Interview mit Max von Werder von Wolpertinger-Hörbücher
Vincent-Preis: Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zur Nominierung zum Vincent Preis 2009. „Wolpertinger-Hörbücher“ ist ein sehr junges Label, von dem bisher nur DER SKARABÄUS und DAS GRAUEN VON DUNWICH in der Reihe „Nachtmahr“ erschienen sind. Wer verbirgt sich hinter dem Label „Wolpertinger“?
Max von Werder: Der harte Kern von Wolpertinger sind ich und Nadine Bachmann, die für das Konzept und die grafische Gestaltung verantwortlich ist. (Nebenbei ist sie auch noch meine Ehefrau...)
Außerdem haben wir ein kleines, aber schlagkräftiges Team von freien Mitarbeitern.
VP: In der Reihe „Nachtmahr“ erwarten den Hörer vertonte Versionen mehr oder weniger bekannter Schauerlassiker. Bereits Titania-Medien und Maritim bieten solche Reihen an. Wodurch unterscheidet sich die Nachtmahr-Reihe von ihren Kollegen?
MvW: Im Gegensatz zu den genannten Anthologie-Serien konzentriert sich Nachtmahr auf die weniger bekannten Schauerklassiker. Ein Kriterium bei der Auswahl der Geschichten ist, dass die Vorlage nicht bereits als aktuelle Hörspielversion auf dem Markt ist.Wir bieten spannende Geschichten, die zwar von Anno 1900 sind und die Atmosphäre dieser Zeit atmen, aber trotzdem noch originell und unverbraucht sind. Denn Dracula und Co kennt jeder schon, aber wer hat schonmal etwas von Richard Marshs "Skarabäus" gehört?
Ein weiteres Merkmal von Nachtmahr besteht darin, dass die Umsetzung nicht nostalgisch und staubig daherkommt, sondern die Vorlagen so inszeniert werden, dass sie auch nach den Maßstäben modernen Horrors funktionieren. Außerdem sind wir bei der Gestaltung der CD-Verpackungen neue Wege gegangen: Jede Nachtmahr-Folge enthält einen Beileger in Form einer Landkarte oder ähnlichem, sozusagen als Gimmick um die Phantasie des Hörers anzuregen.
VP: Was macht ein gutes (Grusel-)Hörspiel aus?
MvW: Ein Hörspiel lebt davon, dass es den Hörer zum Träumen bringt. Wichtig sind besonders Spannung und Atmosphäre, die einen beim Hören in die Hörspielwelt hineinsaugen.
Bei einer Gruselgeschichte kommt es mir dabei vor allem auf die richtige Balance aus subtilem Grusel und Schockeffekten an. Am besten ist es, wenn das Übernatürliche zum Großteil eher angedeutet wird, sich im Schatten abspielt und Raum für Spekulationen lässt. Aber dann und wann muss natürlich auch Blut fließen...
VP: Die Hörspielversion von DAS GRAUEN VON DUNWICH wurde anders aufgezäumt als die Vorlage. In ihrer Version ist Dr. Morgan die Hauptfigur und die Ereignisse werden aus seiner Sicht geschildert. Auf die geheimnisvollen Umbauten des Whateley-Hauses wird fast nicht eingegangen. Sind solche Änderungen notwendig, damit ein Hörspiel funktioniert?
MvW: Für mein Verständnis von Hörspiel sind solche Änderungen absolut notwendig. Denn ein Hörspiel ist halt nicht nur ein vorgelesener Text, sondern ein Spiel, eine Dramatisierung, ähnlich wie ein Film oder ein Theaterstück. Und ein solches Drama lebt davon, dass die Schauspieler ihre Figuren zum Leben erwecken. Der Hörer soll ihre Emotionen fühlen und eine Beziehung zu ihnen aufbauen, mit ihnen die Geschichte durchleben.
Die Originalversion von "Dunwich" wird aus vielen verschiedenen Perspektiven geschildert, was bei Lovecraft oft der Fall ist. Bei einer originalgetreuen Umsetzung als Hörspiel wäre das meiner Meinung nach aber zäh und verwirrend. Eine zentrale Hauptfigur war notwendig um einen kontinuierlichen Spannungsbogen aufbauen zu können. Aus dem gleichen Grund mussten viele Nebenhandlungen und Beschreibungen gekürzt werden. Ich kann verstehen, dass ein Lovecraft-Fan da manche Details vermisst, aber ein Hörspiel funktioniert halt nach anderen Regeln als ein Roman.
VP: Für den Vincent-Preis 2009 sind insgesamt 6 Werke nominiert, die zumindest Lovecrafts Einfluss erkennen lassen. Was macht die Faszination seiner Geschichten heute noch aus?
MvW: Meiner Meinung nach war Lovecraft für die moderne Horrorliteratur, was Jimmy Hendrix für den Hard Rock war. Er hat das Genre zwar nicht erfunden, aber er hat es auf eine Weise neu definiert, die auch 70 Jahre nach seinem Tod noch relevant ist.
Das Universum von Lovecrafts Geschichten ist grell, plastisch, paranoid, oft übertrieben und “zyklopisch”. Er war vielleicht kein überragender Schriftsteller, aber er hat Texte geschrieben, die die Phantasie des Lesers sehr stark stimulieren und eine Welt erschaffen, die über die einzelnen Stories hinausgeht.
VP: Welche weiteren Werke werden Sie uns in der Nachtmahr-Reihe präsentieren und was kommt außer wohliger Gänsehaut aus dem Hause Wolpertinger auf den Hörer zu?
MvW: Unser nächstes Hörspiel wird statt wohliger Gänsehaut wohl eher eher eine gewisse Irritation verbreiten, denn es wird was ganz besonderes. Es ist die Vertonung des ziemlich schrägen Romans "Die Kannibalen von Candyland", der zeitgleich im Oktober 2010 als deutsche Erstveröffentlichung im FESTA Verlag erscheint. Dabei handelt es sich um ein neues Genre aus den USA, das sich selbst als BIZARRO FICTION bezeichnet. Ich kann es jedem, der mal was ungewöhnliches hören will, nur wärmstens ans Herz legen.
2011 geht es dann mit Nachtmahr weiter. Nummer 4 wird höchstwahrscheinlich "Das Haus der Tauben" werden, basierend auf "Pigeons from Hell" von Robert E. Howard.
VP: Warum der Wolpertinger als Namenspate.
MvW: Als Fabeltier steht der Wolpertinger für die Kraft der Phantasie. Mit seiner variablen Form erfindet er sich ständig neu, sieht immer wieder anders aus und hat dabei auch einen selbstironischen Beigeschmack. Daher repräsentiert er perfekt unser kleines Independent Label, das seine Hörer mit phantasievollen, ungewöhnlichen Geschichten in andere Welten entführen möchte.
Außerdem wollte ich als kleiner Junge immer einen ausgestopften Wolpertinger haben...
VP: Herzlichen Dank für das Interview, alles Gute für den Vincent 2009 und viel Erfolg mit Ihrem Label.
MvW: Vielen Dank. Da wir große Fans von s/w-Gruselfilmen sind, wäre uns der Vincent-Preis eine ganz besondere Ehre.
Max von Werder: Der harte Kern von Wolpertinger sind ich und Nadine Bachmann, die für das Konzept und die grafische Gestaltung verantwortlich ist. (Nebenbei ist sie auch noch meine Ehefrau...)
Außerdem haben wir ein kleines, aber schlagkräftiges Team von freien Mitarbeitern.
VP: In der Reihe „Nachtmahr“ erwarten den Hörer vertonte Versionen mehr oder weniger bekannter Schauerlassiker. Bereits Titania-Medien und Maritim bieten solche Reihen an. Wodurch unterscheidet sich die Nachtmahr-Reihe von ihren Kollegen?
MvW: Im Gegensatz zu den genannten Anthologie-Serien konzentriert sich Nachtmahr auf die weniger bekannten Schauerklassiker. Ein Kriterium bei der Auswahl der Geschichten ist, dass die Vorlage nicht bereits als aktuelle Hörspielversion auf dem Markt ist.Wir bieten spannende Geschichten, die zwar von Anno 1900 sind und die Atmosphäre dieser Zeit atmen, aber trotzdem noch originell und unverbraucht sind. Denn Dracula und Co kennt jeder schon, aber wer hat schonmal etwas von Richard Marshs "Skarabäus" gehört?
Ein weiteres Merkmal von Nachtmahr besteht darin, dass die Umsetzung nicht nostalgisch und staubig daherkommt, sondern die Vorlagen so inszeniert werden, dass sie auch nach den Maßstäben modernen Horrors funktionieren. Außerdem sind wir bei der Gestaltung der CD-Verpackungen neue Wege gegangen: Jede Nachtmahr-Folge enthält einen Beileger in Form einer Landkarte oder ähnlichem, sozusagen als Gimmick um die Phantasie des Hörers anzuregen.
VP: Was macht ein gutes (Grusel-)Hörspiel aus?
MvW: Ein Hörspiel lebt davon, dass es den Hörer zum Träumen bringt. Wichtig sind besonders Spannung und Atmosphäre, die einen beim Hören in die Hörspielwelt hineinsaugen.
Bei einer Gruselgeschichte kommt es mir dabei vor allem auf die richtige Balance aus subtilem Grusel und Schockeffekten an. Am besten ist es, wenn das Übernatürliche zum Großteil eher angedeutet wird, sich im Schatten abspielt und Raum für Spekulationen lässt. Aber dann und wann muss natürlich auch Blut fließen...
VP: Die Hörspielversion von DAS GRAUEN VON DUNWICH wurde anders aufgezäumt als die Vorlage. In ihrer Version ist Dr. Morgan die Hauptfigur und die Ereignisse werden aus seiner Sicht geschildert. Auf die geheimnisvollen Umbauten des Whateley-Hauses wird fast nicht eingegangen. Sind solche Änderungen notwendig, damit ein Hörspiel funktioniert?
MvW: Für mein Verständnis von Hörspiel sind solche Änderungen absolut notwendig. Denn ein Hörspiel ist halt nicht nur ein vorgelesener Text, sondern ein Spiel, eine Dramatisierung, ähnlich wie ein Film oder ein Theaterstück. Und ein solches Drama lebt davon, dass die Schauspieler ihre Figuren zum Leben erwecken. Der Hörer soll ihre Emotionen fühlen und eine Beziehung zu ihnen aufbauen, mit ihnen die Geschichte durchleben.
Die Originalversion von "Dunwich" wird aus vielen verschiedenen Perspektiven geschildert, was bei Lovecraft oft der Fall ist. Bei einer originalgetreuen Umsetzung als Hörspiel wäre das meiner Meinung nach aber zäh und verwirrend. Eine zentrale Hauptfigur war notwendig um einen kontinuierlichen Spannungsbogen aufbauen zu können. Aus dem gleichen Grund mussten viele Nebenhandlungen und Beschreibungen gekürzt werden. Ich kann verstehen, dass ein Lovecraft-Fan da manche Details vermisst, aber ein Hörspiel funktioniert halt nach anderen Regeln als ein Roman.
VP: Für den Vincent-Preis 2009 sind insgesamt 6 Werke nominiert, die zumindest Lovecrafts Einfluss erkennen lassen. Was macht die Faszination seiner Geschichten heute noch aus?
MvW: Meiner Meinung nach war Lovecraft für die moderne Horrorliteratur, was Jimmy Hendrix für den Hard Rock war. Er hat das Genre zwar nicht erfunden, aber er hat es auf eine Weise neu definiert, die auch 70 Jahre nach seinem Tod noch relevant ist.
Das Universum von Lovecrafts Geschichten ist grell, plastisch, paranoid, oft übertrieben und “zyklopisch”. Er war vielleicht kein überragender Schriftsteller, aber er hat Texte geschrieben, die die Phantasie des Lesers sehr stark stimulieren und eine Welt erschaffen, die über die einzelnen Stories hinausgeht.
VP: Welche weiteren Werke werden Sie uns in der Nachtmahr-Reihe präsentieren und was kommt außer wohliger Gänsehaut aus dem Hause Wolpertinger auf den Hörer zu?
MvW: Unser nächstes Hörspiel wird statt wohliger Gänsehaut wohl eher eher eine gewisse Irritation verbreiten, denn es wird was ganz besonderes. Es ist die Vertonung des ziemlich schrägen Romans "Die Kannibalen von Candyland", der zeitgleich im Oktober 2010 als deutsche Erstveröffentlichung im FESTA Verlag erscheint. Dabei handelt es sich um ein neues Genre aus den USA, das sich selbst als BIZARRO FICTION bezeichnet. Ich kann es jedem, der mal was ungewöhnliches hören will, nur wärmstens ans Herz legen.
2011 geht es dann mit Nachtmahr weiter. Nummer 4 wird höchstwahrscheinlich "Das Haus der Tauben" werden, basierend auf "Pigeons from Hell" von Robert E. Howard.
VP: Warum der Wolpertinger als Namenspate.
MvW: Als Fabeltier steht der Wolpertinger für die Kraft der Phantasie. Mit seiner variablen Form erfindet er sich ständig neu, sieht immer wieder anders aus und hat dabei auch einen selbstironischen Beigeschmack. Daher repräsentiert er perfekt unser kleines Independent Label, das seine Hörer mit phantasievollen, ungewöhnlichen Geschichten in andere Welten entführen möchte.
Außerdem wollte ich als kleiner Junge immer einen ausgestopften Wolpertinger haben...
VP: Herzlichen Dank für das Interview, alles Gute für den Vincent 2009 und viel Erfolg mit Ihrem Label.
MvW: Vielen Dank. Da wir große Fans von s/w-Gruselfilmen sind, wäre uns der Vincent-Preis eine ganz besondere Ehre.
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