Geschichten aus dem Keller (Interview)
Michael Schmidt: Liebes
Herausgeberteam! Stellt euch doch mal vor!
Werner Graf: Hallo, mein Name ist Werner Graf und ich lebe mit
meiner Familie derzeit in Wien. Ich schreibe gerne in verschiedensten
Ausprägungen der Phantastik, seit 2013 bin ich publizierender Autor.
Jacqueline Mayerhofer:
Hallo! Mein Name ist Jacqueline Mayerhofer, ich komme aus Wien, bin seit 2008
Autorin und seit etlichen Jahren auch Lektorin. Aktuell befinde ich mich kurz
vor dem Ende meines Germanistik-Masterstudiums. „Geschichten aus dem Keller“
war meine erste Herausgeberschaft und die nächste Anthologie, die ich
mitherausgeben werde, steht bereits in den Startlöchern. Am liebsten schreibe
ich im Science-Fiction- und Horrorgenre. Für alle, die neugierig geworden sind,
empfehle ich gern meine Website: www.jacquelinemayerhofer.at
Melanie Vogltanz: Hi, ich bin Melanie Vogltanz und ich habe ein Buchproblem *lacht* Ich schreibe überwiegend in einem Genre, das ich breit als „Dunkle Phantastik“ umfassen würde, das reicht von dystopischen Near Future Zukunftsvisionen und psychologischem Horror über historische Fantasy bis hin zu Urban Fantasy. 2021 habe ich vom Lehrerberuf in die Selbstständigkeit gewechselt und arbeite seitdem als freie Lektorin, Korrektorin und Schreibcoach für unabhängige Phantastik-Verlage und Selfpublisher, bin also auch für diverse Schreibbedürfnisse buchbar. Ich bin ebenfalls aus Wien und lebe dort mit Katzen und Partnerin.
Michael Schmidt: Herzlichen
Glückwunsch. Eure Anthologie Geschichten aus dem Keller ist als Beste
Anthologie beim Vincent Preis 2020/21 nominiert, ebenso die enthaltene
Geschichte Erneuerung. Habt ihr im Vorfeld damit gerechnet?
Werner Graf: Nicht wirklich. Wir haben viel Energie und
Arbeit in das Projekt investiert, um am Ende eine gute Anthologie
herauszugeben. Dass wir damit aber auf der Shortlist des Vincent-Preises landen
ehrt uns natürlich. Wir freuen uns sehr!
Jacqueline Mayerhofer:
Vielen Dank! Man hofft als Herausgeber:in ja doch, dass unsere Anthologie gut
ankommt, dass sie dann jedoch nominiert wird – gleich zweimal –, das übertrifft
jede Erwartung und zeigt schön, dass sich die Arbeit gelohnt hat. Vor allem
freuen wir uns auch für unsere Autor:innen, das haben sie wirklich verdient!
Melanie Vogltanz:
Tatsächlich überhaupt nicht! Der Vincent Preis fiel ja letztes Jahr aus, ich
hatte ihn daher dieses Jahr nicht mehr wirklich auf dem Radar und war total
perplex, als mich die Nachricht dann erreicht hat. Die Anthologie hatte leider,
wie so viele andere Veröffentlichungen der letzten zwei Jahre auch, das Pech,
in eine Zeit zu fallen, in der es doppelt schwer ist, auf sich aufmerksam zu
machen. Umso schöner ist es, dass die Geschichten nun auf diese Weise gewürdigt
werden, denn wie Jacqueline ganz richtig sagt, das haben sie verdient!
Unabhängig vom Platz, den wir am Ende erreichen, ist die Shortlist eine sehr
große Ehre für uns alle und ich bin sehr happy darüber.
Michael Schmidt: Was erwartet den Leser bei Geschichten aus dem Keller?
Werner Graf: Eine breite Palette an Horror- und
Gruselmomenten. Bei der Auswahl haben wir aber nicht nur Wert auf Vielfalt
gelegt, sondern auch auf Originalität. Plumpen Splatter oder allzu
Klischeehaftes wollten wir vermeiden.
Jacqueline Mayerhofer:
Eine düstere und teilweise auch blutige Anthologie, die Abgründe der
menschlichen Seele offenbart. Die Leichen im Keller sind nicht immer nur
metaphorisch gemeint, das können wir versichern. Diese dunklen Abgründe tun
sich nämlich auch in der Psyche auf.
Melanie Vogltanz:
Ich bin besonders stolz auf die Bandbreite, die wir in der Antho präsentieren
konnten. Menschen fürchten Unterschiedliches, und ich denke, in diesen Kellern
findet wirklich jede*r sein persönliches Abteil. Gleichzeitig sind die
Geschichten auch zutiefst menschlich –Schockeffekte und purer Splatter hatten
hier keinen Platz.
Michael Schmidt: Ist das eure
erste Herausgeberschaft?
Werner Graf: Vor vielen Jahren gabs mal ein
Self-Publishing-Projekt über das Thema „Sterben“, bei dem ich Mitherausgeber
war. Es war zugleich die erste Zusammenarbeit mit Jacqueline, die damals mit
einer großartigen Geschichte vertreten war.
Jacqueline Mayerhofer:
Für mich war es die erste Herausgeberschaft, ja. Eine Anthologie herauszugeben
erfordert eine Menge Arbeit und teilweise (wie hier bei guten 200 Einsendungen)
auch oftmals schlaflose Nächte, macht gleichzeitig jedoch auch großen Spaß. Vor
allem, wenn alle Beteiligten von dem Thema begeistert sind! Das motiviert dann
gleich umso mehr.
Michael Schmidt: Als Verlag
habt ihr ohneohren gewählt. Eurer
Stammverlag oder hattet ihr bestimmte Gründe, das Buch genau dort
herauszugeben?
Jacqueline Mayerhofer:
Für mich ist der Verlag ohneohren mein Heimathafen, kann man sagen. Tatsächlich
war das aber nicht der einzige Grund, wieso wir uns für diesen Verlag
entschieden, denn die Idee für „Geschichten aus dem Keller“ entstand bei einer
unserer langen Autofahrten nach Deutschland – zusammen mit Verlegerin Ingrid
Pointecker. Ihr gefiel unser Konzept und schon begann die Planung.
Melanie Vogltanz: Bei ohneohren weiß ich, dass alle Projekte bei Verlegerin Ingrid Pointecker
gut aufgehoben sind. Wir arbeiten seit der Gründung des Verlags zusammen und
ich komme immer wieder gern mit Projekten zu ihr (tatsächlich steht auch
demnächst wieder ein Roman von mir in ihrem Haus an, aber dazu darf ich noch
nicht allzu viel verraten – außer dass es ebenfalls in die Horrorrichtung gehen
wird). Auch wenn einem kleinem Ein-Personen-Verlag die Mittel eines großen
Publikumsverlags fehlen mögen, kann man sich bei Ingrid sicher sein, dass sie
mit vollem Engagement hinter all ihren Projekten steht und dass sie ihre
Schreibenden mit allem versorgt, was sie brauchen – seien es frisch gefangene
Debütant*innen oder altgediegene Genremenschen mit Veröffentlichungen in großen
Publikumsverlagen. Und bevor jemand fragt: Nein, ich werde für diese Werbung
nicht bezahlt, ich bin wirklich so begeistert!
Werner Graf: Da kann ich mich den anderen nur anschließen.
Der ohneohren Verlag hat für mich ebenfalls eine besondere Bedeutung, da dort
mein erster Roman (gemeinsam geschrieben mit Claudia Kolla) eine gute Heimat
bekommen hat. Wir haben seither auch regelmäßig zusammengearbeitet. Da weiß man
immer, dass die Qualität stimmt.
Michael Schmidt: Habt ihr
weitere Anthologien geplant?
Jacqueline Mayerhofer:
In dieser Konstellation aktuell nicht, aber was nicht ist, kann ja noch werden!
Ansonsten wird es von mir in absehbarer Zeit eine besondere
Cyberpunk-Anthologie mit „Geschichten aus dem Keller“-Autor Mario Steinmetz als
Mitherausgeber geben.
Melanie Vogltanz:
Nein, gegenwärtig stehen bei mir keine neuen Anthologien mehr an, was keinem
Mangel an Ideen geschuldet ist. Das lässt sich aktuell zeitlich mit meinen
anderen Projekten leider nicht mehr vereinbaren.
Werner Graf: Derzeit nicht, aber wie Jacqueline schon
meinte: was nicht ist, kann ja wieder werden. Ausschließen will ich da für die
Zukunft nichts.
Michael Schmidt: Ihr schreibt
alle selbst und wenn ja was?
Werner Graf: Wie schon erwähnt, liebe ich die Phantastik,
möchte mich künftig aber auch anderen Genres widmen. Derzeit steckt meine
Energie aber vor allem in der Entwicklung eines PC-Spiels, das sich um Musik
und Festivals dreht. Da sind neben der Programmierung auch die Dialoge von mir.
Jacqueline Mayerhofer: Früher habe ich viel Fantasy, Thriller und vermehrt Horror geschrieben. Bis ich schließlich das Science-Fiction-Genre als mein Herzblutgenre für mich entdeckt habe. Noch immer schreibe ich zwar in verschiedenen Bereichen, doch in der SF fühle ich mich neben dem Horror einfach am wohlsten. Kürzlich erschienen erst meine dystopische Cyberpunk-Novelle „Our Mechanical Hearts“ und das Finale meiner SF-Novellenreihe „Hunting Hope“, wenn wir schon bei Lieblingsgenres sind.
Melanie Vogltanz: Im Moment werde ich am häufigsten für Science Fiction und Dystopien angefragt, was vermutlich damit zusammenhängt, dass meine Dystopie „Shape Me“ (ebenfalls bei ohneohren) auf ein paar Shortlists in Genrepreisen klettern konnte. Aktuell schreibe ich an einem Science Fiction-Roman in Zusammenarbeit mit Stefan Cernohuby, für den wir auch bereits unter Vertrag sind – das wird spacey und sehr cool. Am meisten Zeit verbringe ich gerade mit dem Kemet-Universum im Art Skript Phantastik-Verlag, gemeinsam mit Partner in Crime Jenny Wood. Dabei geht es um ägyptische Gottheiten, die in der Moderne gestrandet sind. Einige Bücher sind bereits erschienen, darunter meine Novelle „Road to Ombos“ und Jennys Roman „Totenfluch“. Noch deutlich mehr sind geplant, so … stay tuned!
Michael Schmidt: Wie würdet
ihr die deutschsprachige Phantastikszene charakterisieren?
Werner Graf: Das ist bei so einer vielschichtigen Szene
natürlich schwierig zu sagen, aber um ein paar Schlagworte zu nennen. Familiär,
kreativ, fleißig und unterhaltsam. Das kann man bei jedem Event, bei jeder
Messe aufs Neue erleben.
Jacqueline Mayerhofer:
Ich würde sie als familiär bezeichnen. Vor allem in Zeiten, als Messen noch
üblicher waren, waren Buchmessen immer wie große Familientreffen. Ich fühle
mich in der Phantastikszene sehr wohl, denn sie bietet ein angenehmes Umfeld
mit so vielen tollen Autorenkolleg:innen, die ich nicht mehr missen möchte!
Melanie Vogltanz:
Das finde ich pauschal schwer zu beantworten, denn die Phantastikszene ist
nicht homogen und lebt von vielen unterschiedlichen Spielarten und ebenso
unterschiedlichen Menschen. Gerade in den letzten Jahren gab es da auch viel,
teilweise fruchtbaren, Austausch und Bemühungen, gemeinsam größere Netzwerke
aufzubauen. Ich hoffe, dass die nächsten Jahre da Erfolge bringen werden – denn
zahlenmäßig ist die Szene, trotz ihrer Pluralität, im Vergleich mit anderen
Genres wie Krimi oder Romance im deutschsprachigen Raum relativ klein.
Phantastik besetzt auf dem hiesigen Buchmarkt eine Nische, und das spürt man in
vielen Bereichen. Ich bin überzeugt, wir können alle voneinander und der
gegenseitigen Unterstützung profitieren. Mein Ausblick für die nächsten Jahre,
oder vielmehr eine Hoffnung von mir, wäre ein „bigger table“.
Michael Schmidt: Ein Wort noch
an die Meute dort draußen!
Werner Graf: Bleibt gesund und viel Spaß beim Lesen!
Jacqueline Mayerhofer:
Danke an alle, die unsere Geschichten lesen und unsere Bücher kaufen, ihr seid
toll! Außerdem wünsche ich auch allen viel Freude, die „Geschichten aus dem
Keller“ noch nicht gelesen haben. Die Anthologie sorgt definitiv für ein paar
schauerliche Stunden.
Melanie Vogltanz:
Bleibt gesund, passt auf euch selbst und andere auf und bleibt flauschig!
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