Interview mit Marco Göllner

Vincent Preis: Hallo Hr. Göllner. Nach dem ersten Platz für DIE GEISTERSEHER und dem dritten Platz für DORIAN HUNTER – FREAKS beim Vincent Preis 2009 finden Sie sich dieses Jahr mit der DORIAN HUNTER-Jubiläumsfolge 10 DER FOLTERKNECHT wieder auf der Nominierungsliste. Glückwunsch dafür. Auch für Ihre Serie GOLDAGENGARDEN (Zaubermond-Audio) haben Sie gerade zweimal den Ohrkanus 2011 in den Kategorien „Beste Serie“ und „Beste Regie“ erhalten. Wird das Preise einstreichen zur Gewohnheit?

Marco Göllner: Gewöhnt habe ich mich daran noch nicht und habe auch nicht vor das zu tun. Denn alles was zur Gewohnheit wird, wird schmerzlich vermisst, wenn es ausbleibt… Preise erhalten ist eine schöne Zäsur im Alltag. Da saßen irgendwo Menschen zusammen und haben überlegt, was hat uns denn im letzten Jahr gut gefallen. Und wenn dann mein Name auftaucht, freue ich mich selbstverständlich. Denn in meinem Beruf schaut man sehr weit nach vorne. Gerade schrieb ich ein Skript für ein Hörspiel, welches im Herbst 2012 erscheint. Ich bin also berufsbedingt über zwei Jahre vor den Produktionen, welche gerade ausgezeichnet oder nominiert werden. Wenn nun jemand kommt und sagt, das war sehr gut, was da erschienen ist, dann ist das eine -für mich späte- Beurteilung oder Wertschätzung meiner Arbeit. Das gibt mir Sicherheit und Bestätigung, dass der Weg kein so falscher ist, den ich gerade gehe. Und das ist gut und wichtig, denn während man etwas erstellt ist man ständiger Unsicherheit und vielen Zweifeln ausgesetzt. Also freue ich mich über jeden Preis, da er mir das notwendige „Weiter so!“ für die Zukunft beschert.


VP: DORIAN HUNTER 10 wurde erstmals als Doppelfolge realisiert. Wie kam es zur Entscheidung, diese Episode umfangreicher zu bearbeiten als die bisherigen Folgen?

MG: Folge 10 ist gar nicht umfangreicher bearbeitet als z. B. Folge 1. Durch den hohen Erzähleranteil war uns bewusst, dass es etwas länger werden würde, aber auch die erste Fassung von Folge 1 war einst viel länger. Wir nehmen also gern etwas mehr auf, dann folgt eine Art Verdichten, Kürzen, Komprimieren. So geschehen, wie gesagt, z. B. bei Folge 1. Und auch bei anderen. Bei Folge 10 gaben wir das Band dann in seiner vollen epischen Form beim Herausgeber ab. Mal gucken, was sie sagen. Natürlich waren wir bereit auch hier zu verdichten, zu schneiden, aber unserer Meinung nach passte das etwas „Ausladendere“ hier zur Geschichte. Letztendlich war es eine Entscheidung von folgenreich es genauso zu belassen. Was einen natürlich freut, wenn der eigene Vorschlag angenommen wird.

VP: Mit Folge 10 war der erste Zyklus des Dämonenkillers abgeschlossen und Dorian Hunter erfährt etwas über seine früheren Inkarnationen. Was erwartet die Hörer in der aktuellen Storyline, die mit SCHWESTERN DER GNADE begonnen hat?

MG: Dorian Hunter will Asmodi, den Kopf der Schwarzen Familie, vernichten. Seinen vermeintlichen Vater. Den Mann, der ihm diese Inkarnationen eingebrockt hat. Dann erfährt er (in Teil 12), dass dieser Asmodi aus der Zeit des Mittelalters nicht derselbe Asmodi ist, mit dem er es in der Gegenwart zu tun hat. Aber immer noch derjenige, der verantwortlich für die Leiden seiner Frau ist. Erzählt wird bis Folge 17, die Jagd auf die verbliebene Mischpoke, welche in Asmoda auf dem Schloss dabei war. Und wer oder was dieser (neue) Asmodi ist und weshalb es diesen Wechsel gab.

VP: Bisher wurde jeder Roman vertont. Ist es zukünftig geplant, auch Romane zu überspringen, wie bei anderen Hörspielserien?

MG: Nach Teil 17 wird dies passieren, ja.
Nun erscheint heute „Die Jagd nach Paris“. Wenn Sie genau hinhören, werden sie feststellen, dass wir bereits bei diesem Teil eigentlich nicht den Roman vertont haben. Sie bekommen an seiner Stelle eine völlig neue Geschichte, welche den Platz von Roman 14 einnimmt und lediglich sein Hauptanliegen aufnimmt.

VP: Für Oktober 2011 ist DIE WINTERPRINZESSIN, nach DIE GEISTERSEHER das zweite Hörspiel um die Gebrüder Grimm nach einem Roman von Kai Meyer angekündigt. Ebenfalls wieder ein Mammutprojekt mit ca. 300 Min. Spielzeit. Welche Ereignisse kommen da auf Wilhelm und Jacob Grimm zu?

MG: Wilhelm reist zusammen mit seinem Bruder und einem Empfehlungsschreiben von Goethe nach Karlsruhe um dort am Hof als Privatlehrer anzufangen. Als er ankommt, muss er feststellen, dass es sich bei dem Kind, welches er unterrichten soll, noch um einen Säugling handelt. Und nicht nur das: dieser Säugling ist bereits verstorben. Alles ist sehr undurchsichtig und Wilhelm will abreisen, aber Jacobs Neugier ist geweckt und sie fangen an zu ermitteln.
Dann taucht eine indische Prinzessin mit Gefolge auf und seltsame Reiter mit Vogelmasken und ein verrückter Doktor und alle suchen ein eigentlich totes Kind…

VP: Vor welche Herausforderungen stellt Sie ein Projekt dieser Größenordnung?

MG: Ich stehe immer vor der gleichen Herausforderung. Egal ob es ein Projekt mit langer oder kurzer Laufzeit ist. Ich arbeite ja – außer bei den Sprachaufnahmen – immer allein. Ich habe während der Produktion kein Regulativ, kein Gegenüber, keinen Austausch. Die alleinige Herausforderung ist also: Ist das, was ich an Unterhaltung hier gerade produziere, unterhaltsam. Denn das sollte es im besten Falle ja sein. Darin enthalten all die anderen Fragen: Wird die Geschichte, so wie von mir erzählt, dem Buch gerecht? Kann ich für die Buchkenner, im besten Fall, noch etwas hinzufügen, was es trotz Wissens um den Ausgang doch spannend macht? Steht es auch – ohne Kenntnis des Buches – als Hörspiel allein gut da? Gibt es dem Genre etwas hinzu? Also kann es an dieser oder jener Stelle dem Medium Hörspiel eine neue Farbe oder Schattierung abgewinnen, es für jemanden somit interessant machen, es zu „hören“, nicht zu lesen? Ist es technisch up-to-date? Und natürlich: würde ich es selbst hören wollen?
Das gilt für jede Bearbeitung. Ob Hunter oder Meyer. Und die Antwort darauf kann während der Produktion immer nur eine subjektive sein, da dort ja nur ich bin. Unsicherheit ist also die größte Herausforderung – oder eben Sicherheit. Und da verweise ich auf Frage 1: Bestätigung durch Auszeichnung oder Nominierung gibt etwas Sicherheit zurück, bzw. nimmt Unsicherheit.

VP: Die Erzählweise Ihrer Hörspiele ist sehr modern. DORIAN HUNTER ist für die Hörspiellandschaft das, was seinerzeit AKTE X oder heutzutage CSI für den TV-Serienmarkt war/ist. Haben Sie Vorbilder oder Ziele, an denen Sie sich dahingehend orientieren?

MG: Und dass eben dies angenommen, bemerkt und manchmal ausgezeichnet wird, freut mich sehr. Denn genau dieser Schritt hätte auch nach hinten losgehen können. Die Hörspielhörer hätten ja auch sehr konservativ entscheiden können: Nein, das ist nicht meins, ich will es so wie immer haben. Einige sagen das ja auch und das ist völlig o.k., aber der Großteil der Hörer ist bereit sich auf andere Erzählweisen einzulassen. Und das Sie dies als „modern“ bezeichnen, bedeutet ja nichts anderes, als: In anderen Medien machen es andere im Moment genauso oder ähnlich. Also ist es „modern“. Im Zeitgeist. Bleibt mir die Gegenfrage: Warum sollte sich ein Medium wie Hörspiel diesem verschließen? Was sollte es für einen Grund geben, ein kommerzielles Hörspiel in 2011 so zu produzieren, dass es sich anhört, als hätte es auch 1982 erscheinen können? Sie können das machen, sicher. Aber wenn sie damit Geld verdienen wollen, müssen sie sich bewusst sein, dass das Hörspiel als Unterhaltungsform in Konkurrenz zu neuen Platte von X, dem neuen Film von Y und der neuen Serie auf Kabel Z steht. Und in dem Wust von Veröffentlichungen von verschiedensten Geschichten auf verschiedensten Medien können sie sich nur dann positionieren, wenn sich Erzählweise, Schnitt, Seh- und Hörgewohnheit erfolgreicher anderer aktueller Produktionen auch bei ihnen wiederfindet.
Ich möchte nicht, dass der Griff zum Hörspiel gleichbedeutend ist mit dem Griff in die Vergangenheit. Oder Zweitverwertung eines Buches. Oder Einschlafhilfe.
Jetzt habe ich aber die Frage gar nicht beantwortet, oder?

VP: Können Sie und schon verraten, was zukünftig aus der Werkstatt von Marco Göllner kommt? An was arbeiten Sie momentan?

MG: Derzeit beziehe ich einen Stuhl neu. Es ein hundertfünfzig Jahre altes Stück aus Südfrankreich. Er wackelte. Also habe ich ihn auseinander genommen, neu geleimt, und jetzt erhält er einen neuen Bezug. Und dann kommt er an meinen 3m langen Tisch und ich setze mich drauf. Und wissen Sie was das Schönste an ihm ist? Man kann ihn weder downloaden noch ohne Schweiß kopieren.

VP: Herzlichen Dank, Hr. Göllner, für dieses Interview und viel Erfolg beim Vincent 2010.


Links:
Marco Göllner
Zaubermond Verlag
Folgenreich
Goldagengarden

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