Interview mit Markus K. Korb

Vincent Preis: Lieber Markus, zunächst einmal Glückwunsch zur Nominierung von DIE ERNTEN DES SCHRECKENS für den Vincent Preis 2009. Im Jahr zuvor konntest du den Vincent Preis für die beste Kurzgeschichte „Der Nachzehrer“ (aus „Grausame Städte 2“) sogar mit nach Hause nehmen. Und auch beim Deutschen Phantastik Preis bist du kein Unbekannter. Wird das zur Gewohnheit?

Markus K. Korb: Mit dem Wort „Gewohnheit“ verbindet man ja normalerweise negative Konnotationen, das ist in meinem Fall bezüglich der Nominierung nicht so. Ich freue mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich für einen Preis nominiert werde – würde es zur Gewohnheit, wäre es langweilig und das ist für mich nicht zutreffend.

VP: DIE ERNTEN DES SCHRECKENS, eine Sammlung phantastischer Geschichten aus dem Umfeld des Krieges. Was hat dich dazu veranlasst? Ist der Krieg an sich nicht schon schrecklich genug?
MKK: Das ist ein Problemfeld, das mich ebenfalls beschäftigt hat. Für mich persönlich habe ich entschieden, dass ich dennoch den Krieg als Hintergrund für Phantastik wählen darf, auch auf die Gefahr hin, dass man mir dies als Verharmlosung ankreidet. Es geht nicht um die Überhöhung des Kriegs-Schreckens mittels phantastischer Mittel, sondern um eine ausgewiesen spezielle Sicht auf den Krieg mit den Augen eines Phantastik-Autoren. Die Auswirkungen des Krieges auf die Menschen im Verbund mit Phantastik, das hat mich interessiert.

VP: Einige der Geschichten aus DIE ERNTEN DES SCHRECKENS, z.B. „Menschenmaterial“, das mir besonders gut gefällt, beinhalten gar keine phantastischen Elemente. War das von vorneherein deine Absicht?

MKK: Geht man von der Phantastik-Definition durch Roger Callois aus, ist in manchen Geschichten aus DIE ERNTEN DES SCHRECKENS tatsächlich kein „Riss in der Wirklichkeit“, durch den das Übernatürliche in die Realität eindringt. Doch es gibt weitere Theorien des Phantastischen, die andere Schwerpunkte setzen und nach denen ist die Schilderung von Grauen, unheimlichen Ereignissen und grotesken Geschehnissen durchaus dem Genre zuzuordnen, also „phantastisch“ auch ohne das übernatürliche Element.
Aber um auf die Frage zurück zu kommen: An erster Stelle steht immer die Aussage der Geschichte, die ich schreibe und der hat sich alles andere unterzuordnen. Im Fall von „Menschenmaterial“ zwingt die Aussage den Inhalt in die von mir gewählte Form – ein Spuk oder dergleichen fand ich da unangemessen, er würde den Fokus des Lesers auf sich ziehen, und dieser Fokus sollte aber hier anders gesetzt sein. So gesehen habe ich bewusst darauf verzichtet.

VP: Die Novelle INS DUNKLE HERZ wurde inspiriert von Joseph Conrads DAS HERZ DER FINSTERNIS bzw. von Francis Ford Coppolas APOCALYPSE NOW. Was bedeuten dir Buch und Film?

MKK: Das Buch hat einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt als der Film und zeigt die Auswirkungen des europäischen Imperialismus in Afrika, während der Film die Auswirkungen des Krieges zeigt. Beide treffen sich aber in der Grundproblematik. Immer geht es um die Psyche des Menschen und die Frage, was ihn zu Grausamkeiten antreibt, wie sie immer wieder in der Menschheitsgeschichte vorgefallen sind. Und da trifft sich Buch, Film und meine Novelle „Ins dunkle Herz“, bei der ich eine dezidiert „phantastische“ Antwort auf die Frage geben wollte und diese abseits der psychologischen oder imperialistischen Sicht von Buch und Film gefunden habe.

VP: Was dürfen wir als nächstes von dir erwarten? An welchen Projekten arbeitest du derzeit?

MKK: Nach diesem sehr ernsten und düsteren Thema möchte ich beim nächsten Buch, das bereits in Planung ist, mich in eine andere Richtung entwickeln. Der nächste Storyband soll sich nicht mehr ganz so tiefschwarz geben. Es wird Raum geben für comicartige Szenarien, Trash und Ironie – aber dennoch soll keine platte Lachnummer draus werden. Den literarischen Anspruch, den ich versucht habe mit meinen bisherigen Veröffentlichungen für meine Schreibe zu etablieren, möchte ich auch weiterhin wahren, aber wie gesagt – weniger tiefschwarz und ernst.
Ich habe das Gefühl, dass es wieder an der Zeit ist, mich zu verändern. Ich bemühe mich von Buch zu Buch andere Töne anzuschlagen, so dass für mich das Schreiben und für die Leser die Lektüre meiner Geschichten nicht langweilig wird. Ich hoffe, dass es mir bislang gelungen ist.

VP: Wird es einmal einen Roman von Markus K. Korb geben.

MKK: Es gibt ihn bereits – hier in meiner Schublade. Aber ob ich ihn veröffentlichen werde...? Um mit Michael Ende zu sprechen: „Das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.“

VP: Herzlichen Dank für das Interview und viel Glück beim Vincent 2009.



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