörr: Einige Geschichten sind exklusiv für das Buch geschrieben, aber einige Geschichten sind bereits in anderen Anthologien erschienen. Und ja, es gibt abseits der Krallen der Nacht noch Geschichten, die in meinem ersten Buch erschienen sind, mit dem Titel: „Imago-Mystery, Horror und der tägliche Wahnsinn“. Übrigens, ganz frisch in der zweiten überarbeiteten Auflage erschienen. 


Michael Schmidt: Jetzt ist „Krallen der Nacht“ nominiert. Sind weitere Kurzgeschichtensammlungen aus deiner Feder geplant oder vielleicht ein Roman?

Andreas Dörr: Weitere Kurzgeschichtensammlungen jetzt nicht, aber im Moment arbeite ich an meinem ersten Roman mit dem Titel „Syndrom der Gewalt“.  In ihm kreiere ich eine düstere Zukunftsvision, in der die Todesstrafe wieder eingeführt wurde. Es geht um Resozialisierung, um Vergebung. Alles in allem sehr sozialkritisch angelegt. Das Buch soll jedoch nicht im Selbstverlag erscheinen, sondern dieses Buch möchte ich einem Verlag vorlegen.

Michael Schmidt: Wie würdest du dich als Autor bzw. dein Werk charakterisieren? Was erwartet den Leser?

Andreas Dörr: Subtiler Mindfuck Horror  . Das habe ich mir mal so als Überschrift überlegt, wenn mir jemand, wie du gerade, diese Frage stellt. Aber es ist auch viel mehr. Es ist nicht nur Horror. Wie bereits erwähnt, Genre übergreifend. Man bekommt von mir Science-Fiction. Mysterie. Plot Twists so wie in den M.Night Shyamalan Filmen. Sozialkritische Elemente sind mir genauso wichtig wie auch mal Liebesgeschichten, die sich im Gruselsektor ansiedeln. Einfach lesen und sich selbst ein Bild von meinen Werken machen. 

Michael Schmidt: Mir ist aufgefallen, von den sechs nominierten Kurzgeschichtensammlungen sind vier im Eigenverlag erschienen, deine ja auch. Was denkst du warum das so ist? Sind Kurzgeschichtensammlungen eines Autors uninteressant für Verlage oder hat das andere Gründe?

Andreas Dörr: Ja, mir ist das auch aufgefallen und ich habe mir auch die Frage gestellt, wieso das so ist. Ich denke, Self-Publisher haben so langsam die Anerkennung verdient, die ihnen zusteht. Man dachte doch immer, diese Autoren haben es nie geschafft, bei einem Verlag unterzukommen und haben sich deshalb für diese Art des Publishings entschieden. Dem war und ist auch nicht so. Das hat man mittlerweile erkannt. Jedem Autor ist es freigestellt in unserer Zeit, ob er den klassischen Weg über einen Verlag wählt oder es auf eigene Faust versucht. Ob Autoren im Kurzgeschichtensektor uninteressant für Verlage sind, kann ich nicht sagen. Verlage, mit denen ich gesprochen habe, haben mir immer nur versichert, dass es ein Absatzrisiko dargestellt, im deutschsprachigen Raum ein Buch mit Kurzgeschichten eines einzelnen Autors auf den Markt zu bringen. Vielleicht ändert sich das in den nächsten Jahren. Was ich stark hoffe! 

Michael Schmidt: „13 Urbane Legenden“ ist eine von fünf für den Vincent Preis 2023 nominierten Anthologien, davon drei im Shadodex Verlag. Worum geht es in dem Band?

Andreas Dörr: Kurz gesagt, geht es um Geschichten, basierend auf den Sagen unserer Ahnen. Um die Geschichten, die man sich von Generation zu Generation in den Dörfern erzählt.  Diese neu interpretiert von den Autorinnen und Autoren unserer Zeit. 

Michael Schmidt: Wie kamst du an die Geschichten? Gab es eine Ausschreibung oder hast du dir deine Mitstreiter auf anderem Wege gesucht?

Andreas Dörr: Ja, genau. Ganz klassisch über eine Ausschreibung. Es wurden über 100 Geschichten eingereicht. Der Verlag, wie auch ich, waren von der Resonanz überwältigt und komplett begeistert. Du kannst dir vorstellen, dass die Auswahl der 13 Geschichten uns sehr schwergefallen ist, da die Qualität der eingereichten Geschichten einfach phänomenal war. 

Michael Schmidt: War das deine erste Herausgabe und wie würdest du diese Erfahrung, dieses Buch ans Licht der Welt zu bringen, beschreiben?

Andreas Dörr: Es war in der Tat bereits meine zweite Arbeit als Herausgeber einer Storysammlung.  Die Arbeit an den 13 urbanen Legenden war von der Idee über den Prozess der Ausschreibung, das Aussuchen der Geschichten und die letztendliche Bearbeitung der Rahmenbedingungen eine aufreibende, aber zugleich unglaublich gewinnbringende Zeit. Die Interaktion mit den Autoren, die Überbringung der Nachricht, dass man es mit seiner Geschichte geschafft hat, in das Buch waren unglaubliche Erfahrungen, die man nicht missen möchte. Natürlich gehörte das Schreiben der Absagen auch dazu und gehört zu den weniger schönen Dingen, die ein Herausgeber tun muss. Hier muss ich noch erwähnen, dass die Zusammenarbeit mit dem Shadodex-Verlag der Schatten einfach unglaublich war. Wir hatten kaum bis gar keine Spannungspunkte oder Unstimmigkeiten. Egal, um welches Thema es ging. Bettina Ickelsheimer-Förster ist eine tolle Verlagschefin mit dem richtigen Händchen für Qualität. Sie gestaltet alle ihre Bücher, die in ihrem Verlag erscheinen, mit so viel Liebe und Hingabe. Das war auch der Grund, wieso ich die Idee der „Urbanen Legenden“ diesem Verlag als Erstes vorgeschlagen hatte. Umso mehr hatte es mich gefreut, dass Bettina von der Idee ebenfalls begeistert war und gleich zugestimmt hatte.  

Michael Schmidt: Werden weitere Anthologien unter deiner Ägide erscheinen?

Andreas Dörr: Zurzeit ist da nichts in der Planung, aber ausschließen will ich das natürlich nicht. 

Michael Schmidt: Wie siehst du die deutschsprachige Horror und Phantastikszene?

Andreas Dörr:Kurz und schmerzlos: Leider bekommt sie nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient. 

Michael Schmidt: Welche anderen deutschsprachigen Autoren würdest du empfehlen?

Andreas Dörr: Oh ja, da hätte ich ein paar Autoren, die ich sehr schätze und auch empfehlen kann. Da wäre z. B. Lennox Lethe und Alexander Klymchuk. Beide schätze ich nicht nur als Autor wunderbarer Geschichten, sondern auch als Mensch. Dann bin ich ein riesengroßer Fan von Dirk Bernemann. Daneben den wunderbaren Jo Schuttwolf. Ein begnadeter Autor und guter Freund. Eigentlich gibt es so viele Autorinnen und Autoren, die ich hier nennen könnte. Aber ich glaube, das würde den Rahmen sprengen. Wo soll ich anfangen? Wo soll ich aufhören?

Michael Schmidt: Was liest du selbst?

Andreas Dörr: Ferdinand von Schirach. Ich mag seine Kurzgeschichten. Momentan berufsbedingt, sehr viel Fachliteratur. Ansonsten mag ich in besonderem Maße die Bücher von Dirk Bernemann. Ich mag Douglas Adams sehr gerne. Die Geschichten von Stephen King natürlich und auch gerne die Klassiker. Oskar Wilde, Franz Kafka, Hermann Hesse. 

Michael Schmidt: Noch ein Wort an die Meute dort draußen!

Andreas Dörr: Ein Wort an die Meute da draußen. 😀 Mal überlegen … 

Schreibt. Bleibt so, wie ihr seid. Schreibt. Seid nett zueinander. Schreibt. Bleibt gesund und … ach schreibt! Schreibt weiterhin die wunderbarsten Geschichten und schreit sie hinaus in die Welt. 

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