Interview mit Ina Elbracht
Ina Elbracht zu Gast bei Vincent Voss
Stell dir einen schlichten,
schwarzen Raum vor, zwei sich gegenüberstehende blutrote Kanapees, einen
schlichten, weiß lackierten Tisch, eine weiße Vase mit einer schwarzen Dahlie.
Im Hintergrund hören wir Fields oft he Nephilim: Fields
Of The Nephilim - Endemoniada [HD] - YouTube
VV: Moin Ina, schön, dass du heute hier bist. Nimm bitte Platz. Was magst du trinken?
I.E..: Schön hier zu sein. Vielen Dank für die Einladung, lieber Vincent. Um
den Schauderfaktor etwas hochzutreiben, hätte ich gern einen frischgepressten
Staudenselleriesaft. Aber nur, wenn du mittrinkst. Guck mal, in der richtigen
Beleuchtung sieht der aus wie die giftgrüne Essenz aus dem Labor eines wahnsinnigen
Wissenschaftlers.
I.E..: Fantastisch! Ich habe damit, ehrlich gesagt, überhaupt nicht gerechnet.
Ich bin ja nicht besonders bekannt und meine Veröffentlichungen haben keine
große Reichweite. Gerade deshalb freue ich mich riesig darüber, es in die
illustre Runde der Shortlist geschafft zu haben.
VV: Wie kam es zur Idee? Ein Schauplatz im Urlaub, eine Beobachtung?
I.E..: Ok, erwischt. Ja. Ein Schauplatz im Urlaub auf der griechischen Insel
Kos. Da gab es eine atmosphärisch merkwürdige verfallene Bar mit leerem Pool,
über deren Gelände sich der Weg vom Hotel in den Ort abkürzen ließ. Am ersten
Tag lag ein vertrockneter Baum im Pool, am nächsten Tag war er verschwunden. So
entstand die Überlegung: Was, wenn sich diese Bar von Tag zu Tag verjüngen
würde, bis sie wieder wie in ihren Ursprungstagen aussieht? Wenn die Zeit an
diesem Ort nicht richtig verankert wäre. Ich mag es sehr, auf Reisen mit meinem
Mann Alex solche Beobachtungen/Überlegungen anzustellen und mir gemeinsam mit
ihm kleine Geschichten dazu auszudenken. Manchmal schlummern diese bloß in
einem Notizheft vor sich hin, manchmal aber kommen sie zu Papier.
VV: Ich fand, in deinem Buch geht es neben dem Horror auch eine psychologische
Ebene. Ein Beziehungskonflikt zieht sich durch die Geschichte durch, aber null
oberflächlich, sondern geschickt psychologisierend. Nur Charakterentwicklung oder
durchaus mit einer versteckten Aussage gewollt?
I.E..: Ich freue mich, dass die Geschichte diese Lesart zulässt.
VV: Ich kenne dich bisher über deinen/euren Roman „Klunga und die Ghule von Köln“; eine Geschichte, die sich mit der gänzlich uncharismatischen Spezies der
Ghule auseinandersetzt, aber jetzt, wo ich stalke, sehe ich eine beindruckende
Vielfalt in deiner Kreativität. Spannend und Respekt an dieser Stelle! „KlubTropikal“ verfolgt in meinen Augen auch wieder einen ganz eigenen Ansatz; ich
weiß, ich hab ja schon nach der Idee dazu gefragt, aber gibt es bei der ein
Muster, einen roten Faden in deinen Werken?
I.E..: Seit ich schreibe, sind fantastische Elemente meine Begleiter. Ich
glaube, dass das mein einziger roter Faden ist. Ansonsten probiere ich gern
Dinge aus und verbinde Elemente und Figuren, die auf den ersten Blick nicht
zwingend zusammenpassen. Ich habe eine Schwäche für Abseitiges, Schräges und
Groteskes.
VV: Erstaunlich an „Klub Tropikal“ finde ich, dass die Erzählung auf nicht
vielen Seiten eine sehr komplexe Geschichte mit einer dichten Atmosphäre
erzählen kann. Trägt die „Ich-Perspektive“ dazu bei oder warum hast du dich
dafür entschieden?
I.E..: Mal überlegt man als Autor*in ja lange an Erzählperspektiven und -zeiten
herum und mal weiß man sofort, wie es sein soll. So in diesem Fall. Ja, die
Ich-Perspektive habe ich bewusst aufgrund ihrer Unmittelbarkeit gewählt. Es hat
mich interessiert, reduziert zu schreiben und vieles der Vorstellungskraft der
Leser*innen zu überlassen. So etwas geht aber, denke ich, nur in einem solchen
kurzen Format. Auf die Spanne eines 300-Seiten-Romans würde das nicht tragen
und wäre anstrengend.
VV: Darf ich fragen wer Uta ist?
I.E..: Meine große Schwester, der ich das Büchlein gewidmet habe. Warum? Weil sie der härteste Wham-Fan der 80er war. Mit Bravo-Starschnitt und allem Zipp und Zapp. Mein Arbeitstitel für die Geschichte war „Club Tropicana‟ nach dem Song von Wham, den die Bar in der Geschichte eigentlich hätte tragen sollen. Aber da sowas wegen der Rechte heikel ist, wurde auf Anraten von Verleger Sascha Lubenow daraus der „Klub Tropikal“, was am Ende wegen seiner Anmutung sogar besser ist, finde ich.
VV: Wie bist du für „Klub Tropikal“ an den KOVD-Verlag gekommen? Das gesamte Buch hat mir in seiner Erscheinung sehr gefallen.
I.E..: Dankeschön. Ja, es ist
toll geworden! Die Idee, die Geschichte einer Frau, die in ein Notizheft
schreibt, auch in der äußeren Form in einem Buch zu lesen, das als solches
gestaltet ist, fand ich großartig. Sascha Lubenow ist ein feuriger und
versierter Gestalter, der solche Ideen nicht nur entwickeln, sondern auch treffsicher
umsetzen kann.
Für die Appetizer-Reihe bei KOVD
hatte mich mein Schriftstellerkollege und Whitetrain-Homie Erik R. Andara ins
Gespräch gebracht. Vielen Dank dafür an dieser Stelle. Das war eine gute
Vermittlung/Fügung!
VV: Gibt es für dich literarische Leuchttürme, die dich inspirieren?
I.E..: Ich bemühe mich, als Leserin nicht allzu sehr an bestimmten Autoren zu
„hängen“. Aber wenn ich All time-favourites nennen soll, sind es am ehesten
diese: E.T.A. Hoffmann wegen seiner freiflottierenden Fabulierkunst, Joseph
Roth wegen der schönsten und wärmsten Art zu schreiben, die ich kenne und
Haruki Murakami wegen seines einzigartigen und sehr inspirierenden Zugangs zur
Fantastik.
I.E..: In der Fantastik-Szene läuft alles gut, was in anderen Bereichen des
Literaturbetriebs eher frustig und ätzend ist: Engagierte Verlage sind hier Willens,
sich auf verrückte Ideen noch unbekannter Autor*innen einzulassen, Projekte
kommen unkompliziert und zuverlässig zustande, die Stimmung ist kollegial,
interessiert und zugewandt. Leser*innen sind offen und bereit, Neuem eine
Chance zu geben. Das ist wirklich schön.
VV: Ein paar Fragen zum Schreiben … wo, wann und wie schreibst du?
I.E.: Vielen Dank, dass ich hier sein durfte. Und: Beeindruckend, mit welch
lässiger Kühnheit du dir den Selleriesaft in den Rachen gekippt hast. Das hat dir
dein Leben um mindestens drei Wochen verlängert. Versprochen!
Bullets (Wie aus der Pistole geschossen …)
VV: Du bist Zeitreisende … in welche Zeit würde es dich verschlagen?
I.E..: Zukunft
VV: Warum?
I.E..: Um zu gucken, wie’s weitergeht.
VV: Tauchen oder Ski fahren?
I.E.: Schnorcheln.
VV: Lieblingsmonster?
I.E..: Godzilla.
VV: Was findest du wirklich gruselig?
VV: Herbst oder Frühling?
I.E..: Frühling.
VV: Lieblingsband/Interpret*in?
I.E..: Morrissey.
VV: Rose oder Tulpe?
I.E..: Rose.
VV: Warum?
I.E..: Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose.
VV: Etwas, das du gerne besitzen würdest
I.E..: Gerade fehlt mir nichts. Bei aufsteigender Konsumlust versuche ich, es
mit Fight Club zu halten, wo es so schön heißt: „Alles was du besitzt, besitzt
irgendwann dich.“
Kommentare
Kommentar veröffentlichen