Vincent Voss (Interview)

 



Michael Schmidt: Hallo Vincent, du bist mal wieder beim Vincent Preis mit Im Eis als Bester Roman  nominiert. Wie viele Romane wurden schon für den Vincent Preis nominiert?

Vincent Voss: Ich glaube, der fünfte.

Michael Schmidt: Ist es mit Im Eis trotzdem etwas Besonderes?

Vincent Voss: Es ist immer etwas Besonderes. Aber sonst mache ich mir nicht ganz so viel aus Preisen, komischerweise wäre ich dieses mal aber sehr enttäuscht gewesen. Wahrscheinlich, weil echt viel Arbeit im Eis steckt.

Michael Schmidt: Wie lange hast du an Im Eis gearbeitet?

Vincent Voss: Als Idee schlummert das seit mehr als zwei Jahrzehnten unter der Oberfläche. Mit Recherche, Schreiben und Überarbeitung, sprich auch Korrespondenz mit den total tollen Testlesenden Sonne Rüther, Sabine und Wolfgang Ernst zwei Jahre.

Michael Schmidt: Worum geht es in dem Roman?

Vincent Voss: Um eine fiktive historische dritte Polarexpedition, die zum Ziel hatte, eine eisfreie Durchfahrt zu entdecken. Doch die Circumpolarforscherin Amelie Fischer erkennt über geheime Tagebücher, die ihr zugespielt werden, dass es um etwas anderes geht. Und das ist natürlich der blanke Horror, den sie im Eis kennenlernt. 


Michael Schmidt: Torsten Low ist dein Stammverlag?

Vincent Voss: Wir haben eine gute, aber keine feste Partnerschaft. Er geht fremd, ich darf das auch. Aber cool beim Torsten ist, dass wir beide denselben Geschmack haben und wir mutige und intelligente Horrorbücher schreiben und veröffentlichen können.


Michael Schmidt: Wutbürger haben dich zu einer Geschichte inspiriert. Wie kam es?

Vincent Voss: Ich bin auf facebook aktiv und glaube immer noch daran, dass es richtig ist, auch mit Menschen anderer Meinung in den Dialog zu treten, aber manchmal ist es schwer aushaltbar. Und meine Geschichte Lupus in Digitalis (Wolfsbrut) zeige ich die Verwandlung eines Wutbürgers in einen Werwolf, und zwar im WWW. Und jetzt ist die W-Taste auch gleich abgenutzt.  

Michael Schmidt: Auch hier herzlichen Glückwunsch zur Nominierung. Auch das ist nicht deine erste Nominierung und du hast schon eine ordentliche Anzahl an Kurzgeschichten veröffentlicht. Wann kommt die erste Storysammlung?

Vincent Voss: Im richtigen Moment. Torsten hätte Bock, aber durch Corona ist der Abverkauf von Storysammlungen gehemmt und war vorher auch schon nicht so gut. Bock hätte ich, aber ich glaube, ich bräuchte jemanden, der hilft. Bei der Auswahl, bei der Reihenfolge, bei allem eigentlich. Sind ja mittlerweile mehr als 50 Geschichten zusammengekommen. Das finde ich schon etwas krass.


Michael Schmidt: Deine Geschichten wie Lupus in Digitalis, Die dicksten Kartoffel und Das Ordnungsamt und das Hexenhaus sind ja auch gesellschaftskritische Geschichten. Eignet sich Horror gut zur Kritik? Meist kennt man das ja eher von der SF.

Vincent Voss: Schon ja. Aber das war nicht von vorherein ein erklärtes Ziel. Ich habe ja auch ein paar SF-Erzählungen geschrieben und die hatten alle einen ernsthafteren Ton und mehr Message, aber im Horror habe ich mich da herangerobbt. K9K und Wellen sind auch zwei kritische Geschichten, ebenso Die weltgrößte Mentalistin und alle sind im Gegenwartshorror verwurzelt. Ich würde also sagen, es geht. Die drei in der Zwielicht erschienen Geschichten eint vor allem ihr Sarkasmus. Ich finde, man könnte auch drüber lachen, wenn es nicht so treffend wäre. Na ja, ich kann auch drüber lachen. Humor ist wichtig.


Michael Schmidt: Aktuell haben wir ja bewegende Zeiten…

Vincent Voss: Ich bin seit 2016 in der Migrationsarbeit tätig und ja, mit bewegend hast du es wahrscheinlich treffender gesagt, als du es dir vorstellen kannst. Wir haben globale, existentielle Probleme und in Deutschland eine auf hohem Niveau individualisierte Gesellschaft mit dem ausgeprägten Drang oder Zwang, sich selbst zu verwirklichen. Wir stellen schon seit langem das Ich über das Wir und streiten bei Kollektivlösungen zu sehr um den eigenen Vorteil. Ich hoffe, wir können den Bock noch umschmeißen. Ich setze große Hoffnung in junge Menschen, denen das offenbar bewusster ist, als vornehmlich älteren, weißen Männern in Machtpositionen, in die sie durch Beziehungen irgendwie hineingeschissen wurden.

Michael Schmidt: Woran arbeitest du gerade?

Vincent Voss: Ich arbeite an einem Psycho-Exorzismus-Roman, der mir selbst an die Nieren geht. Kein Spruch. Der ist sehr psychologisch und vielleicht für mich das Härteste, das ich bisher geschrieben habe. Schauplatz ist mal wieder mein Dorf Wakendorf II. Kurzgeschichtentechnisch sitze ich an zwei Erzählungen für die Mängelexemplare und an einer Idee für Zwielicht und ich organisiere mir gerade Lesungen, weil ich die sehr vermisst habe. Zeitintensiv, weil ich keine Management habe, das an meinen Befähigungen glaubt … 😊

Michael Schmidt: Ein Wort noch an die Meute dort draußen!

Vincent Voss: Liebe!

 

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