Ralf Kor - Zu Gast beim Vincent Preis
Interview mit Vincent Voss
Stell dir einen schlichten, schwarzen Raum vor, zwei sich
gegenüberstehende blutrote Kanapees, einen schlichten, weiß lackierten Tisch,
eine weiße Vase mit einer schwarzen Dahlie. Im Hintergrund hören wir Japanische
Kampfhörspiele: https://www.youtube.com/watch?v=q42wrzDdyMQ
VV: Moin Ralf, schön, dass du heute hier bist. Nimm bitte Platz.
Was magst du trinken?
R.K.: Danke, sehr aufdringlich! Ne, Spaß. Es freut mich hier
sein zu dürfen. Schön hast du es hier. Die Musik ist auch klasse! Ich nehme ein
Bier.
R.K: Ich kann es noch immer kaum fassen! Es waren so viele
erstklassige Bücher am Start. Mein Werk ist nun auch sehr speziell und
obendrein ein Debüt. Umso schöner ist es, in die Endrunde gekommen zu sein.
Übrigens auch Glückwunsch zu deiner Nominierung. Infiltriert habe ich mir letztes
Jahr nach deiner Lesung in Marburg gekauft und war schwer begeistert.
VV: Danke! Du hast ja schon einmal im letzten Interview mit Michael eine kurze Inhaltsangabe gegeben, aber vielleicht ist es bei unseren
Lesenden in Vergessenheit geraten. Worum geht es also?
R.K.: Es ist die Geschichte von den beiden Freunden Volker und
Benny, die für ein Drogenkartell arbeiten und sich um die sogenannten Mulis
kümmern. Das sind Menschen, die in ihrem Körper Drogen schmuggeln. Ihr Boss
schickt sie zu ihrem Lieferanten nach Mexiko und dort lernt Volker die hübsche
Cariba kennen, und mit ihr fängt das ganze Schlamassel an. Hatte ich erwähnt,
dass Volker Probleme mit seinen Aggressionen hat, und Benny ein Kannibale ist?
VV: Ich muss ja sagen, ich fand „Cannibal Love“ derbe geil! Und
das, obwohl ich eher auf langsamen Suspense-Horror stehe und sobald es humorig
wird, eher die Nase rümpfe … Hattest du Vorbilder?
R.K.: Es freut mich, dass ich dich begeistern konnte! Ja, man
hat ja immer Vorbilder. Ich bin ein großer Fan von Jeff Strand. Er schafft es,
Humor mit Horror und Splatterpunk zu verbinden. Als ich am Plot von Cannibal
Love arbeitete, las ich One Night Stan’s von Greg Sisco, der wie ein Tarantino
in Buchform ist. Als Tarantino Fan war ich schwer begeistert und ich habe mich
gefragt, wie viele Bücher es in diesem Stil gibt. Es sind überraschend wenig.
Somit habe ich mir als Ziel gesetzt, genau diese Lücke zu füllen.
VV: Ich finde ja, dass Quentin Tarantino ein großartiger
Dialog-Schreiber ist. Du auch, übrigens. Mutmaße ich da richtig, dass dich
seine Filme inspiriert haben? Seine Art Dialoge, anzugehen?
R.K.: Wow, vielen Dank! Ja, seine Filme haben mich stark
beeinflusst. Ich bin aber auch kein guter Umgebungsbeschreiber und drücke mich
lieber in Dialogen aus. Nachdem ich den Plan gefasst hatte, einen Tarantino in
Buchform zu verfassen, sah ich mir alle Filme zum x-ten Male an und habe
recherchiert, was seinen Stil ausmacht. Die Dialoge leben ja davon, wichtige
Informationen unter einem Haufen Geschwafel und Blödsinn zu verstecken. Das hat
riesig Spaß gemacht zu schreiben, da ich da meinen schwarzen Ruhrpottthumor
voll ausleben durfte. Auch der Gummiband Effekt und der Mexican Standoff finden
sich bei mir wieder.
VV: Du setzt es sehr akzentuiert ein, finde ich. Und benennst ja
auch religiöse Strömungen, die den Kannibalismus mystifizieren. D.h. es wirkt
dann vielleicht etwas drüber, aber eben nur etwas. Mir gefällt das, weil es
eben nicht langweilig nur Fleischlappen, eimerweise Blut und Gekröse
beschreibt, sondern mehr ist. Alter, was laber ich. Weißt du, worauf ich hinaus
will?
R.K.: Ich glaube, ich habs geschnallt(lacht). Es fällt mir immer
schwer, das Buch zu beschreiben, denn wenn ich alles in eine Zusammenfassung
stecken würde, läse es niemand mehr, weil die Story zu bekloppt und wirr
erscheint. Kannibalen, Drogen und Kartelle? Klingt nach B-Movie. Ich höre
häufiger, dass die Leser langsam müde von dem ganzen Abschlachten wären und es
immer das Gleiche sei. Dem stimme ich teilweise zu. Durch die Überspitzung der
Charaktere und der Handlung, legitimiere ich gleichzeitig die Brutalität. Sie
wird absurd und somit etwas anderes. Ich wollte dem Ganzen halt mehr Futter
geben, als nur eine bunte Schlachtplatte, sondern eine gewisse Wahrheit. Ich
meine, wie unwahrscheinlich ist es, dass sich ein irrer Drogenbaron in Mexiko
als Ahnen der Azteken sieht und auch deren Rituale nachahmt?
VV: Ähm, gar nicht? Und wie hast du zum Thema Drogen und
Drogenkuriere recherchiert?
R.K.: Witzigerweise basiert die Grundidee auf einem Kölner
Tatort. Da saß ein Muli in eine Badewanne. Diese Szene hat mich inspiriert. Zu
der Folge gab es einen Hintergrundbericht, der schon allerhand Informationen
bot. Es gibt allerlei Berichte aus Zeitungen zu dem Thema, die wirklich
erschreckend sind. Die Menschen, meist junge Frauen, sterben häufig, weil die
Behälter platzen. Zumeist werden sie gezwungen. Mit dem Wissen war es nicht so
leicht, die Badewannenszene zu schreiben. Ich wollte verdeutlichen, dass diese
Menschen für die Kartelle nur ein Transportmittel für ihre Ware sind. Dass
Mulis von Mexiko nach Deutschland fliegen, stimmt nur bedingt. Es kommt vor,
aber nicht in den Mengen, wie ich sie geschildert habe. Mulis werden eher aus
dem afrikanischen/ arabischen Raum benutzt, aber die Wahrheit musste ich für
die Story biegen. Zumeist finden die Drogen mit Schiffen ihren Weg nach Europa.
VV: Okay. Und dann kam
irgendwann der Moment, selbst eine Geschichte zu schreiben? Wie hat denn das
alles angefangen bei dir?
R.K: Ich spielte, wie wohl
jeder Zweite, schon länger mit dem Gedanken, selbst etwas zu schreiben. Ideen
waren reichlich vorhanden, mir fehlte nur die Initialzündung. Der Funke sprang
im Spanienurlaub über, als ich ein Buch von Clive Cussler gelesen hatte, das
zwar von der Story toll war, jedoch nervten mich die Formulierungen total. Da
dachte ich: Das kannst du besser! Konnte ich natürlich nicht. Nach der Geburt
meines ersten Kindes war ich in Elternzeit, und ich habe meinen ersten Roman
angefangen zu schreiben. Schnell merkte ich, dass das doch nicht so einfach
ist. Nach Sage und Schreibe einhundert Seiten habe ich aufgehört und mir
stattdessen die ganze Theorie einverleibt und nach Ausschreibungen gesucht. Ich
nahm mir vor, innerhalb eines Jahres eine Kurzgeschichte zu veröffentlichen.
Sollte es nicht klappen, musste ich mir mein fehlendes Talent eingestehen und
allenfalls für mich selbst schreiben. Tja, nach einem halben Jahr wurde eine
angenommen. Dann die Nächste und noch eine. Von da an hatte ich Blut geleckt.
VV: Und dann? Warst du von der
Verlagssuche angenervt oder ging das alles gut bei Dir?
R.K.: Von der Verlagssuche
hatte ich die schlimmsten Geschichten gehört und hatte es innerlich schon
abgehakt. Nach der Hochrechnung, was mich ein professionelles Buch als SPler
kosten würde, wurde mir ganz anders. Meiner Frau übrigens auch (lacht). Also probierte
ich mein Glück bei den Verlagen. Damals saß ich am Manuskript von Macimanito.
Das Expose war bereits bei einigen Verlagen und ich wartete auf Antworten.
Obwohl ich das Manuskript unbedingt fertigstellen wollte, ließ mich die Idee
von Cannibal Love nicht los. Ich habe sogar von der Geschichte geträumt. Also
schnappte ich mir ein paar Bierchen und ballerte knapp dreißig Seiten runter.
Noch am selben Abend hab ich es mit einem witzigen Anschreiben im Cannibal LoveStil an REDRUM geschickt (die auch das Manuskript für Macimanito schon
vorliegen hatten). Von meiner Frau hatte ich am nächsten Tag Ärger bekommen,
warum ich das Teil nicht in Ruhe gegengelesen hatte. Ich war überzeugt von der
Idee, dass ich mir sicher war, dass es Michael gefallen würde. Was soll ich
sagen, etwa zwei Wochen später hatten wir telefoniert und da flatterte auch
schon der Vertrag rein. Übrigens haben zwei weitere Verlage an Macimanito
Interesse bekundet. Mit solch einer Reaktion hatte ich gar nicht gerechnet.
VV: Für die lange Strecke, also Romane, plottest du? Oder wie
gehst du da an die Arbeit?
R.K.: Ich bin ein total pingeliger Plotter. Da kommt der
Betriebswirt durch (lacht). Ich muss genau wissen, was ich mache. Natürlich
schreibe ich vieles dann anders oder ändere es, weil mir noch eine bessere Idee
eingefallen ist, aber ich muss den Weg kennen. Manchmal kann ich es aber auch
nicht erwarten anzufangen und habe nur den halben Plot fertig, aber im Kopf
steht schon das meiste, bevor es aufs Papier kommt. Der Vorteil am kleinlichen
Plotten ist, dass man seltener eine Schreibblockade hat, da man ja weiß, was
passiert. Wenn man eh wenig Zeit zum Schreiben hat, erspart man sich
deprimierende Abende.
VV: Ich habe in deinem letzten Interview gesehen, dass du auch
Vater bist. Yeah! Hat deine Vaterrolle für das Schreiben eine Bedeutung? Sowohl
organisatorisch wie auch inhaltlich?
R.K.: Vater sein ist etwas unglaublich Schönes, jedoch fehlt
einem häufig die Zeit für andere Dinge. Da ich einem 39h Job nachgehe, bleibt
mir nur der Abend für mein Hobby, und vielleicht erkämpfe ich mir am Wochenende
mal die ein, oder andere Stunde extra.
Inhaltlich ist das so eine Sache. Man überlegt schon, was die
Kinder denken, wenn sie mal eine Geschichte von mir lesen sollten. Welches
Thema ich nicht, oder nur bedingt anrühre, ist Kindesmissbrauch bzw.
Pädophilie. Das ist zu heikel und man muss den richtigen Ton treffen. Ich traue
es mir schlicht nicht zu, deshalb lasse ich es. Das ist für mich ein Tabu.
In Kürze erscheint Macimanito bei REDRUM. Da treffen die
Darsteller der Serie Monsterhunter auf eine alte indianische Legende.
Gerade schreibe ich an Cannibal Love 2. Das Buch ist eine echte
Herausforderung, da ich ja mindestens das gleiche Niveau abliefern will und
sehr hohe Erwartungen an mich selbst habe, es aber auch abheben will vom ersten
Teil. Es wird also keine Kopie und ein wenig gradliniger als sein Vorgänger.
Dann steht noch ein Plot für ein flauschig-tierisches
Zombiebuch, das wieder stark ins humoristische driften wird.
Im nächsten Jahr steht auch schon was richtig Leckeres an. Ein
Lovecraft Sammelband in limitierter Fassung. Das Teil war eine schwere Geburt,
aber ich bin wahnsinnig stolz, dass es in einem solchen Format erscheinen wird.
Darüber hinaus fungiere ich als Herausgeber für eine echt coole
Anthologie (aber wem sag ich das). Der Titel ist noch geheim.
Das war es fürs Erste. Ist ja auch eine ganze Menge. Mir jucken
schon viele andere Ideen in den Fingern, die ich im nächsten Jahr verwirklichen
möchte.
Bullets (Wie aus der Pistole geschossen …)
VV: Clint Eastwood oder Steve Mcqueen?
R.K.: Clint
Eastwood.
VV:
Welcher Film?
R.K.:
Fight Club
VV: Ein Ort, den du unbedingt bereisen willst?
VV.: Kalifornien
VV: Beste Band der Welt?
R.K.: Dritte Wahl
VV: Rum oder Whiskey?
R.K..: Bier, ähm, Whiskey
VV: Drei Horror-Werke, die dich geprägt haben?
R.K.: Stephen King –
Shinning
Clive
Barker – Bücher des Blutes
Jack
Ketchum – Evil
VV: Spider oder Batman??
R.K.: Spidey natürlich
VV: Warum?
R.K.: Hallo? Netze? Aus der Hand? Spinnensinn?
VV: Prepper oder Plünderer?
R.K.: Prepper, ich tauge nicht zum Raub.
VV: Eine Superkraft, die du gerne hättest?
R.K.: Mich legst du nicht rein: Die Superkraft, jede Superkraft
zu haben, die ich möchte.
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