Interview mit Christian Weis

Michael Schmidt: Hallo Christian, stell dich den Lesern doch mal kurz vor!

Christian Weis: Meine ersten Geschichten habe ich im Alter von 8 oder 9 Jahren geschrieben oder vielmehr gezeichnet. Heraus kam dabei meist eine krude Mischung aus Bildergeschichte und Storyboard, inspiriert vor allem durch Filme, die ich gesehen hatte und nacherzählen wollte. Das liegt nun schon mehr als 35 Jahre zurück. Später folgten dann richtige Kurzgeschichten, wiederum beeinflusst durch Vorbilder wie Ray Bradbury, Roald Dahl, Edgar Allan Poe oder Stephen King. Auf die meisten dieser Autoren stieß ich das erste Mal im Schulunterricht, auch durch Empfehlungen von Deutsch- und Englischlehrern, die uns nicht nur Geschichten von Wolfgang Borchert oder Siegfried Lenz lesen ließen, sondern eben auch Storys von Dahl, Hemingway, Poe und Kafka oder Romane wie „1984“ und „Herr der Fliegen“. Im Teeniealter hielt sich mein Interesse für Film und Literatur in etwa die Waage, vielleicht mit leichtem Übergewicht beim Film. Hätte es damals schon die Technik von heute gegeben (Lego-Filmstudio, Schnitt-Programme auf dem PC usw.), hätte ich vielleicht eher Kurzfilme gedreht als Storys geschrieben, wer weiß. Als nach dem Abitur und während des Wehrdienstes die Überlegung Studium oder Ausbildung anstand, hätte ich mir durchaus ein Studium entsprechend meiner Neigungen vorstellen können, habe den Schritt aber nicht gewagt, weil mir die Worte „brotlose Kunst“ immer wieder durch den Kopf schwirrten. Damals ist zudem mein Vater schwer erkrankt, und so habe ich den abgesicherteren Weg einer Ausbildung im öffentlichen Dienst gewählt. In der Folgezeit verschoben sich die Interessen, zum Schreiben fand ich erst wieder mit der Anschaffung des ersten eigenen PCs.


Michael Schmidt: Tief unter der Stadt ist der Titel von Band 12 der Horror Factory und erscheint am 30.10.2013. Erzähl mal!

Christian Weis: Der Kurzroman basiert auf einer Story, die ich vor einigen Jahren geschrieben und im Lauf der Zeit immer wieder überarbeitet und abgeändert habe. In der Seitenzahl hat sie stark variiert, auch im Hinblick auf eine Veröffentlichung. Zwischendurch habe ich überlegt, einen längeren Roman daraus zu machen, das dann aber wieder verworfen. In der heutigen Magazin- und Anthologieszene ist es schwierig, eine längere Erzählung zu veröffentlichen, weil es dafür kaum Plattformen gibt. Novellen bis 50 oder 60 Manuskriptseiten bringt man schon mal unter, aber darüber hinaus wird die Luft sehr dünn, von Honorar zahlenden Publikationen mal ganz abgesehen. Mit der HORROR FACTORY hat sich das ja glücklicherweise geändert. Die Reihe bedient Leute wie mich, die auch gern mal was lesen, das zwischen der Kurzgeschichte und dem dicken Roman liegt. „Tief unter der Stadt“ beginnt als Krimi, doch schon bald wird dem leitenden Hauptkommissar klar, dass er es nicht mit einem normalen Mordfall zu tun hat. Da es sich bei dem Opfer um einen einflussreichen Politiker handelt, steht er unter hohem Ermittlungsdruck und geht Risiken ein. Seine Nachforschungen in der Hausbesetzerszene führen ihn in die Katakomben unter dem Abbruchhaus eines Sanierungsviertels, wo er feststellen muss, dass er im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln tappt.

Michael Schmidt: Du schreibst meines Wissens Horror und SF. Welches Genre bevorzugst du?

Christian Weis: Keins von beiden, über die Jahre hielt sich das in etwa die Waage. Die meisten meiner bisher veröffentlichten Erzählungen lassen sich diesen Genres zuordnen, wobei es oftmals ein Genremix ist, weil ich gern über den Tellerrand hinausschaue. In meine SF-Storys mischen sich immer wieder Horrorelemente, und auch mein Faible für Thriller und Krimis kommt gelegentlich zur Geltung. Horror und Science Fiction bilden aber den Schwerpunkt, da hast du völlig Recht. Dabei gab es in der Vergangenheit immer wieder Phasen mit wechselnden Schwerpunkten. Zurzeit steht Horror etwas im Vordergrund, ich möchte SF aber keinesfalls vernachlässigen.

Michael Schmidt: Im Laufe der Jahre haben ja einige Geschichten von dir das Licht der Welt erblickt. Gib uns doch mal einen kurzen Überblick!

Christian Weis: Meine ersten Kurzgeschichten wurden in Fanzines veröffentlicht, vielleicht kennt der eine oder andere noch Wilko Müllers SOLAR-X. Später folgten Storys in Magazinen wie EXODUS, NOVA, PHANTASTISCH! und in der Computerzeitschrift C'T. Außerdem in der ZWIELICHT-Reihe und in Anthologien verschiedener Verlage. Wer einen kompletten Überblick möchte, findet ihn auf meinem Blog „Schreibkram & Bücherwelten“ (www.chweis.wordpress.com) in der Bibliographie.

Michael Schmidt: Welche deiner Geschichten sind deine persönlichen Favoriten?

Christian Weis: Haben Eltern Lieblingskinder? Na, das sollten sie wohl tunlichst vermeiden, nicht wahr? So geht es mir mit meinen Storys auch. Aber es gibt natürlich einige mit besonderer Bedeutung. Etwa meine Novelle „Schöpfungsliberalismus“ (2009 in NOVA erschienen), die für den Deutschen Science Fiction Preis nominiert und von der Jury auf den 3. Platz gewählt wurde. Oder meine SF-Story „Psychokannibalen“, für die ich mein erstes Honorar erhielt, als sie 2006 in der C'T erschien. Oder „Gedankenfresser 1.0“ (ebenfalls C'T), für die ich mein bislang höchstes Storyhonorar bekam. Daneben gibt es einige Geschichten, in die persönliche Eindrücke eingeflossen sind und die einem Autor meist etwas mehr am Herzen liegen als andere. Wenn ich bei einer neuen Story gut vorankomme, dann ist diese aktuell immer meine Lieblingsgeschichte. Wenn es nicht so flutscht, kann sie kurzzeitig zum ungeliebten Kind werden und im virtuellen Sünderzimmer landen (manche verschimmeln und verfaulen dort - das wär vielleicht mal ein Thema für eine Horrorstory?). Und dann gibt es immer wieder Phasen, wo ich mit meinem Schreibkram unzufrieden bin, aber zu viel Zufriedenheit lässt einen mitunter träge werden, was ja wiederum schädlich sein kann.

Michael Schmidt: Der erste Kurzroman ist erschienen. Werden weitere, vielleicht auch längere folgen?

Christian Weis: Das ist nicht zuletzt eine Zeitfrage, vor allem, soweit es längere Romane betrifft. Und den Knopf, auf den man drücken muss, um einen Tag auf 26 oder 28 Stunden zu verlängern, hab ich leider noch nicht gefunden. Aber viele meiner Storys wurden umfangreicher als geplant, insofern hängt es immer vom Thema und dem Einzelfall ab. Reizvoll ist Romanschreiben auf jeden Fall, zumal beim Verhältnis zwischen Kurzgeschichtenlesern und Romanlesern etwa der Größenvergleich vom Erdenmond zur Sonne zutreffen dürfte. Außerdem bietet ein Roman hinsichtlich der Ausgestaltung natürlich ganz andere Möglichkeiten, Kurzgeschichten und Novellen unterliegen gewissen Beschränkungen. Ich möchte es also definitiv nicht bei dem einen Roman bewenden lassen, aber spruchreif ist da noch nichts.

Michael Schmidt: Du schreibst nicht nur, sondern liest auch viel. Deine Lieblingsautoren?

Christian Weis: Es gibt einige Autoren, bei denen ich fast blind nach Neuerscheinungen oder Büchern aus dem Backprogramm greife, weil sie mich nur selten enttäuscht haben. Dazu gehören Ray Bradbury, Dan Simmons und Joe R. Lansdale. Bei Stephen King bin ich in den letzten Jahren vorsichtiger geworden, habe aber mehr als einen Regalmeter allein mit seinen Hardcovern gefüllt. Daneben finden sich in meinen überquellenden Bücherregalen eine ganze Reihe von Autoren, die ich in die Aufzählung nehmen könnte, was aber den Rahmen schnell sprengen würde. Also seien exemplarisch noch Clive Barker, James Ellroy, Jasper Fforde, Cormac McCarthy, John Scalzi und F. Paul Wilson genannt.

Michael Schmidt: Wie sieht es mit deutschsprachigen Autoren aus?

Christian Weis: Bei den deutschsprachigen Autoren tue ich mich schwer, einige wenige zu nennen, weil es eine ganze Reihe gibt, deren Werke ich gern lese und wo ich mich freue, wenn's was Neues zu entdecken gibt. Ich möchte da keinen herausheben oder zurücksetzen. Zwei Namen will ich aber dennoch erwähnen, weil sie seit vielen Jahren sporadisch immer wieder in Erscheinung treten, aber eigentlich einen Dauerplatz auf den Neuerscheinungslisten verdient hätten und weil sie auch in der ersten Staffel der HORROR FACTORY vertreten sind: Michael Marrak und Malte S. Sembten. Dass ein dritter, nämlich der Österreicher Andreas Gruber, der wie viele andere mit Storyveröffentlichungen in Fanzines wie SOLAR-X angefangen hat, inzwischen regelmäßig in diesen Listen vertreten ist, freut mich für ihn. Und wenn wir schon bei Thriller und Crime sind, seien den Krimilesern da draußen die Romane von HORROR-FACTORY-Herausgeber Uwe Voehl ans Herz gelegt, der kann nämlich nicht nur Horror.

Michael Schmidt: Gibt es weitere Veröffentlichungen, die bevorstehen?

Christian Weis: In den letzten beiden Jahren habe ich aus verschiedenen Gründen praktisch nichts Neues geschrieben, daher steht derzeit nichts Spruchreifes an. Das möchte ich aber ändern. Zuletzt ist die Horrorstory „Bruder Lazarus“ in der 3. Ausgabe der ZWIELICHT-Reihe erschienen.

Michael Schmidt: Ein letztes Wort an die Leute da draußen?

Christian Weis: Lest mehr Bücher, und lest vor allem mehr Kurzgeschichten!





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