D. Evill - Das Säuseln im Wald (2012)
Ein lange ersehnter Urlaub, ein gegebenes Versprechen, ein altes Haus im Wald - Klaus, ein Mann Ende 40, gerät bei einem Routine-Check in unvorhersehbare Schwierigkeiten, nicht zuletzt in Lebensgefahr. In einer unerträglichen, ausweglos erscheinenden Situation muss er sich seiner Vergangenheit stellen. Und die ist böse...
LESEPROBE: Er kommt wieder zu sich. Hektisch saugt er modrige Luft in seine leeren Lungen. Der
Kopf fühlt sich heiß an, das helle Summen in den Ohren deutet auf Fieber hin. Oder zumindest auf erhöhte Temperatur. Gott, fühlt er sich schlecht. Nur langsam kommen seine Sinne wieder. Er befindet sich immer noch in diesem verflixten Keller. Kein Sand im Mund. Kein Sand in den Augen und Ohren. Doch beruhigt es ihn nicht wirklich, gerade aus einem Albtraum entkommen zu sein - er steckt anscheinend immer noch in einem drin.
Stöhnend richtet er seinen geschundenen Körper auf. Die harten Eisenstufen haben sich wieder einmal in Gesäß und Rücken gebohrt. Verflucht, das tut weh. Die Beine stecken bis zu den Knien im Wasser, er kann seine Füße nicht spüren. Eine eisige Kälte hat sich bis in den Unterleib gefressen. Die Wasserflut scheint aufgehört zu haben. Zum Glück. Doch falls er wieder aus dem Tonrohr rufen will, muss er bis zum Bauchnabel ins Wasser steigen. Er will nicht. Er kann nicht. Seine Kraft ist aufgebraucht. Ein gequälter Blick auf die Armbanduhr sagt ihm, dass er bereits drei Tage und vier Nächte in diesem beschissenen Kellerloch hockt. Er glaubt nicht mehr an eine Rettung von außen. Wenn es überhaupt noch eine Rettung gibt.
Die letzten kargen Mahlzeiten hatten aus Süßigkeiten bestanden. Das sättigt mehr schlecht als recht. Getrunken hat er das brackige Wasser. In das hatte er übrigens auch gepinkelt. Es ging schließlich nicht
anders. Seinen Darminhalt, das große Geschäft, hat er bis dahin bei sich halten können, doch auch das ist nur eine Frage der Zeit. Der Druck wird stündlich größer. Klaus nimmt sich vor, sich in eines der Regale zu entleeren, wenn es soweit ist, so würde die "Wasserqualität" nicht über die Maßen herabgesetzt. Sein Geist ist gefangen in einem Käfig voller Schmerzen. Alles tut ihm weh und die Ausweglosigkeit der Situation greift mit ausgestreckten Klauen nach seiner Psyche. Er macht sich nichts vor – sollte sich innerhalb kürzester Zeit nichts ändern lassen, würde er hier unten jämmerlich verrecken. Er nimmt all seinen Mut zusammen. Unter lautem Stöhnen schiebt er das Gesäß Stufe um Stufe höher die Treppe hinauf. Die steifen Beine baumeln dabei hilflos hinterher, sind keine Stütze.
„Hier, ich bin nah genug. Über mir sind nur sieben Zentimeter gerahmtes Kunststoffholz. Verdammt will ich sein, wenn …“ Er drückt, mit aller noch zur Verfügung stehenden Kraft, gegen die über ihm liegende MDF-Platte. Sie – bewegt sich! Langsam, und mit Schweiß auf der Stirn, presst er die Luke hoch. Mit dem alten, bekannten „Runk“ löst sie sich aus dem Stahlrahmen. Eine Woge der Erleichterung macht sich in seinem Hirn breit. Kühle Luft weht von oben in das Kellerloch herein und streicht erfrischend
über seine heiße, fiebernde Stirn. „Geschafft, ich habe es geschafft.“ Klaus weint vor Glück. Freudig erregt schiebt er seinen eingeschlafenen Hintern noch eine Stufe höher. Nur noch ein Stück – und er würde die verdammte Bodentür in ihre Verriegelung schieben können und …
… irgendetwas knallt die Luke mit solch einer Gewalt zu, dass der Rahmen bricht – Klaus schwinden die Sinne als er die Planke erneut auf den Schädel geschmettert bekommt. Der Metallrahmen der Luke schneidet sich durch Fleisch und Fingerknochen der rechten Hand und zerstört diese völlig. Das kindliche Kichern hört er nicht mehr …
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