Interview mit André Wegmann

 

Stell dir einen schlichten, schwarzen Raum vor, zwei sich gegenüberstehende blutrote Kanapees, einen schlichten, weiß lackierten Tisch, eine weiße Vase mit einer schwarzen Dahlie. Im Hintergrund hören wir Babyshambles – Sequal to the Prequel

 

  


VV: Moin André, schön, dass du da bist. Nimm bitte Platz. Was magst du trinken?

AW:  Hallo, lieber Vincent, und vielen Dank! Es ist mir eine Ehre, dass du mich eingeladen hast. Gerne einen Grüntee – oder auch ein Bier oder einen Whisky, ich richte mich da nach dir.

VV: Nehmen wir Bier. Und über die Babyshambles wird sich dieses Mal zum Glück nicht aufgeregt. Ich will mich gerne mit dir über deine Christian Harms-Romane aus dem REDRUM-Verlag unterhalten. Wie ist dir Harms erschienen?

AW: Nun, ich brauchte einen Privatermittler für meinen Roman DSCHINN und daraufhin hat sich Harms bei mir gemeldet. ;) Bei mir läuft viel aus dem Bauch heraus, plötzlich war er da, dann musste ich ihn natürlich erst mal kennenlernen und dann konnte ich sein erstes Abenteuer aufschreiben.

VV: Und wie bist du auf den Verlag gekommen?

AW: Mittlerweile bin ich schon einige Jahre bei REDRUM. Irgendwann konnte man den Verlag auf Facebook gar nicht mehr übersehen und zunächst fiel mir die coole Covergestaltung auf. Meine älteren Horrorromane waren damals schon etwas eingestaubt und als ich gesehen habe, dass REDRUM auch ältere Werke neu auflegt, habe ich mich einfach mal bei dem Verlagschef beworben. Nach einer Weile kam eine positive Rückmeldung, aber verständlicherweise wollte REDRUM auch gerne etwas Neues aus meiner Feder haben.

VV: Mittlerweile sind ja drei Romane mit Harms erschienen. Fangen wir doch von Anfang an. Der erste Roman DSCHINN hat mich sehr begeistern können. Culturclash würde ich sagen. Eine orientalische Geistentität im niedersächsischen Moor ansiedeln. Wie kam das Matching zustande?

 AW:  Ja, also DSCHINN war der erste neue Roman, den ich für REDRUM schrieb. Zu jener Zeit hatte ich ein paar Dämonen-Filme gesehen, die mir ganz gut gefielen und mir schwebte vor, etwas in diese Richtung zu schreiben, zumal ich die Thematik in meinen älteren Werken noch nicht behandelt hatte. Es sollte aber keine x-beliebige Dämonenstory sein. Da ich die orientalische Mythologie und generell den geheimnisvollen Orient mit dem Flair aus 1001 Nacht recht spannend finde, fiel mein Augenmerk auf die Dschinn. Auf das niedersächsische Moor kam ich, weil ich hier in der Gegend lebe und so auch einige Schauplätze wie das Kloster Esterwegen vor Ort anschauen konnte. Vorher musste ich natürlich noch überlegen, ob sich dieses sicherlich etwas ungewöhnliche Matching und die Protagonisten, nämlich Harms, die Nonne Bernadette und der Dschinn, zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügen lassen. Als ich eine ungefähre Vorstellung von der Story hatte und mein Gefühl mir sagte, das kann was werden, fing ich an zu schreiben.

VV: Was sind denn da die Reize in der Gegend?

AW: Hier im niederländischen Flachland rund um Oldenburg ist es sehr ländlich. Bei gutem Wetter ist das durchaus idyllisch. Aber nachts, wenn der Nebel über die vielen Moorgebiete kriecht und eine gespenstische Stille herrscht, dann kann es auch sehr unheimlich sein. 

VV: Kenne ich. Mir haben deine Landschaftsbeschreibungen, die Atmosphäre sehr gut gefallen. Diese standen für mich im starken Kontrast zu einigen anderen Szenen. Bewusst gemacht? Bestimmt, oder? Warum?

AW: Ja, ich versuche schon meinen Schreibstil den Begebenheiten der Szene anzupassen. Szenen, die in der Wüste oder im Moor spielen, leben von der Atmosphäre dort, deswegen lege ich Wert darauf, diese auch rüberzubringen. Andere Szenen, in denen der Dschinn wütet, sind dagegen recht emotionslos, direkt und trocken geschrieben. Der Dschinn ist eine erbarmungslose Tötungsmaschine, da passt dann keine blumige Sprache oder zu viel Drumherum.

VV: Harms ist Privatermittler, hat aber Erfahrung mit Polizeiarbeit. Wie hast du dazu recherchiert?

AW: Ich lese sehr viele Thriller und Krimis, da sammelt sich einiges an Wissen an. Wobei ich auch mal gehört habe, dass echte Polizisten nur den Kopf schütteln, wenn sie sehen, wie ihre Arbeit in solchen Romanen geschildert wird. Ich habe aber einen Bekannten bei der Polizei, den ich in besonderen Fällen um Rat fragen kann. Allerdings habe ich mich ja bewusst für einen Privatermittler als Protagonisten entschieden, um nicht immer die Bestimmungen der Polizei einhalten bzw. zurechtbiegen zu müssen.

VV: Und hast du für Harms alle Eigenschaften aufgeschrieben? Nutzt du Karteikarten oder lebt er in dir?

 AW: Früher habe ich meine Protas auf dem nächstbesten Din-A-4-Blatt charakterisiert, mittlerweile nutze ich Notizbücher. Das ist etwas geordneter und es fliegen nicht überall die Zettel herum. ;) Und ja, vorrangig fühl ich Harms und meine Figuren, aber es ist dennoch nicht verkehrt, die Eigenschaften auch schriftlich festzuhalten.

 
VV: In Ardennen ermittelt Harms in einem Entführungsfall und er landet im absoluten Chaos. Auch der Roman ist nicht nur krass, sondern vermengt auch zwei große Themen des Horrors. Kannibalismus und Werwesen. Wie kamst du darauf?

 AW: Das kam so nach und nach bei der Ausarbeitung der Story. Zunächst hatte ich die Figur der Fleischerin im Kopf – die ist inspiriert von einer australischen Serienmörderin und sie bringt den Kannibalismus in die Story. Die Werwesen kamen dazu, als ich mich intensiver mit den Ardennen beschäftigt habe und dabei auf eine Sage gestoßen bin, die sich darum dreht. Nun musste ich die beiden Themen noch mit Harms und einem spannenden Fall vermischen.

VV: Und wieso die Ardennen? Übrigens … auch wieder großartig gelungen die Beschreibungen! Ich war durch das Lesen direkt vor Ort!

 AW: Dankeschön. Es gab keinen herausragenden Grund. Ich habe einen spannenden Schauplatz mit viel Waldfläche gesucht. Zunächst bin ich im Bayerischen Wald gelandet, dann fielen mir die Ardennen ins Auge. So ein riesiges verwunschenes Waldgebirge schien perfekt für die Story geeignet. Spätestens als ich dann noch von der einen oder anderen Sage erfuhr, die sich gut in die Geschichte integrieren ließ, hat es Klick gemacht und ich habe die Ardennen als Schauplatz festgelegt.

 VV:  Ich muss das mal fragen … bist du Vegetarier? Seit ich ARDENNEN gelesen habe, sehe ich Fleisch- und Wurstverarbeitungen mit anderen Augen.

AW: Nein, ich esse durchaus auch mal Fleisch, wenngleich nicht regelmäßig und eigentlich weniger als früher. Mittlerweile schmecken fleischfreie Alternativen oft sogar besser – ich kann allen Fleischliebhabern nur empfehlen, diese mal auszuprobieren. Und ja, die Fleisch- und Wurstverarbeitung etwas zu beleuchten bzw. die Industrie dahinter aufs Korn zu nehmen, bot sich bei der Figur der Fleischerin förmlich an.

VV: In Dschinn – Blutiger Sand geht es dann in den Jemen. Harms muss hier bei einer Militäroperation als Berater mitwirken. Military-Horror. Wie war die Arbeit dazu?

AW:  Das war ein spannendes Projekt und eine Herausforderung für mich. Ich mag solche Military-Horror-Geschichten als Leser gerne, außerdem hat es mich gereizt, einen Nachfolger zu DSCHINN zu schreiben, der jedoch deutlich anders sein sollte als der erste. Die Herausforderung war eben, die Landschaft und Kultur des Jemen sowie die militärischen Gepflogenheiten authentisch in die Story einzuweben. Da war besonders viel Recherche nötig.

 


VV: Dieser Roman ist ziemlich actionlastig. Wie fandest du es? Ich finde Action schreiben ziemlich schwer, muss ich sagen.

AW: Es ging schon, die Actionszenen fielen mir jetzt nicht wesentlich schwerer als andere. Knifflig ist es aber, die Funktionsweise verschiedener Waffen und militärischer Ausrüstung realistisch darzustellen. Da kann man sich schnell als Autor in die Nesseln setzen.

VV: Du schreibst ja auch noch Nordsee-Krimis, ebenfalls mit einem Privatermittler. Wie ist das? Kannst du da trennen oder „befruchten“ dich die beiden?

AW: Na ja, zunächst gab es die Nordsee-Reihe und dann kam erst die Harms-Reihe. Wenn ich beide parallel schreiben würde, würde ich da sicher öfter durcheinanderkommen.

VV: Horror und Krimis … wo liegen da die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede für dich? Was macht dir mehr Spaß?

AW: Diese Nordsee-Romane laufen zwar unter Krimis, aber eigentlich sind es durchaus harte Thriller. Von daher ist da sehr viel Ähnlichkeit zur Harms-Reihe vorhanden, die ja auch einen einen großen Thriller-Anteil aufweist. Zumindest ARDENNEN und der vierte Teil, der noch nicht erschienen ist, sind recht thrillerlastig.

VV: Wann schreibst du denn? Kannst du vom Schreiben leben?

AW: Am liebsten morgens, dann bin ich am kreativsten. Von den Büchern alleine kann ich nicht leben, aber ich arbeitete ja auch als Texter. Letzteres sichert dann meinen Lebensunterhalt.

VV: Wie bist du denn zum Horror gekommen? Gab es ein Schlüsselerlebnis?

AW: Nein, ein Schlüsselerlebnis gab es nicht. Ich mag Horrorbücher und -filme, sie unterhalten mich gut. Und irgendwann hatte ich Lust so etwas zu schreiben, weil ich mich dabei der ganzen Bandbreite der Emotionen bedienen und sie in die Bücher reinbringen kann. In meinen Büchern gibt es ja nicht nur Gemetzel – die Story steht immer im Vordergrund und es gibt auch lustige, romantische, erotische oder eben gruselige Passagen.

VV: Gibt es für dich das Übersinnliche?

AW: Es gibt sicherlich mehr zwischen Himmel und Erde, als wir Menschen mit unserem begrenzten Wissen und Horizont in der Lage sind zu verstehen. Der Großteil der Weltmeere ist noch nicht mal erforscht, das Weltall auch nicht. Es gibt bestimmt einiges, das wir nicht begreifen und das man als übersinnlich bezeichnen kann.

VV: Und was macht für dich das Böse aus?

AW: Das Böse existiert für mich vor allem in skrupellosen Menschen ohne Gewissen und jegliche Empathie. Die Gefängnisse sind voll von solchen Menschen und leider laufen auch viele davon frei herum. Das ist das wirkliche Böse, während die Wesen in Horrorgeschichten letztlich nur der schaurigen Unterhaltung dienen.

VV: Wie sieht die Zukunft aus? Wird es mit Harms weitergehen??

AW: Ich habe gerade die Rohfassung des vierten Christian-Harms-Thrillers fertiggestellt. Wahrscheinlich gibt es auch noch einen fünften, wenn der Verlag grünes Licht gibt. Darüber hinaus weiß ich es noch nicht.  

VV: Und in anderen Dingen? Was kommt auf deine Leserschaft zu?

AW:  In Kürze erscheinen noch zwei Neuauflagen bei REDRUM: DIE HEILSTÄTTE ist ein Thriller mit Mystik-Anteil und des Weiteren wird es noch eine Novelle geben, die unter „Tierhorror“ einzuordnen ist. Früher oder später werde ich mal einen reinen Krimi schreiben, wahrscheinlich einen Urlaubskrimi. Aber bevor meine Leser entsetzt aufstöhnen – auch Urlaubskrimis können sehr spannend und mitreißend sein. ;)

VV: Von dir bestimmt! Gibst du auch Lesungen? Wo kann man dich sehen?

AW: Ich bin eher introvertiert und es liegt mir nicht so, bei einer klassischen Lesung den Unterhalter zu spielen. Aber wenn der Rahmen stimmt, kann ich mir die eine oder andere Lesung künftig durchaus vorstellen. 

VV: Okay, alles Gute und ich will auf jeden Fall mehr von Christian Harms lesen. Vielen Dank, dass du da warst! Ich hoffe, du hattest Spaß!

AW: Danke für die Einladung, es war mir ein Vergnügen!

 



Bullets (Wie aus der Pistole geschossen …)


VV: Fußball oder Handball?

AW: Fußball.

VV: Was ist das Besondere an dem Ort, wo du lebst?

AW: Idyllisches Kleinstadtflair.

VV: Drei Orte, die du unbedingt sehen willst?

AW: Frankreich, Toskana, Schottland.

VV: Moor oder Meer?

AW: Meer.

VV: Warum?

AW: Ich liebe das Meer und es zieht mich immer wieder ans Wasser.

VV: King oder Lovecraft?

AW: Lovecraft.

VV: Warum?

AW: Ich werde mit Stephen King nicht so warm, da ist mir vieles einfach zu langatmig. Lovecraft ist allerdings auch „schwierig“, aber ich musste mich entscheiden.

VV: Harms wird verfilmt. Wer sollte der Schauspieler sein?

AW: Du hast neulich in deiner Buchbesprechung zu DSCHINN – BLUTIGER SAND gesagt, dass du dir einen jüngeren Bruce Willis da gut vorstellen kannst. Da wäre ich dabei. Jason Statham wäre auch eine Option oder der Ex-Wrestler Steve Austin.

VV: Spukhaus oder Heilanstalt?

AW: Heilanstalt.

VV: Und noch einmal: Warum?

AW: Weil ich das Buch DIE HEILSTÄTTE geschrieben hab :p Nein, ich finde alte Heilanstalten gruseliger … deren Wände haben so viel Leid aufgesogen, da kann das Spukhaus nicht mithalten.

VV: Du könntest dich in ein Tier verwandeln. Welches wäre das?

AW: Eine Katze vermutlich. Ich mag Katzen. Aber es gibt noch viele andere interessante Tiere.

VV: Lieblingshorrorfilm?

AW: THE DESCENT, THE HILLS HAVE EYES oder auch ALIEN und PREDATOR fallen mir da spontan ein.

VV: Eine Frage, die du hasst?

AW:  Und, was machst du so?

VV: Du darfst noch einmal alt sein, wie du willst. Wie alt wärst du dann??

AW: 5 …

VV: Warum?

AW: Da war die Welt noch in Ordnung ;-) Aber ich denke, fast jede Altersphase hat so ihre Vor- und Nachteile.

VV: Vielen Dank!

 AW: Sagt der Gratiator auch immer! (kleiner Insider für ARDENNEN-Leser) Ich habe zu danken, geschätzter Kollege!

 


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