Interview mit Mario H. Steinmetz
Stell dir einen schlichten,
schwarzen Raum vor, zwei sich gegenüberstehende blutrote Kanapees, einen
schlichten, weiß lackierten Tisch, eine weiße Vase mit einer schwarzen Dahlie
zum Inhalt. Im Hintergrund hören wir Shub Niggurath : https://www.youtube.com/watch?v=KipDpynENv4
VV: Moin Mario, herzlich
Willkommen hier beim Vincent Preis. Schön, dass du da bist. Durstig? Was
möchtest du denn trinken?
Mario H. Steinmetz: Herzlichen Dank für die
Einladung. Es ist mir eine große Ehre. Einen Whiskey mit viel Eis würde ich
gerne nehmen, danke.
Sehr schön hier, übrigens. Ich
liebe schwarze Dahlien und rote Kanapees. Und Shub Niggurath ist eine
hervorragende Wahl.
VV: Dein Roman „Dreizehn“ hat es beim Vincent Preis in die Endrunde zum bestendeutschsprachigen Horror-Roman geschafft. Was sagst du dazu?
M.H.S.: Ich bin sehr glücklich darüber. Vor
allem, weil der Vincent Preis für mich sehr viel bedeutet. Es ist nun mal „der“
Preis des deutschen Horror Genres.
VV: Ich finde „Dreizehn“ ist ein
sehr innovativer Roman mit klassischen Horror- und Figurenelementen. Fangen wir
mal mit einem Hauptschauplatz an. Eine ehemalige Nervenanstalt auf
Foulness-Island … hat der Ort die Idee geboren? Warst du dort?
VV: Was war die Vorlage für die
Nervenheilanstalt? Ich fand sie übrigens atmosphärisch, auch und gerade mit Dr.
Botkin als Leiter, sehr gelungen.
M.H.S.: Danke dir. Ich liebe
Filme und Geschichten, die in Nervenheilanstalten spielen. Für mich müssen
diese düster und altmodisch sein, mit vielen verschlossenen Türen, wo man nur
ahnen kann, was dahinter vorgeht. Haunted Hill hat da sicher Einfluss genommen,
oder die AHS Staffel Asylum, die ich regelrecht verschlungen habe. Dann war da
meine Reise nach Rumänien, wo ich diese alte, brach liegende Anstalt besuchte.
Das war der Moment, wo es Klick machte …
Doktor Botkin ist für mich das
Sinnbild eines Arztes, der sich über das Wohl des Patienten erhebt, um seinen
Visionen nachzukommen. Für ihn heiligt der Zweck alle Mittel, ganz unabhängig
davon, dass es sich um eine historische Persönlichkeit handelt.
VV. Ah, Okay. In deiner
Geschichte „Wicked Game“ war sehr viel Sex im Spiel und auch in deinem Roman
spielt Sex eine Rolle. Mittel zum Zweck oder Salz in der Suppe?
Wicked Game geht in eine ganz
andere Richtung als Dreizehn, offenbart uns unsere Nichtigkeit gegenüber
bestimmten sexuellen Reizen. Reduziert uns zum Spielzeug unserer Sinnlichkeit.
VV: Deine Figuren Horvart und
Ward haben ihre Macken und Liebenswürdigkeiten. Hattest du sie so angelegt oder
haben sie sich ihre Eigenarten selbst … zugeschrieben?
M.H.S.: Sowohl als auch. Wenn ich Charaktere
für einen Roman erstelle, lege ich anfangs nur einen Rahmen fest. Eckdaten, wie
Lebenslauf, Aussehen, Vorlieben, etc.
Der Charakter prägt sich dann im
Laufe der Story, wächst, entwickelt eigene Züge. Wenn ich schreibe, bin ich in
der Szene, die sich vor meinem geistigen Auge abspielt. Und die kann ich nur
noch vage steuern. Horvat war ursprünglich nur als Nebenfigur gedacht, doch die
Frau ist einfach umwerfend, hat sich wie eine Schauspielerin am Set entwickelt.
Man kann daher durchaus sagen, dass meine Figuren ein Eigenleben besitzen.
VV: Okay. Mal was
Handwerkliches. Wie weit ging deine Recherche? Oder ist die ägyptische
Mythologie eine Passion von dir?
M.H.S.: Wir schon gesagt,
fasziniert mich das Ägyptische. Vor Jahren habe ich das Totenbuch gelesen, auf
das ich mich in Dreizehn beziehe. Meine Recherche ging natürlich tief in die
Götterwelt hinein, gerade und vor allem, was den Übergang vom Leben zum Tod
betrifft. Unglaublich sind hier auch die parallelen zum babylonisch sumerischen
…
Recherche ist für mich ein
Rausch, der mich in seinen Bann zieht. Die Kunst ist, sich nicht darin zu
verstricken (lach).
VV: Wie viel Ethan Ward steckt
in dir? Ich meine, wie lange würdest du versuchen, etwas Übernatürliches
rational zu erklären? Und wieviel Probleme würde es dir bereiten es zuzulassen?
M.H.S.: Ich glaube an das
Übernatürliche und hab da in meiner Vergangenheit ganz eigene Erfahrungen
gemacht, bei denen ich mir die Finger verbrannt habe. Von daher würde ich das
Übernatürliche sogar recht schnell zulassen. Viel schneller, als es Ethan tun
würde. Mit ihm wollte ich eine Figur schaffen, die wohl Kontakt zum Übernatürlichen
hatte, aber dennoch zu leugnen sucht. Sich letztendlich selbst mit
vorgeschobener Rationalität belügt.
M.H.S.: Mit Horror bin ich schon
immer eng verbunden. Mich faszinierten die sogenannten Bösen immer mehr, als
die siegreichen Helden. Die dunkle Seite ist tragisch, leidend, oft auch
verzweifelt und zumeist missverstanden.
Horror ist für mich aber auch
der Blick hinter die Masken, die wir tragen. Das Offenlegen des puren, hässlichen
Selbst.
Dreizehn ist als Figur ohne
Frage abgrundtief böse, aber auch tragisch und bemitleidenswert leidend. Mein
Ziel ist, die Leser zum Überdenken des Bösen zu bringen, vielleicht sogar
Verständnis dafür zu erwecken.
M.H.S.: Oh ja, manchmal schreibe
ich eine Szene, gehe dann mitten in der Nacht mit dem Hund raus in den Wald,
und denke, fuck … da habe ich dann schon ein mulmiges Gefühl.
Ich habe Angst am eigenen Leib
erlebt, Todesangst sogar. Das kerbt sich ein, krallt sich ein Leben lang fest.
Irgendwann habe ich damit begonnen, meinen Nutzen daraus zu ziehen.
Wenn man über Ängste schreibt,
die man selbst erlebt hat, schmeckt das nun mal anders ...
VV: Und wie und wann schreibst du?
M.H.S.: Zuhause in aller Regel nachts ab
22:00 an meinem wunderschönen alten Schreibtisch. Zumeist mit passender Musik.
Unterwegs sehr gerne auf
Flughäfen, während langer Flüge und an allen möglichen Orten. Da darf es sehr
gerne laut und hektisch sein. Das ist dann meine Glocke.
Dead Man‘s Hand habe ich zum
Beispiel fast komplett an den Handlungsorten geschrieben. Das war ein echter
Flash.
Grundsätzlich schreibe ich jeden
Tag, jedoch ohne besondere Zielsetzung.
Zumeist schreibe ich den Roman
erst, wenn ich die Zusage einer Veröffentlichung habe. Das ist unglaublich
motivierend.
Ich meine, an was denkst du,
wenn du in Deadwood stehst?
Oder das Buschland Südafrikas
mit einem abgefuckten Landrover durchquerst?
Und, ganz frisch, habe ich
endlich meinen Südafrika-Plot fertig, Arbeitstitel Böses Blut.
Ich brauche das Arbeiten an
verschiedenen Projekten gleichzeitig. Stockt das eine, kann ich mich auf‘s
andere stürzen (lacht).
M.H.S.: Ich war zwar schon auf
einigen Shortlists, habe aber bisher nie gewonnen. Vermutlich würde ich
Schnappatmung bekommen, wie Rumpelstilzchen im Kreis hüpfen, und mir nen
supergroßen Whiskey mit Eis gönnen. Das wäre für mich einfach unglaublich, ein
absoluter Meilenstein. Die Erfüllung eines Traumes … etwas ganz Besonderes.
Gemeinsam mit den anderen,
großartigen Büchern ins Rennen zu gehen, ist für mich ziemlich aufregend, denn
ich würde es jedem gönnen.
VV: Schön, dass du da warst, Mario. Und auf jeden Fall wünsche ich dir, dass
möglichst viele LeserInnen für dich abstimmen werden.
M.H.S.: Herzlichen Dank für die tollen
Fragen. Es war mir eine Ehre. Und wie gesagt, Träume können sich erfüllen …
oder auf ewig ein Traum bleiben.
Und dann noch …
VV: Drei Bands oder Musiker, die dich geprägt haben?
M.H.S.: Sisters of Mercy, Diamanda Galas,
Cash
M.H.S.: Beides
VV: Frankenstein oder Dracula?
M.H.S.: Frankenstein
VV: Warum?
M.H.S.: Weil tragisch, traurig, und voller
Sehnsucht
VV: Drei Horrorfilme, die dich geprägt haben?
M.H.S.:
Hellraiser (1), Shining, Nosferatu
VV: „Dreizehn“ wird mit ungeahntem Budget verfilmt. Du wählst die Schauspieler
… Ethan Ward ist …? Natascha Horvat ist …? Dr. Botkin ist …?
M.H.S.: Ethan Ward = Christian Bale,
Natascha Horvat = Emma Watson, Doktor Botkin = Christoph Waltz
VV: Der Film ist ein mega Erfolg, alles ist möglich. Welchen Traum würdest du
dir verwirklichen?
M.H.S.: Ich liebe Amerika. Vermutlich würde
ich auswandern, den Winter in Texas oder Arizona verbringen, und den Sommer in
Alaska oder South Dakota. Und ich würde schreiben, bis mir die Finger bluten.
VV: Fußball oder Tennis?
M.H.S.: Reiten, schießen und fechten
VV: Ein guter Spruch auf einem Grabstein?
M.H.S.: Aus meinen leeren, toten Augenhöhlen
werden keine Skorpione kriechen
VV: Eine Frage, die man dir nicht stellen sollte?
M.H.S.: ...
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