Interview mit Stefan Melneczuk

Vincent-Preis: Lieber Stefan. Zuerst herzlichsten Glückwunsch für die Nominierung zum Vincent-Preis 2009 als Verfasser der besten Geschichtensammlung 2009.
Mit MARTERPFAHL und GEISTERSTUNDEN VOR HALLOWEEN hast du eine Menge Horror-Fans überzeugt. Doch wer steckt hinter diesen Erzählungen? Wer ist der Mensch Stefan Melneczuk?

Stefan Melneczuk: Erst einmal: Die Nominierung freut mich sehr - und das ist keine Floskel. Mit dem GEISTERSTUNDEN-Buch schließt sich für mich ein Kreis, der 1985 mit meinen ersten Kurzgeschichten seinen Anfang genommen hat. Ein solches Buch zu machen, habe ich mir immer gewünscht, und natürlich spiegeln die Stories viel von mir selbst. Ich bin ein Herbstmensch, und das in jeder Hinsicht.

VP: Der Vincent-Preis wird 2009 zum dritten Mal verliehen. Kennst du einige der nominierten Arbeiten?

SM: Sebastian Fitzek schätze ich sehr, mit hat damals schon "Die Therapie" mit ihren überraschenden Wendungen gefallen - und auch Markus K. Korb versteht sein Handwerk. Mich freut außerdem, dass ein Buch von Alisha Bionda auf der Liste steht - hier ist es das Cover der "Dark Ladies" von Gaby Hylla - ihr literarisches Engagement spricht seit vielen Jahren für sich. Bei Mark Freier bin ich ja befangen, setzt er auch bei meinen Büchern Cover-Ideen auf eine Art und Weise um, die mir selbst schon unheimlich ist und mir aus der Seele spricht.

VP: GEISTERSTUNDEN VOR HALLOWEEN und Geburtstag am 31.10.. Welche besonderen Erlebnisse verbindest du mit Halloween?

SM: Tja, der 31. Oktober, und dazu dann 31 unheimliche Kurzgeschichten. Ich hatte Halloween in meinen jungen Jahren nicht auf dem Radar, aber mittlerweile spricht man mich oft auf den Umstand an, dass ich ausgerechnet dann Geburtstag habe. Zufall? Vorsehung? Tatsache ist, dass der Oktober für mich pure Inspiration ist und es mich dann immer wieder in die Wälder meiner Kindheit verschlägt, um im Blättermeer Ideen zu tanken. Daraus entstand dann auch der MARTERPFAHL. Halloween ist für mich Nostalgie - und das Wissen, dass es da draußen Geister gibt, oder zumindest eine spürbare Präsenz, die sich mit Psychologie und wahrscheinlich letzten Endes auch mit Physik erklären lässt.
VP: Heuer erscheint die überarbeitete Neuauflage von MARTERPFAHL als Hardcover im Blitz-Verlag, nachdem der Virpriv-Verlag nicht mehr aktiv ist. Was wurde für diese Neuauflage geändert?

SM: Zunächst: VirPriv und Monika Wunderlich haben den Roman damals überhaupt erst möglich gemacht und mich in einer Zeit vieler Rückschläge unterstützt. Daher war es mir wichtig, das Buch gemeinsam mit BLITZ behutsam in die Neuausgabe zu bringen. Die Erinnerungen an die 80er Jahre, die viele Leser seit 2007 bewegt haben, reichen jetzt noch tiefer, der Ausklang, mit dem ich meine Leser aus dem Buch entlasse, ist ein etwas anderer, da die Bonus-Halloween-Story "Geisternacht" zuvor bereits in die GEISTERSTUNDEN aufgenommen wurde. Passenderweise. Und auch eine Prise Humor hat dem Roman aus meiner Sicht gut getan.

VP: Du schreibst erfolgreich Romane und Kurzgeschichten. Was liegt dir mehr?

SM: Ich fühle mich mittlerweile in beiden Abgründen wohl, auch wenn mit Short Stories alles seinen Anfang genommen hat. Ich denke nach wie vor, dass es wesentlich schwieriger ist, Leser mit einer guten Kurzgeschichte zu fesseln - auch wenn der Werkzeugkasten derselbe ist. Neben meinen Romanen schreibe ich also auch weiterhin Short Stories.

VP: Eine vielzitierte Pressestimme sagt, du bist "Auf Augenhöhe mit Stephen King". Was fehlt deiner Meinung nach, eine/n deutsche/n Horrorautor/in auf den Bestsellerlisten zu platzieren?

SM: Der Vergleich mit Stephen King ehrt mich, und das in aller Bescheidenheit - halte ich ihn nach wie vor für einen der größten Geschichten-Erzähler der Gegenwart, auch wenn das manche Edelfedern, die Bücher beurteilen und Schriftsteller auszeichnen, nicht so sehen sehen. Anders als in den USA und in England, wird das Horror- und Gruselgenre in Deutschland nach wie vor eher stiefmütterlich behandelt oder aber in literarischen Moden kanalisiert. Zumindest die Vampir-Welle dürfte deutschen Autoren nun ein paar Türen öffnen, auch wenn ich mich davor hüten werde, gerade jetzt auch noch einen Vampirroman zu schreiben, wie er gerade en vogue ist. Kurzgeschichten haben nach wie vor einen schweren Stand, zu Unrecht, und gerade die Resonanz auf die GEISTERSTUNDEN bestätigt mich in dieser Haltung. Ich beobachte aber auch, dass es bei den Verlagen jetzt mehr und mehr Lektoren und Herausgeber gibt, die mit King-Büchern aufgewachsen und damit wesentlich offener für das Genre sind als ihre Vorgänger. Alles eine Frage der Zeit. Die Leserschaft jedenfalls ist loyal und groß - und sie bestimmt den Markt.

VP: Was dürfen wir als nächstes von dir erwarten?

SM: Ich arbeite derzeit am MARTERPFAHL-Nachfolger, der in absehbarer Zeit ebenfalls bei BLITZ erscheinen wird, in der Krimi-Reihe, und komme mit diesem Roman gut voran. Darauf konzentriere ich mich: ein dunkles Kammerspiel, das sich um Gefangenschaft, Abgründe und Hoffnung dreht - und um die Frage, was Menschen in unseren Zeiten aus ihrer Bahn wirft.

VP: Möchtest du der Horrorgemeinde noch etwas mitteilen?

SM: Zum Genre ist bereits alles gesagt. Wichtig ist, dass auch in Zukunft Bücher gelesen werden und dass gerade auch die dunkle Literatur Stellung bezieht - mit Blick auf den kulturellen Kahlschlag in Zeiten leerer Kassen und das drohende Ende vieler Stadtbüchereien, das Verlage, Leser und Autoren auf lange Sicht ins Mark treffen wird, während wir für einen Irrsinn wie den Krieg in Afghanistan weiterhin Millionen zahlen - und uns allen Ernstes die Frage stellen lassen, ob dieser Krieg als Krieg zu bezeichnen ist. Das alles zeigt uns: Die schlimmsten Geschichten schreibt immer noch das Leben selbst. Wir leben - zumindest in dieser Hinsicht - in zynischen und schwarzen Zeiten.

VP: Herzlichen Dank für das Interview und viel Glück für den Vincent 2009.

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