Holger Much (Interview)

Michael Schmidt: Hallo Holger, stell dich doch der Vincent Preis Gemeinde mal vor!

 


Holger Much: Hallo liebe Vincent-Preis-Gemeindemitglieder 😀

Mein Name ist Holger Much. Ich bin, was meiner Eitelkeit nicht schmeichelt, mittlerweile fast 55 Jahre alt, lebe auf dem windigen, koboldverseuchten Höhen der Schwäbischen Alb und bin Träumer, Illustrator, Autor und ein klein wenig Musiker. Mit meiner Kunst – den Bildern, Melodien und Zeilen – möchte ich Geschichten erzählen, Welten öffnen und in unseren oft allzu nüchternen Zeiten Räume schaffen, um ein wenig zu träumen, auch wenn es ab und an dunkle Träume sein mögen. Denn Träumen verleiht uns Kraft und Hoffnung...

 


Michael Schmidt: Dein Titelbild zu Lex Talionis ist für den Vincent Preis nominiert. Herzlichen Glückwunsch!

 

Holger Much: Vielen herzlichen Dank! Ich freue mich riesig über diese Nominierung, weil ich sie so überhaupt nicht erwartet hatte und sie für mich eine wirklich große Wertschätzung meiner Arbeit darstellt. Klar würde ich mich auch freuen, wenn ich, respektive mein Bild, gewänne – doch als jemand, der nicht allzuviel Wert auf Wettkampf und Vergleich legt, ist mir die so unerwartete Nominierung mindestens so lieb! Vielen Dank an alle, die hier für meine Arbeit gestimmt haben. Das ehrt mich wirklich sehr.

 

Michael Schmidt: Gab es Vorgaben vom Autor Michael Marrak zum Bild oder hast du das völlig freigestaltet?

 

Holger Much: Nun, die Vorgabe war selbstverständlich Michaels faszinierende Geschichte, die ich mit Genuss las. Als Autor, der selbst ein wundervoller darstellender Künstler ist, hat er nur wenige Vorgaben gemacht, wohl auch weil er wußte, dass ich am besten arbeite, je freier ich mich fühle. Ich bin kein allzu großer Freund von Buchcovern, die recht penibel eine Szene oder Szenen aus dem Inhalt des Buches darstellen, auch wenn das erstaunlich oft verlangt wird. Vielmehr liebe ich Buchcover, die die Atmosphäre einfangen, die das Buch im Leser, der Leserin zu erwecken imstande ist.

 



Michael Schmidt: Das Bild hat ja verschiedene Aspekte. Unheimliches, Phantastisches, Surreales. Wie ist die Idee dazu entstanden?

 

Holger Much: Die Idee dazu entstand eigentlich zunächst recht simpel, weil – oh Gott, spoilere ich jetzt?– schmetterlingshafte Wesen im Buch durchaus eine Rolle spielen. Und da ich Schmetterlinge liebe – als Symbol der unsterblichen Seele, von Tod und Auferstehung und damit als mysteriöses Bindeglied zwischen Welten – war mir in Verbindung mit der Tatsache, dass der Schmetterling durch seine gespiegelt-wirkende, rorschachtest-artige Form ästhetisch sehr reizvoll ist, schnell klar, dass ich ihn zentral auf dem Cover haben möchte.

 

Michael Schmidt: Wie darf man sich die Erstellung vorstellen? Zeichnest du erst eine Skizze oder entsteht alles am Computer?

 

Holger Much: Offen gesagt zeichne ich selten bis nie Skizzen. Das Ausfüllen streng vorgegebener Formen reizt mich nicht, selbst wenn ich die Formen selbst vorgebe. So entstehen fast alle meine Arbeiten, auch wenn sie vielleicht nicht so wirken mögen, recht intuitiv und spontan, eins ergibt sich aus dem anderen.

Ich komme von den klassischen Techniken her: Bleistift- und Tuschezeichnungen, lasierende Ölmalerei in vielen Schichten oder Drucktechniken wie Hoch- oder Tiefdruck. Wenn ich Buchillustrationen mache, arbeite ich tatsächlich fast ausschließlich digital – in meinem Fall auf dem iPad mit dem Programm „Procreate“. Die Formulierung „am Computer“ mag ich daher nicht besonders, da ich mich bewusst von jenen Prozessen abgrenzen möchte, in denen vorgefertigte, gekaufte Elemente in Photoshop zusammengefügt und mit Filtern versehen werden und somit schon eine Coverillustration ergeben. Oder, noch schlimmer, wenn AI ins Spiel kommt. Mir ist das Zeichnen und Malen von Hand wichtig, auch wenn ich im digitalen Bereich – analog zu den vielen Lagen transparenter Farbe bei der lasierenden Ölmalerei – ergänzend gerne Struktur über Struktur lege, die ich selbst oft analog gemalt habe. So entsteht eine Tiefe und Vielfältigkeit, die das Auge über die reinen vordergründigen Formen hinaus zu fesseln vermag...finde ich ...irgendwie … 😀

 


Michael Schmidt: De Profundis ist im gleichen Stil erstellt, aber nicht nur die Farben haben einen anderen Akzent. Ist der Spagat zwischen Wiederkennung und Neugestaltung schwierig und wieviel Freiheiten hat man da als Illustrator?

 

Holger Much: Dieser Spagat ist in der Tat schwierig und ist, gerade bei einer Reihe, dann sicher auch ein Produkt der Absprache zwischen Künstler, Autor und Verleger. In diesem Fall habe ich Michael Marrak einfach die Erlaubnis gegeben, selbst mit einigen meiner Arbeiten kreativ zu werden.

 


Michael Schmidt: Ich habe einen Blick in die Galerie auf deiner Homepage geworfen. Dein Stil ist klar erkennbar und für mich wirken die Bilder ein wenig verspielt, unwirklich mit einem Hauch unheimlich. Wie würdest du deine Bilder ganz generell charakterisieren?

 

Holger Much: Ich finde diese Charakterisierung schon sehr treffend, lieber Michael. Mich fasziniert im Leben und in der Kunst stets das „Dahinter“, das, was sich hinter der Oberfläche verbirgt, das Monster unter dem Bett, das Dunkle hinter scheinbar netten Märchengestalten, der unendliche, erschreckende Kosmos hinter verspielten Wolken – womit wir fast schon wieder bei Lovecraft sind. Ich möchte Geschichten erzählen. Märchen, hinter deren artifiziellen Mustern sich grundlegende Themen des Mensch-Seins wie Liebe, Lust, Trauer, Hass, Tod und der Umgang mit ihm oft klarer darstellen lassen als in so genannten „realistischen“ Darstellungen. Meine Galerie wurde übrigens seit Jahren nicht mehr aktualisiert, sehr peinlich! Muss ich unbedingt demnächst in Angriff nehmen.

 


Michael Schmidt: Für wen erstellst du so alles Illustrationen?

 

Holger Much: Hm, für viele rundum wunderbare Menschen. Ich habe viel für die Edition Roter Drache gearbeitet, auch für den Leseratten-Verlag, den Art-Script-Verlag, den Buchheim-Verlag, für Pappnoptikum und selbstverständlich für die Edition Outbird, wo gerade mein neues Buch "Und wenn sie nicht gestorben sind" herauskommt, an dem ich, zusammen mit Florentine Joop, sowohl als Autor als auch als Illustrator tätig war. Ich habe für Christian von Aster illustriert, für Subway-To-Sally-Geigerin Ally Storch, für Joachim Sohn, für den Schwermetall-Herausgeber Achim Schnurrer und für den Alien-Erfinder H.R.Giger, für Bands wie Illuminate, Canterra, Ally the Fiddle und andere. Besonders herausheben möchte ich zudem meine Arbeit mit Asp Spreng, Mastermind der Band ASP, mit dem zusammen ich schon viele, für mich ganz wunderbare Bücher voller Magie und Zauber schaffen durfte.

 


Michael Schmidt: Hast du künstlerische Vorbilder?

 

Holger Much: Selbstverständlich habe ich künstlerische Vorbilder. Mit H.R. Giger habe ich bereits einen der ganz Großen genannt, mit dem ich sogar zusammenarbeiten durfte, was für mich noch heute eine Auszeichnung darstellt. Dann gibt es da Meister wie John Howe und Alan Lee, selbstverständlich der großartige Brian Froud oder Patrick Woodroffe, ebenso selbstverständlich Arthur Rackham oder John Bauer, die den Zauber der Anderswelt so wundervoll darzustellen wussten. Bei all der Bewunderung und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ich eh nie auch nur ansatzweise an die Qualität eines dieser Künstler herankommen würde, bemühe ich mich, nie zum Epigonen zu werden und typische Elemente eines dieser Künstler in meiner Arbeiten nicht (allzusehr) erkennbar werden zu lassen.

 


Michael Schmidt: Ein Wort an die Vincent Preis Gemeinde!

 

Holger Much: Haltet das Phantastische hoch! Es ist – egal ob in der Bildenden Kunst, der Literatur oder auch der Musik, denn auch hier gibt es klar der Phantastik verbundene Werke – die Phantastik, die uns enthebt vom Erdenschwer-Alltäglichen, von den Fesseln des Sklavisch-Realen. Sie lässt uns über Wolken fliegen, durch nie gekannte, magische Wälder streifen, Drachen jagen und mit Elfen im Mondlicht tanzen. Und wie ich anfangs schon sagte: sie vermag uns Kraft für Hoffnung zu verleihen,. Und das ist es doch, was wir alle brauchen. Elen sila lumen omentielvo.

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