Interview mit Nina Horvath

Vincent Preis: Hallo Nina, stelle dich doch den Vincent Preis Lesern einmal kurz vor. Welche Person steckt hinter dem Namen Nina Horvath.



Nina Horvath: Ich lebe in Wien und arbeite an meiner Magisterarbeit in Paläobiologie. Außerdem schreibe ich seit Jahren Kurzgeschichten und habe offiziell zwei Anthologien herausgegeben, aber ohne dass mein Name am Cover genannt wird, habe ich an mehr Kurzgeschichtenbänden organisatorisch mitgewirkt.

Ansonsten gibt es nicht viel zu berichten. Ich bin ein Mensch mit einem stillen und unspektakulären Lebenswandel, die Abende verbringe ich meistens alleine zu Hause. Ab und an breche ich mal aus meinem Alltag aus und gönne mir so einen Spaß, wie die mehr als sechshundert Kilometer zum BuchmesseConvent zu fahren und dann einen Tag lang die verrückte Szeneautorin zu verkörpern. Da komme ich dann regelrecht aus meinem Schneckenhaus raus und ich glaube, die Leute, die mich nur von dort kennen, können sich nicht vorstellen, dass mein Alltag recht langweilig ist und ich in Gesellschaft oft still bin - immer dann, wenn ich mit meinem Gegenüber nichts anzufangen weiß, was leider sehr oft der Fall ist.



Vincent Preis: „Zombies für einen Tag“ aus der Anthologie „Metamorphosen“ wurde für den Vincent Preis als „Beste Kurzgeschichte“ nominiert. Zombies sind ja ein aktuelles Thema. Erzähl mal, wie es zu der Geschichte kam und von was sie handelt.



Nina Horvath: Zombies für einen Tag ist eine Hommage an die Wiener Literaturszene, wo man neben klassischen Kaffeehauslesungen auch aberwitzige Textcollagen, die von DJs begleitet werden, zum Besten gibt. Und es ist eine Hommage an H.P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos rund um den Großen Alten Dagon, der mich fast noch mehr als Cthulhu selbst faziniert.

In „Zombies für einen Tag“ geht es nicht um echte Zombies. Es geht erst einmal um Menschen, die sich zu einem Zombiewalk versammeln, sich also als solche verkleiden und als größere Gruppe durch die Stadt marschieren. Die haben natürlich auch ein dunkles Geheimnis, aber damit verrate ich im Grunde genommen schon zu viel.

Auf die Idee bin ich durch Myspace gekommen, als ich eine Freundesanfrage von einer Gruppe von Zombiewalkern bekam. Mich hat das Thema sofort fasziniert und ich habe mir Gesdanken darüber gemacht, warum diese Gruppe das macht und was die Menschen bei ihrer seltsamen Freizeitaktivität fühlen.



Vincent Preis: Du bist ja nicht nur für die Kurzgeschichte nominiert, sondern als Herausgeberin auch mit der Anthologie selbst. Der Verlag Torsten Low ist ein neuer Verlag und Metamorphosen seine erste Horroranthologie. Wie kam es dazu?



Nina Horvath: Im Forum der Geschichtenweber entstand die Idee, eine Cthulhu-Anthologie zu machen. Ich muss gestehen, dass ich da nicht ganz von Beginn mit von der Partie war, nachdem ich aber schon seit vielen Jahren praktisch alle, die mit mir zu tun haben, mit meiner Begeisterung für den Cthulhu-Mythos nerve, wurde ich gefragt, ob ich nicht im Organisationsteam mitmachen wollte. Und ich wollte.

Wir haben dann eine Ausschreibung gestartet und nach Einsendeschluss die Geschichten ausgewählt und sind erst anschließend auf Verlagssuche gegangen. Das Buch war ursprünglich auch in einem anderen Verlag angekündigt, allerdings ist daraus letztendlich doch nichts geworden, weshalb sich das Erscheinungsdatum verzögert hat. Ich bin sehr froh, dass uns die Autoren dennoch treu geblieben sind und ihre guten Geschichten – denn wir haben ja die besten ausgewählt – nicht woanders veröffentlicht haben, sondern weiterhin ihr Vertrauen in uns gesetzt haben.

Ich hatte damals mit dem Verleger losen Kontakt über ein Forum und er ist mir speziell mit einem Beitrag positiv aufgefallen, worauf mir sozusagen der Geistesblitz kam, ihn einfach mal anzuschreiben, ob er sich vorstellen könnte, die Anthologie zu verlegen. Ich hatte zwar vermutet, dass ihm der Cthulhu-Mythos etwas sagt, aber wir hatten das maßlose Glück, dass sich Torsten als großer Fan desselben entpuppt hat und dem Ganzen dementsprechend postiv eingestellt war. Nachdem wir auch andere Dinge wie die gegenseitige Erwartungserhaltung geklärt haben und Torsten die Geschichten gelesen hatte, stand der Zusammenarbeit nichts mehr im Wege.



Vincent Preis: Nach welchen Kriterien habt ihr die Geschichten ausgewählt?



Nina Horvath: Nun, einiges konnte man gleich aussortieren, wenn offenbar alles ignoriert wurde, was in der Ausschreibung stand. Wir haben auf H.P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos basierende Kurzgeschichten mit Verwandlungen gesucht. Bekommen haben wir alles Mögliche, extreme Überlängen und völlige Themenverfehlungen bis hin zum eingesandten Gedichtbandmanuskript.

Die restlichen Geschichten haben wir aufmerksam gelesen und dahingehend diskutiert: Trifft der Text das Thema? Wie hoch wäre der Lektoratsaufwand? Und vor allem: Macht es Cthulhu-Fans wie uns es einfach Spaß, ihn zu lesen?



Vincent Preis: Gab es eine Arbeitsteilung? Immerhin ist das Herausgeberteam zu dritt.



Nina Horvath: An der ursprünglichen Idee war ich ja, wie bereits erwähnt, gar nicht beteiligt, weil ich erst später dazugekommen bin. Die Geschichten haben wir alle gemeinsam ausgewählt und auch lektoriert. Bei der Korrespondenz mit den Autoren – man kann sich gar nicht vorstellen, wie viele Fragen da nach dem Veröffentlichen einer Ausschreibung kommen! – haben wir uns abgewechselt. Es haben sich schon unterschiedliche Stärken gezeigt: Sabrina ist unter anderem sehr gut organisiert und hatte immer die letzte Geschichtenversion richtig eingeordnet und den Überblick über den Arbeitsfortschritt, während ich eine ziemliche Chaotin bin. Manuel hat dann neben anderen Aufgaben auch das Manuskript zusammengefügt und den tollen Kontakt zu der Band „Sorrowfield“ aufgetan – deswegen können wir ja mit jedem Band der „Metamorphosen“ einen Downloadcode für ein kostenloses Musikalbum anbieten.

Meine größte Stärke war hier wohl, dass ich von früheren Veröffentlichungen, aber auch durch einschlägige Foren, viele Kleinverleger kenne und auch recht genaue Vorstellungen habe, welche Auflagenzahlen und welche Veröffentlichungsbedingungen für Genreanthologien im deutschsprachigen Raum realistisch sind und dementsprechend habe ich auch das mit dem Verlag gemanaged.



Vincent Preis: Auch das Cover wurde nominiert. Hatte Chris Schlicht Vorgaben und inwieweit seid ihr an der Erstellung des Covers beteiligt?



Nina Horvath: Chris war von Anfang an Mitglied von unserem Team und wurde in die internen Diskussionen mit einbezogen. Daher lag es an niemandem, ihr eine „Vorgabe“ zu geben – sie hat das Konzept mitentwickelt und dementsprechend auch ein thematisch hervorragend passendes Bild geschaffen. Da Cthulhu-Bilder ihre Spezialität sind, wie sich jeder durch einen Blick auf ihre Homepage überzeugen kann und sie auch für das offizielle Cthulhu-Rollenspiel zeichnet, waren wir uns absolut sicher, dass sie das toll machen würde. Und allein ihre zweifache Nominierung für den Vincent Preis bestätigt nur, was wir ohnehin längst wussten.



Vincent Preis: Das erste Horror Buch im Verlag Torsten Low. Hoffentlich nicht das letzte. Sind weitere Anthologien geplant?



Nina Horvath: Nun, der Verlag Torsten Low hat ja nach Metamorphosen schon wieder andere Anthologien herausgebracht – auch solche, mit einem gewissen Anteil von Horrorgeschichten – nachdem unsere seine erste war, scheint er da ganz gute Erfahrungen gemacht zu haben.

Sabrina und Manuel spielen auch mit dem Gedanken, einen zweiten Band der „Metamorphosen“ herausbringen.

Ich selbst bin aber jetzt von einem anderen Verlag engagiert worden, eine Anthologie mit einem anderen, aber ähnlichen Thema und ebenfalls im Bereich Horror und dunkle Phantastik herauszugeben. Dazu wird es auch demnächst eine Ausschreibung geben. Nachdem ich da wieder all meine Energien reinstecken werde, die ich für mein Schreiberhobby erübrigen kann, versuche ich, mir erst einmal nichts anderes aufzuhalsen.

Ich würde mich aber sehr freuen, wenn ich wieder mal ein Buch mit Torsten herausbringen kann! Er ist nicht nur kreativ, sondern ein persönlich recht angenehmer Mensch, mit dem man sich leicht anfreunden kann und vor allem hängt er sich in seine Projekte voll rein, nicht nur ins „Machen“, sondern auch in die Werbung, was bei Büchern ebenso wichtig ist. Er fährt auf so viele Cons, Messen, Mittelaltermärkte und Gothicfestivals und präsentiert da seine Bücher. Besser als mit ihm zusammenzuarbeiten, kann man es als Herausgeber einer Anthologie kaum treffen.



Vincent Preis: Du selbst kommst ja eigentlich eher aus der SF. Beschreibe doch mal deine Horrorgeschichten. Hast du Vorbilder?



Nina Horvath: Nun, H.P. Lovecraft, auf dessen Mythos die „Metamorphosen“ beruhen, ist und war immer mein Vorbild, auch bei meinen Science-Fiction-Geschichten. Wenn wir den Cthulhu-Mythos betrachten, so sind die darin erwähnten Wesen ja auch aus dem Weltraum gekommen, das Ganze weist also auch Science-Fiction Elemente auf. Er ist also kein Autor, den nur die Horrorgemeinde für sich beanspruchen kann. Er war ein faszinierender Mensch, der vollkommen überzeugt davon war, was er tat und der alles trotz seiner zahlreichen Eigenheiten und Ängste auf die Reihe bekommen hat. Und der sich nicht entschuldigt hat, weil er keine achthundert Seiten Wälzer schreibt und in Fanzines statt bei großen Verlagen untergekommen ist, sondern ohne Einschränkungen stolz auf das Erreichte war.



Meine SF-Geschichten waren von Anfang an eher düster, verschroben, ohne wahre Helden. Das ist etwas, womit viele Science-Fiction Fans nichts anzufangen wissen. Daher ist so manche Geschichte, die ursprünglich als Science-Fiction gedacht war – so wie beispielsweise „Hell dunkel, dunkel hell“, meine erste Veröffentlichung in einem Buch überhaupt, letztendlich in einer Horroranthologie erschienen. Daraus resultierend bin ich dann langsam immer ein bisschen mehr in die Horrorszene reingerutscht und habe entdeckt, dass es Spaß macht, sich hier zu bewegen. Schon allein, weil Horrorfans sehr aufgeschlossen sind. Man kann verschiedenste Themen bringen, Altbekanntes wie Neues, solange ein gewisser düsterer Grundtenor vorhanden ist, scheint das in Ordnung zu sein. Als Autorin ist einfach die bestmöglichste Voraussetzung, nur die Stimmung halten zu müssen und sich ansonsten in Hinblick auf Stil, Charaktere, Schauplätze und dergleichen vollkommen frei entfalten zu können.



Meine Horrorgeschichten sind meist, wie ich bereits sagte, Mischformen von Science-Fiction und Horror. Dann habe ich noch Geschichten in Richtung klassische Phantastik, wie „Die geteilte Seele“, die 2007 für den Vincent Preis nominiert wurde. Der Rest ist durchaus auch etwas mehr in die Richtung unterhaltsam bis splattrig. „Zombies für einen Tag“ fällt auch in die Kategorie.



Vincent Preis: Jetzt mal von den Horrorgeschichten weg. Welche deiner Geschichten würdest du den Lesern empfehlen?



Nina Horvath: Ich glaube nach wie vor, dass eine meiner ersten Kurzgeschichten, „Die Spirale“, meine beste ist, die ich je geschrieben habe. Erstveröffentlicht habe ich sie in dem Science-Fiction Band „Überschuss“ im Wurdack Verlag.



Vincent Preis: Jetzt kennen wir Gegenwart und Vergangenheit. Aber was plant Nina Horvath die nächsten 12 Monate? Und wann kommt der erste Roman?



Nina Horvath: Nun, zunächst einmal gibt es natürlich das Leben jenseits des Schreibens. Ich bin derzeit damit beschäftigt, fossile Foraminiferen artlich zu bestimmen. Das muss man sich so vorstellen, dass ich in meinem chaotischen Arbeitszimmer am Geologiezentrum der Universität Wien sitze und mit einer Nadel am Stiel Kalkschalen von Einzellern unter dem Mikroskop auseinandersortiere. Damit möchte ich in dieser Zeit fertig werden.

In der Freizeit sitze ich dann noch viel daheim, schreibe, überarbeite Texte, pflege meine Schreibszenekontakte per Mail und in Foren, lektoriere als freie Mitarbeiterin für einen Verlag Bücher und tue noch andere Dinge, die neben meiner Arbeit an meinen Mikrofossilien dazu beitragen, dass ich im Grunde immer eigenartiger werde und teilweise mit „normalen“ Menschen gar nichts mehr anfangen kann. Daher versuche ich bewusst, mich auch ins Schreiben und in andere „Szeneaktivitäten“ nicht gar so reinzusteigern, sondern auch ein Mindestmaß an sozialen, „echten“ Kontakten zu wahren. – Unter anderem auch, weil ich gerne jemanden kennenlernen möchte und letztendlich auch auf eine Partnerschaft hoffe. Ich kenne zwar einige attraktive Schreiberkollegen, mit denen sich ein Flirt sicherlich lohnt, aber für eine Beziehung wären einfach die geographischen Distanzen praktisch immer zu groß.

Zudem mache ich ja bald wieder eine Kurzgeschichtenausschreibung. Eine Anthologie herausbringen, eine Magisterarbeit schreiben, halbwegs regelmäßig Kurzgeschichten verfassen, Lesungen veranstalten und das dann auch alles zu bewerben und ab und zu mal etwas außer Haus unternehmen – da kann ich ehrlich gesagt die Arbeit an einem Roman nicht auch noch anfangen.

Wozu auch? – Ich schreibe Kurzgeschichten nicht als Notlösung, sondern aus Überzeugung!



Vincent Preis: Wir nähern uns dem Ende. Möchtest du der Vincent Preis Gemeinde und den Horrorfans, die für dich gestimmt haben, noch etwas mitteilen?



Nina Horvath: Zunächst einmal ein herzliches Danke an alle, die überhaupt abgestimmt haben, gleichgültig, für was! Publikumspreise wie der Vincent oder der Deutsche Phantastik Preis zeigen eben, dass es vielen nicht egal ist, welche Bücher in welcher Art produziert werden und dass es auch eine Welt jenseits des Mainstreams gibt. All das belebt unsere Phantastikszene, die ein so wichtiger Teil meines Lebens geworden ist, ungemein.

Ich weiß natürlich besonders zu schätzen, dass ich so viele Stimmen bekommen habe und es auf die Nominierungsliste geschafft habe. So etwas gibt mir, wenn ich wie so oft wieder mal in einem riesengroßen Schlamassel stecke und zu glauben beginne, dass ich überhaupt nichts zuwege bringe, die Kraft, trotzdem weiterzumachen.

Ansonsten, liebe Horrorfans, trifft man einander ohnehin: Beispielsweise im Horrorforum, bei Facebook oder beim BuchmesseConvent.

Kommentare

  1. Ich drücke Nina hierfür die Daumen und freue mich schon jetzt auf ihre Ausschreibung aus dem Bereich Horror und dunkle Phantastik. Wir alle hoffen auf eine baldige, diesbezügliche Info! LG, Susanne

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