Interview mit Rainer Innreiter

Vincent Preis: Hallo Rainer, der Horrorgemeinde solltest du kein Unbekannter sein. Trotzdem, stell dich doch mal kurz vor. Wer steckt hinter dem Namen Rainer Innreiter.

Rainer Innreiter: Vermutlich enttäusche ich mit dem Eingeständnis einer völlig unspektakulären Biographie. Ich bin Österreicher und mittlerweile Anfang 40 – für beides kann ich nichts. Wofür ich etwas kann ist meine Vorliebe für die Phantastik, der ich seit vielen Jahren fröne, sowohl im literarischen, als ich im filmischen Bereich. Die Butter für die Brötchen verdiene ich mit einem ganz normalen Bürojob, Kontakte zur Dämonenwelt oder zu Außerirdischen bestehen nicht. Es tut mir Leid, keine spannendere Lebensgeschichte bieten zu können, und ich hoffe, das Lesen meiner Storys macht dieses Manko wieder wett.



Vincent Preis: Soweit ich weiß bist du Kurzgeschichtenautor. Warum Kurzgeschichten und keine Romane? Alle Welt liest 1000 Seiten Werke…

Rainer Innreiter: Die ganze Welt liest 1000-Seiten-Schmöker … die ganze Welt? Nein! Ein unbeugsamer Österreicher zieht Kurzgeschichten vor … aber ernsthaft: Ich bevorzuge Kurzgeschichten, da sie gewissermaßen rascher zum Punkt kommen. Selbst auf wenigen Seiten lassen sich faszinierende Welten schildern, wie beispielsweise Science-Fiction-Legende Philip K. Dick bewies, dessen Kurzgeschichten ich seit jeher über alles schätze. Möglicherweise könnte man mir auch Faulheit vorwerfen: Einen Roman zu schreiben kann Jahre an Lebenszeit verschlingen – eine Kurzgeschichte ist in wenigen Tagen oder Wochen fertiggestellt. Dennoch habe ich auch Romane geschrieben, wenngleich diese unveröffentlicht in der berüchtigten Schublade dornröschengleich dahinschlummern.


Vincent Preis: Auf deiner Webseite findet man vier Sammlungen mit Kurzgeschichten. Stell Sie doch mal vor!

Rainer Innreiter: Für Freunde gepflegten Horrors dürfte „Der Leichenbaum“ am Interessantesten sein, eine Horrorgeschichtensammlung, in der es nicht gerade zimperlich zugeht. Darauf sollte hoffentlich bereits der Titel hinweisen. Ebenso selbsterklärend sollte der Titel des Erzählbands „180° - Verdrehte Kurzkrimis“ sein: Ein Dutzend Kurzgeschichten mit einem besonderen Kniff, der das Gelesene am Schluss unter einem völlig neuen Blickwinkeln darstellt. Da ich der Meinung anhänge, Horror und Humor seien artverwandte Genres, wobei das eine meist mit, das andere meist ohne Blut sein Auslangen findet, schreibe ich auch Satirekurzgeschichten. Eine Auswahl davon findet sich in „Sternstunden menschlichen Scheiterns und andere Absurditäten“ wieder. Den nachdenklichen Rainer bilden die Kurzgeschichten in „Einen Augenblick lang Gott“ ab. So unterschiedlich die Genres auch scheinen mögen: Sie kennzeichnen meine Vorliebe für Vielfalt.


Vincent Preis: Welches deiner Bücher ist dein Favorit?

Rainer Innreiter: Als Horrorfan natürlich „Der Leichenbaum“! Die Frage ist allerdings gemein, als würde man Eltern fragen, welches ihr Lieblingskind sei.


Vincent Preis: Wie viele Kurzgeschichten hast du verfasst. Und hast du eine Lieblingsgeschichte?

Rainer Innreiter: Grob geschätzt an die zweihundert Kurzgeschichten unterschiedlicher Länge. Ich weiß zwar nicht, ob sie meine beste darstellt, aber zu „Phantasmagoria“, die in der Anthologie „Arkham“ des Verlags Basilisk erschienen ist, hege ich eine ganz besondere Beziehung. An dieser habe ich wie an keiner anderen gefeilt, möglicherweise auch deshalb, da sie ein Lovecraft-Pastiche darstellt.


Vincent Preis: Welches war deine erste Veröffentlichung?

Rainer Innreiter: Eine unvermeidliche Frage, um deren Antwort ich mich gerne drücke. 2001 war es, da durfte ich für ein FanZine einen „Füllertext“ verfassen. Ich fühlte mich geehrt und bin dem Herausgeber immer noch dankbar dafür. Weniger dankbar bin ich dafür, einen unfassbar peinlichen Fehler in einer nur wenige Zeilen langen Geschichte untergebracht zu haben, der mit einem simplen Blick auf einen Globus vermeidbar gewesen wäre. Vielleicht bin ich deshalb auch etwas großmütiger geworden im Umgang mit Recherchefehlern bekannter Autoren.


Vincent Preis: In der Zwielicht Reihe bist du mit drei Geschichten vertreten. Eine Katzengeschichte die sehr regional wirkt in Zwielicht 1, die Kannibalen Geschichte in Zwielicht 3 und eine düstere SF Geschichte in Zwielicht Classic 4. Das wirkt sehr vielfältig. Ist der Eindruck richtig und ist Vielfältigkeit als Autor eher Vor- oder Nachtteil?

Rainer Innreiter: Unbefriedigende Antwort: Beides. Autoren werden meist auf ein bestimmtes Genre festgelegt und bedienen somit einen spezifischen Markt. Weicht ein Buch drastisch vom Gewohnten ab, murren die Leser meist, da sie „mehr vom Selben“ erwartet hatten. Als Hobbyautor schätze ich die Vielfalt nicht nur beim Lesen, sondern auch beim Schreiben. Erst vor wenigen Wochen etwa schloss ich einen Roman ab, der im Falle einer Veröffentlichung wohl bei einigen Lesern die Frage aufkommen ließe: „Moment mal: Der Typ schreibt doch normalerweise Horrorgeschichten, oder?“
Ja, das tut er. Aber er überrascht seine Leser auch gerne, weshalb er etliche nicht dem Genre verwandte Geschichten geschrieben hat.


Vincent Preis: Zwielicht oder auch andere Publikationen in denen du veröffentlicht hast sind Anthologien. Liest du die Beiträge von Autorenkollegen und hast du Favoriten unter deutschsprachigen Autoren?

Rainer Innreiter: Ja, ich lese die Geschichten der Kollegenschaft. Mein Favorit lautet nach wie vor Markus Korb, den ich als begnadeten Geschichtenerzähler jedem Genrefan ans Herz legen möchte.


Vincent Preis: Wie würdest du die Horrorszene beurteilen?

Rainer Innreiter: Ehrlich gesagt glaube ich, dass der gigantische „Twilight“-Erfolg und unzählige Zombie-Adaptionen das Genre auf Jahre hinweg verseucht hat. Ich kann einfach keinem romantischen Vampir oder einem Zombie mehr in die Augen blicken. Für die Autorin und ihren Verlag ist die Serie „Twilight“ natürlich ein Jackpot. Die Folge ist aber, dass Verlage logischerweise den Erfolg zu wiederholen versuchen und unverbrauchte, originelle Stoffe möglicherweise zu Gunsten des Trittbrettfahrens unveröffentlicht bleiben. Gerade im Hobbyautorenbereich merkt man den krampfhaften Versuch, auf den Vampir- und Zombie-Zug aufzuspringen, der in Wahrheit schon längst davongebraust ist. Was das „nächste große Ding“ sein wird, weiß ich nicht. Ich hoffe nur, es wird die Szene nicht wiederum über Jahre hinweg dominieren.


Vincent Preis: Was fehlt der deutschsprachigen Horrorszene was die internationale schon hat bzw. was hat sie ihr voraus?

Rainer Innreiter: Es klingt gewiss klischeehaft, ich schäme mich trotzdem nicht, es zu sagen: Viele deutschsprachige Autoren können und wollen einfach nicht unterhaltend schreiben. „Unterhaltung“ hat immer noch diesen unangenehmen Beigeschmack, als könnte man sich als Leser oder Kritiker daran infizieren und wäre für die gehobene Literatur verdorben. Mein Eindruck ist der, dass hiesige Autoren oftmals nicht für Leser, sondern für Kritiker schreiben. Ganz so, als würde eine wohlwollende Rezension dem Text einen literarischen Michelin-Stern verleihen, der den Leserhimmel erleuchten soll. Was im Endeffekt aber zählt ist, ob die Geschichte auch tatsächlich gelesen wird. Einer meiner Lieblingsautoren ist Tommy Jaud, der für Literaturkritiker vermutlich eine Art Paria darstellt. Die meisten seiner Romane sind reine Unterhaltung, das aber auf perfekte Weise! Ein paar Stunden lang lacht man und geht ganz in der Geschichte auf. Das ist viel schwieriger, als es klingen mag, und in unseren Breiten leider immer noch eine Ausnahmeerscheinung. Vielleicht bräuchten wir – Achtung, weiteres Klischee! – einen deutschen Stephen King, in dessen Fahrtwasser sich andere talentierte Autoren ins tiefe Meer trauten, vor dem sie bislang Angst hatten.


Vincent Preis: Sind irgendwelche Veröffentlichungen in nächster Zeit geplant?

Rainer Innreiter: Ich würde besagten kürzlich abgeschlossenen Roman gerne in gedruckter Form sehen. Ob sich dafür ein Verlag findet, ist eine andere Frage. Darüber hinaus gibt es keine entsprechenden Pläne, was auch mit meiner persönlichen Situation zusammenhängt. Auch als Hobbyautor kann man sich von den Realitäten des Lebens nicht abkoppeln.


Vincent Preis: Du veröffentlichst beim Twilight Line Verlag. Du hast aber auch schon früh über Amazon als SP veröffentlicht. Was sind aus deiner Sicht die großen Vor- und Nachteile?

Rainer Innreiter: Vorteil ist die fast völlige Entscheidungsfreiheit, was man veröffentlichen möchte. Der Nachteil liegt im fehlenden Lektorat, was man bei vielen Autoren sogar in der Leseprobe überdeutlich erkennen kann.


Vincent Preis: Mit ein wenig Abstand. Wie würdest du die SP Szene charakterisieren?

Rainer Innreiter: Amazons Kindle-Programm ist großartig, keine Frage. Aber wo es keine richtige Qualitätskontrolle gibt, erblüht natürlich der Schwachsinn in all seiner Glorie. Für Leser ist es noch schwieriger geworden, die Rosen im Distelfeld auszumachen. Denn: eBooks lassen sich praktisch kostenlos publizieren. Andererseits habe ich auf diese Weise einige sehr gute Bücher – allesamt abseits des Phantastikgenres – entdeckt, die ich in gedruckter Form vermutlich bereits auf Grund der höheren Preise nie erworben hätte.


Vincent Preis: Wie wichtig ist die Verlagswahl als Autor?

Rainer Innreiter: Ich möchte folgende Analogie anbieten: Wie wichtig ist die Vereinswahl für einen Fußballer? Sehr wichtig! Wer Kohle verdienen und berühmt werden möchte, muss eben beim FC Bayern oder bei Real Madrid spielen. Um sich aber über den passenden Verein den Kopf zerbrechen zu können, muss man verdammt gut kicken können. Ich glaube, viele Nachwuchsautoren begehen den Fehler, sich über Verlag, Verträge, Honorare oder Pressetouren Gedanken zu machen, ehe sie überhaupt ein verwertbares Produkt vorweisen können. Und das sage ich als jemand, der jeden, absolut jeden Fehler begangen hat, den man bei der Verlagssuche nur irgendwie möglich begehen kann! Deshalb mein ganz ehrlich gemeinter Rat: Erst ein hervorragendes Manuskript erstellen, danach einen Verlag suchen. Zwar gibt es keine Garantie dafür, dass ein stilistisch ausgefeilter, irre spannender oder zum Brüllen komischer Roman einen Abnehmer finden wird. Die Chancen stehen aber ungleich größer als jene, mit einem halbfertigen Manuskript voller Rechtschreibfehler keine Absage zu kassieren.


Vincent Preis: Ein Wort an die Leute dort draußen?

Rainer Innreiter: Seid nett zueinander. Und lest meine Geschichten. Gerne auch in umgekehrter Reihenfolge.





 

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