Rafael Marques (Interview)
Michael Schmidt: Hallo Rafael, einen Gruß
die Lahn hinauf. Du bist mit deinem Doppelband Gespenster
Krimi 39 Dunkle Seelen (1.Teil) und Gespenster
Krimi 40 - Paladin (2.Teil) für den Vincent Preis 2020/21
nominiert. Herzlichen Glückwunsch!
Rafael Marques: Vielen Dank, das hat mich auch sehr überrascht. Vor allem, da ich nun auch schon seit über sechs Jahren Heftromane schreibe (insgesamt sind es bereits über 70) und ansonsten noch nie für irgendeinen Preis nominiert wurde. Die Quote scheint bei einem anderen Nominierten deutlich höher zu liegen. 😉
Michael Schmidt: Bevor wir zu den beiden Romanen kommen, stell
dich doch mal vor!
Rafael Marques: Ich bin 34 Jahre alt, komme wie du schon angedeutet hast aus der an der schönen Lahn gelegenen Stadt Limburg und arbeite in Teilzeit am Frankfurter Flughafen, während die zweite Hälfte meines beruflichen Lebens dem Schreiben gewidmet ist.
Als Ausgleich und zur Entspannung vom Alltag zieht es mich – so
oft es möglich ist und der manchmal etwas kränkelnde Körper es zulässt – zum
Wandern in die Natur, bevorzugt an die Mosel, ins Mittelrheintal, in den
Westerwald oder den Taunus. Hier kann ich nicht nur durchatmen, die Umgebung
gibt mir auch Inspiration für immer neue Ideen, gerade wenn es besonders
einsam, düster und abgeschieden wird oder mir sogar ein verlassenes Gebäude
begegnet.
Wenn mich ansonsten nicht diverse Winter- und
Motorsportübertragungen davon ablenken, nutze ich die restliche Zeit, um mich
in die Welt von John Sinclair zu begeben und ihn in immer neue Abenteuer zu
schicken.
Michael Schmidt: Worum geht es in Gespenster Krimi 39 Dunkle Seelen (1.Teil)
und Gespenster Krimi 40 - Paladin (2.Teil)?
Rafael Marques: Hauptfigur des Zweiteilers ist der ehemalige Pfarrer Roy Delgado, dessen Sohn vor Jahren von einem Kindermörder entführt wurde. Um ihn zu retten, bot ihm der Teufel einen Handel an: Für einen Teil seiner Seele sollte er die Fähigkeit erhalten, dem Entführer auf die Spur zu kommen, was ihm auch gelang. Seitdem manifestiert sich die Macht des Teufels in seinem feuerroten linken Auge, durch das er in Visionen durch die Augen von schwarzmagischen Gestalten und Satansdienern sehen und so bei der Jagd nach Verbrechern helfen kann. Seinen Beruf als Pfarrer hat er dafür allerdings aufgeben müssen.
Roys bester Freund ist der Millionär Thomas Carver, letzter Spross
der adligen Familie Corvingham, mit der er allerdings nichts zu tun haben will.
Als es auf dem immer noch bewohnten Schloss der Familie zu Geistererscheinungen
kommt, bittet er Roy, ihm bei den Nachforschungen zur Seite zu stehen. Im
weiteren Verlauf der Geschichte kommen sie einem alten Fluch auf die Spur, von
dem schon Thomas‘ verstorbener Vater wusste. Ein gefährlicher Dämon wurde vor
Jahrhunderten unterhalb des Schlosses gebannt und ist nun dabei,
zurückzukehren.
Rafael Marques: Dieser Zweiteiler spielt einige Zeit vor „Dunkle Seelen“. Roy hat sich nach zahlreichen grauenvollen Ermittlungen in eine kleine Hütte im Wald zurückgezogen. Das ändert sich, als ihn seine alte Freundin Julia Brenner, eine Kommissarin aus Frankfurt am Main, um Hilfe bittet, da ihre Schwester von einem Psychopathen mit offensichtlichen Verbindungen zum Teufel entführt wurde.
Roy kommt dabei auf die Spur des inhaftierten Teufelsdieners
Thomas Lenz und seines zunächst unbekannten Verbündeten, der offenbar versucht,
sich durch Danielas Entführung an Julia zu rächen. Doch auch der Teufel selbst
mischt in dem Spiel mit, das in einer Konfrontation in einem stillgelegten
Stahlwerk gipfelt.
Michael Schmidt: Sind weitere Abenteuer im Gespenster Krimi
geplant?
Rafael Marques: An sich ja, sogar schon seit längerer Zeit. Britta Künkel, die Lektorin des Gespenster-Krimis, hat schon kurz nach Einplanung der letzten GK-Abenteuer von Roy Delgado ein Exposé abgesegnet, nur bin ich leider bisher nicht dazu gekommen, es auch umzusetzen. Ich hoffe, dass der Reihe noch ein sehr langes Leben beschienen ist und es mir gelingt, die Sub-Serie irgendwann fortzusetzen.
Hierzu muss ich allerdings erwähnen, dass ich die vier
Roy-Delgado-Romane schon vor vielen Jahren geschrieben habe, lange bevor ich
ins JS-Autorenteam aufgenommen wurde. Diese wurden nie veröffentlicht, und als
der GK startete, sah ich hier die Chance, das zu ändern. Dazu musste ich die
Manuskripte allerdings noch intensiv überarbeiten, sowohl stilistisch als auch
von der Story her. So existierten ursprünglich nur die Romane „Der Meister“,
„Dunkle Seelen“ und „Paladin“. Bei ersterem habe ich die Handlung noch deutlich
erweitert, um Stoff für zwei Romane zu bekommen, während ich die anderen beiden
teilweise massiv kürzen musste. Auf der Strecke blieben dabei vor allem
Charaktermomente, aber ich denke, das hat der Handlung an sich sehr gut getan.
Sollte noch einmal eine Geschichte mit Roy Delgado erscheinen,
würde es sich folglich um einen völlig neuen Roman handeln.
Rafael Marques: Mein erster JS-Roman (Band 1957 „Aibons Höllensee“) erschien am 12.01.2016 – unglaublich, dass das bereits über sechs Jahre zurückliegt. Mir kommt es wie gestern vor, als ich monatelang auf eine Antwort seitens des Verlags gewartet habe, ob mein erstes Manuskript nun angenommen wird oder nicht.
Im Prinzip verbinde ich den größten Teil meiner Jugend mit John
Sinclair. Seit meinem ersten Roman – einem Hardcover einer bei Weltbild
erschienenen Sonderedition – und dem ersten Heft – Band 1262 „Die Sauger“ – bin
ich glühender Fan der Serie und war über die Jahre in diversen Foren zu dem
Thema aktiv.
Als es hieß, dass Jason Dark kürzer treten würde und ein neues
Autorenteam gegründet wurde, habe ich (animiert von meiner Mutter 😉) bei Florian Hilleberg angefragt, wo man denn ein Manuskript
einreichen könnte, und er gab mir eben die Mailadresse von Britta Künkel.
Damals bin ich quasi gerade noch so auf den Sinclair-Autoren-Zug gesprungen,
inzwischen bereits der Neuautor mit den zweitmeisten Romanen. Manchmal ist das
für mich heute noch schwer zu glauben.
Michael Schmidt: Was ist dir lieber, ein eigenen Kosmos zu entwerfen wie im Gespenster-Krimi oder sich in einer etablierten Serie wie John Sinclair auszutoben?
Rafael Marques: Ich kann nicht genau sagen, was mir lieber ist. Eigentlich mag ich beides sehr gerne. Sich in seinem eigenen Kosmos zu bewegen und ihm immer neue Facetten zuteil werden zu lassen ist natürlich ein besonderes Gefühl, das ich auch schon im JS-SpinOff „Dark Land“ erleben durfte. Gut, die Serie wurde natürlich ursprünglich nicht von mir entworfen, doch Marc Freund, Logan Dee und ich hatten dort sehr viel kreative Freiheiten, die Zukunft dieser besonderen Dimension weiterzuspinnen.
Bei JS gibt es stattdessen eine dauerexistierende, reale Welt,
feststehende Regeln und Strukturen, die nicht einfach so umgeworfen werden
dürfen. Das hat natürlich auch seine Vorteile und macht es Autoren, die sich in
dem Kosmos auskennen, in gewisser Weise auch etwas einfacher. Wenn man aber von
diesen Strukturen absieht, kann man sich bei JS aber auch genauso kreativ
austoben.
Michael Schmidt: Was schreibst du neben diesen beiden Serien noch?
Rafael Marques: Aktuell tatsächlich nichts. Früher war ich wie erwähnt einer der drei Hauptautoren von „Dark Land. Im Moment arbeite ich allerdings daran, dass sich das in Zukunft ändert. Da das jedoch alles andere als spruchreif ist, hülle ich mich dazu lieber noch in Schweigen.
Michael Schmidt: Woran schreibst du im Moment?
Rafael Marques: Gerade schreibe ich an einem Sinclair-Roman, der eine fortlaufende Aibon-Handlung fortsetzt, welche in Band 2286 ihren Anfang nehmen wird. Viel will ich nicht verraten, nur, dass es im Druidenparadies zu einigen Veränderungen kommt, die gewisse andere Kräfte zum Handeln zwingen.
Michael Schmidt: Welche Veröffentlichungen stehen aktuell an, also auf was darf sich der Leser freuen?
Rafael Marques: Gerade an dem Tag, an dem ich diese Zeilen schreibe (am 22.03.22) ist JS Band 2280 „Hotel zur Hölle“ erschienen, ein Roman von Chris Steinberger, zu dem ich auch einen kleinen Teil beigetragen habe. Der direkt folgende Roman „Todesgruß aus Twilight City“ stammt dagegen komplett aus meiner Feder und setzt eine dort begonnene Handlung sagt, die sich – wie der Titel schon ein wenig verrät –um mehrere Personen aus der Welt von „Dark Land“ dreht, zu denen natürlich auch der Dienstleister Rakk zählt.
Rafael Marques: Als Heftromanautor fällt es mir natürlich nicht schwer, meine bevorzugte Gattung auszuwählen. 😉
Aber im Ernst: Was Kurzgeschichten angeht, bin ich nicht unbedingt
ein Experte, da ich bisher nur sehr wenige geschrieben bzw. veröffentlicht
habe. Allgemein ist das nicht so ganz mein Medium, was nicht heißt, dass ich
die Mühe, die sich zahlreiche meiner Autoren mit ihnen machen, nicht zu
schätzen wüsste. Mir persönlich waren tatsächlich schon immer die Heftromane am
liebsten, eben auch, weil sie so schön kurz sind, dafür aber umso regelmäßiger
fortgesetzt werden. Das mag man als Fan großer Romane sehen, wie man will, mich
hat das schon als Jugendlicher angezogen.
Die großen Unterschiede zwischen Heft- und Langroman liegen für
mich im Spannungsaufbau und in der Entwicklung der Charaktere. Auf Grund der
geringen Seitenzahl ist es in den Heften – insbesondere bei Einzelromanen – eine
ganz andere Sache, beides vernünftig unter einen Hut zu bringen, wohingegen
Autoren bei richtigen Wälzern hunderte Seiten zur Verfügung stehen. Das ist
beispielsweise bei einem Sinclair-Roman natürlich nicht möglich, da stellen die
Leser bzw. Käufer auch ganz andere Ansprüche. Allerdings liegt die literarische
Qualität von Heften und „echten“ Romanen aus meiner Sicht nicht so weit
auseinander, wie oft getan wird und wie es im Buchhandel meistens wirkt.
Michael Schmidt: Aktuell gibt es bei Bastei ja einige Heftserien,
gerade im Bereich Grusel/Horror. Ist das so eine Art Schlarrafenland für den
Autor oder ist die Realität eine andere?
Rafael Marques: Wenn man die Situation heute mit jener von vor acht, neun Jahren vergleicht, kann einem ein derartiger Begriff schon mal in den Sinn kommen. Dadurch, dass Jason Dark bei JS kürzer getreten und mit dem Gespenster-Krimi eine Reihe mit vielen neuen Romanen an den Start gegangen ist, bieten sich Heftroman-Autoren im Grusel/Horror-Bereich viel mehr Möglichkeiten zur Veröffentlichung als in den Jahren zuvor.
Irgendwann ist aber auch hier die Grenze des „Fassungsvermögens“
(was neue Autoren angeht) erreicht, denn abgesehen vom GK gibt es ja nun auch
keine neuen Serien, außer vielleicht der Science-Fiction-Reboot „UFO-Akten“,
und ich glaube nicht, dass sich daran noch großartig etwas ändern wird. Selbst
im GK dürfte es langsam schwierig werden, angesichts der vielen Stammautoren
und Subserien noch einen Platz zu finden.
Michael Schmidt: Wie würdest du die deutschsprachige Horrorszene
beurteilen?
Rafael Marques: Es fällt mir schwer, darauf eine konkrete Antwort zu geben, da ich mich nie als Aktiven der „Szene“ gesehen habe. Ich war einige Male auf Conventions, ja, und ich habe auch für das Online-Magazin „Geisterspiegel“ geschrieben, aber ich glaube, dass ich das nur sehr vage beurteilen kann.
Michael Schmidt: Was liest du selbst?
Rafael Marques: Aus Zeitgründen aktuell eigentlich nur Heftromane. Früher auch gerne Krimis, bevorzugt solche mit etwas Humor. Fantasy und Horror – abgesehen von John Sinclair natürlich – eher seltener, was angesichts meiner bevorzugten Themen bei JS vielleicht etwas überrascht.
Michael Schmidt: Ein Schlusswort an die Leser!
Rafael Marques: Wer auch immer dieses Jahr den Vincent-Preis gewinnt, hat es auf jeden Fall verdient. Natürlich würde ich mich freuen, am Ende den Preis in die Höhe halten zu können, aber ich würde es zugleich auch Manfred Weinland, Oliver Müller, Thomas Williams oder Michael Blihall gönnen. Abgesehen davon dürft ihr euch gerade in nächster Zeit auf zahlreiche neue JS-Romane aus meiner Feder freuen, bei denen vor allem Fans von Aibon, Rakk und Vampiren auf ihre Kosten kommen.
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