Michael Marrak zu Kaskade (Interview)
Michael
Schmidt: Hallo Michael, dein Roman Lex Talionis ist für den Seraph als Bester Roman nominiert. Herzlichen
Glückwunsch!
Michael Marrak: Vielen Dank. Mal sehen, wohin das führt, aber die Konkurrenz ist saustark. Da es keine Shortlist mehr gibt, müssen die Nominierten bis zur Seraph-Verleihung in Leipzig warten und hoffen. Wir stehen dann wahrscheinlich alle nervös in der Menge und halten gegenseitig Händchen.
Michael
Schmidt: Der Roman ist der erste Teil einer längeren Geschichte. Die
Fortsetzung De Profundis ist für Mai angekündigt. Für
die Besitzer von Lex Talionis gibt es ein besonderes
Schmankerl, und die heißt Kaskade. Was hat es damit auf sich?
Ein besonderer Service des Verlags ist dabei, dass
Leser, die den ersten Band bereits gekauft haben und die Sonderausgabe
bestellen möchten, Lex Talionis an den Verlag zurücksenden können und den
damaligen Verkaufspreis des Buches auf den Verkaufspreis der Sonderausgabe
angerechnet bekommen.
Michael Schmidt: Wird Kaskade limitiert sein?
Michael
Schmidt: Die Einzelbände werden verfügbar bleiben?
Michael Marrak: Natürlich, denn es sind ja die regulären, über den Buchhandel erhältlichen Romane. Die Vorzugsausgabe selbst ist nur über den Verlag erhältlich. Ein solches Liebhaber- bzw. Sammlerprojekt rechnet sich bei den aktuellen Druckkosten und Preisrabatten von über 50 Prozent, die z.B. Amazon fordert, nur, wenn es ausschließlich über den Verlag bezogen werden kann. Der Band wird deshalb auch keine ISBN haben. Alle Informationen zu Kaskade und zur Vorbestellung gibt es auf der Buchseite des Verlags: Kaskade
Michael
Schmidt: Jetzt interessiert die Leser natürlich was sie in Kaskade erwartet. Worauf darf sich
der Leser freuen?
Michael
Marrak: DE PROFUNDIS ist der spannendere und phantastischere der
beiden Teile, mit einem rund 150 Seiten langen, in drei Etappen verlaufenden
Showdown. Im ersten Band erfährt Lex zwar, dass er es mit einer Entität zu tun
hat, aber noch nicht, was diese wirklich ist, warum sie so fixiert auf Lex ist,
was Miriam unter Wasser gehört hat, welche Ziele das Wesen eigentlich verfolgt
und wie einst alles begann. Die Fragen aus Teil 1 werden aufgelöst: Was hat es
mit der geheimnisvollen Tür in Simons Haus auf sich, was mit der zweiten
Entität, die sich zunehmend in Lex' Bewusstsein drängt, was mit der
Echo-Dimension, und so weiter.
Michael Schmidt: Kaskade ist dein bisher längster Roman?
Michael Marrak: Definitiv. Im Layout des ersten Kanon-Romans hätte
Kaskade eine Länge von 870 Seiten, also gut 140 mehr als der Kanon. Da das
Memoranda-Layout sparsamer ist, wird das Kaskade-HC "nur"rund 700
Seiten umfassen, ist damit aber immer noch ein Brocken.
Michael Schmidt: Warum ist
der Roman bei Memoranda erschienen?
Michael Marrak: Das resultiert im Grunde aus einer Verkettung
unglücklicher Umstände und der Tatsache, dass ich danach für eine Weile die
Lust am Projekt verloren hatte – zugunsten des ersten Kanon-Romans.
Die Geschichte von Lex
Talionis und De Profundis begann 2014, als ich das Projekt unter dem Namen
Kaskade für Bastei Lübbe angefangen hatte, basierend auf meinen Erzählungen
NUMINOS (2002 erschienen in der Anthologie „Alte Götter sterben nicht“) und
RELICON (2005 erschienen in der Anthologie „Der Atem Gottes“). Beim Schreiben
dieser Zeilen fällt mir auf, wie treffend und handlungsrelevant allein die – nicht von mir stammenden –
Anthologietitel damals bereits gewesen sind.
Kaskade begann dereinst noch
als Roman, der auf Wunsch meines damaligen Verlagslektors mehr in Richtung der
Thriller eines Cody McFadyen gehen sollte: düster, dreckig und blutig, mit
einem polarisierenden Antihelden – aber gänzlich ohne Phantastik.
Leider fiel die Arbeit am Roman
für den Verlag und die Beteiligten in eine Zeit des Umbruchs. Ende 2013 war das
Unternehmen an die Börse gegangen, woraufhin Verlagsentscheidungen auf einer
neuen Ebene getroffen wurden. Im Oktober 2014 starb überraschend der Verleger
Stefan Lübbe, und zwei Monate später verließ mein damaliger Lektor den Verlag.
Statt der angekündigten Zusage für Kaskade trudelte überraschend eine Absage ein
(wohlgemerkt nachdem ich die ersten 40 Kapitel geschrieben hatte und diese dem
Verlag vorlagen), unter anderem mit der recht seltsamen Begründung, dass man
bezweifle, dass ich das Textniveau bis zum Ende durchhalten würde. So kam das
Projekt schließlich zum Ruhen, und ich widmete mich dem Garten des Uroboros und
dem Kanon mechanischer Seelen.
Nach fast zehn Jahren in der
Welt zumeist hurmorvoller Science Fiction und verrückten Robotern, hatte ich –
angeregt durch die beiden teils sehr horrorlastigen Memoranda-Storysammlungen –
2021 jedoch den Wunsch nach ein wenig Kontrastprogramm. Nach der dunklen Seite
der (Roman)Macht sozusagen. Und ich wollte Hardy Kettlitz nicht nur
aufgewärmtes Novellenessen anbieten, sondern auch etwas Exklusives. Also hatte
ich Kaskade genommen, einen Großteil der schon bestehenden Kapitel ein wenig
umgeschrieben und dem Projekt nun auch die m.E. so dringend benötigte Würze
gegeben: Phantastik. Das Ergebnis war Lex Talionis. Der Roman beinhaltet den
größten Teil des ehemaligen Kaskade-Romans für Lübbe. Der Rest findet sich im
letzten Teil von De Profundis.
Michael Schmidt: Die
Erzählungen NUMINOS und RELICON waren die Basis für Kaskade. Das hört man bei dir öfters, dass Geschichten sich im
Laufe der Zeit entwickeln und transformieren. Bist du jemand, der gerne
Geschichten wieder auf links dreht und ist das eine Art Perfektionismus, oder
lassen dich manche Ideen nicht mehr los?
Michael Marrak: Ich bin einfach mit der inhaltlichen,
handwerklichen und stilistischen Qualität der alten Sachen nicht mehr zufrieden
und will die Geschichten auf diesem Niveau nicht in neuen Kleidern
veröffentlicht sehen. Das ist eigentlich alles. Natürlich könnte man sagen, das
sind Zeitdokumente, und ich konnte es damals eben einfach nicht besser, aber
das impliziert nicht, dass ich es mir einfach mache und auf dem Niveauanspruch
von damals verharre. Zumal beim neuerlichen Lesen und Überarbeiten der alten
Texte oft auch neue Ideen hinzukommen oder ich alte Ideen wieder aufgreife, die
zu verwirklichen ich damals zu lustlos oder gar zu überfordert war.
Um
die Geschichte von Numinos zur Quelle zurückzuverfolgen: Die Ur-Version der
Story war unter dem Namen Advena 1996 in der Ausgabe 5 des Horror-Fanzines
Nightlife erschienen. Darin war sie noch eine Art Tagebuch, und der Protagonist
ein gewisser Hippolyt Krispin. Die Erzählung in Alte Götter sterben nicht von
2002 ist also bereits das erste Upgrade.
Als
ich 2021 am dritten Storyband für Memoranda arbeitete und mir dafür auch meine
zwanzig Jahre alte Numinos-Version zur Brust nahm, hatte ich nach einigen Tagen
Arbeit an dem Stoff schließlich beschlossen, den
Kaskade-Roman fertig zu schreiben und unter einem neuen Titel zu
veröffentlichen.
Michael
Schmidt: Lex
Talionis habe
ich gelesen und das war echt stark. Ich freue mich schon auf Kaskade. Sind weitere Bücher in der
Richtung geplant?
Michael
Marrak: Erstmal nicht, auch wenn der Reiz groß ist, Lex Crohn weiter
agieren zu lassen. Einen Zweiteiler aus der Geschichte zu machen, war anfangs
nicht mein Plan gewesen, aber durch die Zutat Phantastik hatten sich viele neue
Aspekte, Dimensionen und Facetten aufgetan und die Geschichte immer mehr Fahrt
aufgenommen. Aber wie heißt es so schön: Alles, was einen Anfang hat, hat auch
ein Ende.
Wobei, wer weiß?
Es stehen allerdings noch
drei andere sehr umfangreiche Romane in der Warteschlange, die von der Länge
her irgendwo zwischen Lord Gamma und Kaskade liegen und endlich vollendet und
veröffentlicht werden wollen. Bei zweien fehlt nur noch das letzte Viertel.
Einer davon ist ein Horror-Roman, eine Hommage an Lovecrafts Der Flüsterer im
Dunkeln – falls es das ist, was du oben mit "mehr in dieser Richtung"
meinst. Er ist momentan fast so umfangreich wie Lex Talionis und wird am Ende
in etwa die Länge von De Profundis oder Lord Gamma haben. Gut möglich, dass ich
ihn als nächstes fertigstelle.
Michael
Schmidt: Noch
ein Wort an die Meute dort draußen!
Michael
Marrak: Lasst euch überraschen.
Michael Schmidt: Am Schluss noch die Information, das Titelbild von Lex Talonis von Holger Much ist für den Vincent Preis 2022 nominiert. Der Roman selbst stand nicht zur Wahl, da es sich um den ersten Teil einer Fortsetzung handelte. Für den Vincent Preis 2023 steht dann das Gesamtwerk Kaskade zur Wahl.
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