Rainer Zuch (Interview)

Michael Schmidt: Hallo Herr Zuch, herzlichen Glückwunsch, ihr Roman Planet des Dunklen Horizonts ist für den Vincent Preis 2019 nominiert worden!

Rainer Zuch: Vielen Dank! Das kommt jetzt ziemlich unerwartet, eine schöne Überraschung.


Michael Schmidt: Stellen Sie sich den Lesern des Vincent Preis Blog doch bitte mal kurz vor!

Rainer Zuch: Eigentlich bin ich schrecklich seriös. Ich bin 1965 geboren und in der Wetterau aufgewachsen, habe in Frankfurt und Marburg Kunstgeschichte und Philosophie studiert und in Marburg auch promoviert. Deshalb habe ich mir auch mal ein T-Shirt drucken lassen mit dem Motto: „Ich bin nicht nett, ich bin Wissenschaftler!“ 
Andererseits habe ich schon seit meiner Kindheit eine dunkle Seite. Die hat nämlich nicht nur Schokolade, sondern auch die besseren Geschichten. (Ok, so seriös bin ich dann doch wieder nicht.) Die Phantastik hat mich schon früh eingesogen, und seitdem irre ich darin herum. Ich tummele mich hauptsächlich im Horror, Weird Fiction und Science Fiction. Als Kunsthistoriker hat es mich allerdings auch schnell in schräge Ecken gezogen, vor allem zum Surrealismus und zu anderer phantastischer Kunst. Meine ersten phantastischen Veröffentlichungen waren dann auch wissenschaftliche Texte zu Lovecraft, Tolkien, Architektur und Kartographie in der Phantastik. Daneben habe ich aber schon früh eigene Geschichten geschrieben, lange aber nur für mich. In Marburg habe ich dann einen Roman angefangen, der sich um die hinduistische Göttin Kali dreht. Er harrt noch der Veröffentlichung. Ich lebe inzwischen in Marburg länger als anderswo und bin hier glücklich liiert. Meine Lebensgefährtin ist Künstlerin und wir ergänzen uns wunderbar.

Michael Schmidt: Der Roman erschien ursprünglich im TES Verlag und wurde für die Blitz-Ausgabe überarbeitet. Wie kam es zur Neuveröffentlichung und was wurde alles überarbeitet?

Rainer Zuch: Die Idee hatte Jörg Kleudgen. Ich fand das sehr schmeichelhaft, weil ich als Phantastikautor ja noch neu und Der Außenposten meine erste Veröffentlichung auf dem Gebiet war. Ein zweiter Verlag konnte die Reichweite der Geschichte nur vergrößern. Dafür mußte die Geschichte überarbeitet werden, denn die beiden Ausgaben sollten sich nicht gegenseitig im Weg stehen. Deshalb habe ich dafür die Story Der Besucher geschrieben, die eine Art Vorspiel zum Außenposten darstellt. Die Überarbeitungen betreffen in erster Linie die notwendigen Abstimmungen beider Teile aufeinander. Ich habe vor allem den Anfang komplett umgestaltet, etwa die technischen Daten zum Pluto aus dem Außenposten rausgenommen und in den Besucher eingebaut und Querbezüge zwischen beiden Geschichten geschaffen, damit sich ein neues, schlüssiges Ganzes ergibt. Ansonsten habe ich über den ganzen Text verteilt kleine textliche Überarbeitungen vorgenommen. Der Hauptunterschied ist also der, daß der TES-Außenposten für sich steht, während die BLITZ-Ausgabe sich in zwei Teile gliedert.


Michael Schmidt: Der Roman erschien in der Reihe Lovecrafts Schriften des Grauens, erinnert aber gerade im Finale an C.A. Smith und ich musste auch unwillkürlich an Abrahm Merrits Metallstadt denken. Gab es Vorbilder für den Roman und wie kamen Sie auf die Idee von Planet des Dunklen Horizonts?

Rainer Zuch: Interessant, auf Smith wäre ich gar nicht gekommen. Meinen Sie seine Mars-Geschichten oder Zothique? An die Metallstadt hatte ich auch nicht gedacht, aber ich sehe da insofern Überschneidungen, als Merritt ausgiebig mit abstrakten Figurationen wie lebenden geometrischen Körpern arbeitet und ich die fremden Wesen ebenfalls als ungreifbare abstrakte Gestalten zeichne, denen eine konkrete Körperlichkeit abzugehen scheint. Der wichtigste Orientierungspunkt war aber Lovecrafts Berge des Wahnsinns und der Yuggoth, der merkwürdigerweise bis heute kaum aufgegriffen wurde. In Der Flüsterer im Dunkeln spricht Lovecraft den Pluto direkt an, da der Planet ja entdeckt wurde, während er die Erzählung schrieb. Der eigentliche Ausgangspunkt war aber ein Bild, das ich eines Morgens im Halbschlaf vor meinem geistigen Auge gesehen hatte: eine eigenartige Architektur am Rande einer Schlucht in der öden, finsteren Landschaft eines fremden Planeten. Von da aus bin ich dann sehr schnell zum Yuggoth gekommen und der Idee, diesem finsteren Planeten eine Geschichte zu widmen und ihn etwas aus dem literarischen Dunkel herauszuheben.


Michael Schmidt: Planet des Dunklen Horizonts  ist ja eine Mischung aus Horror und SF, wenn Horror auch den Schwerpunkt bildet. Mögen Sie beide Genres und wo fühlen sie sich als Autor am meisten zuhause?

Rainer Zuch: Als ich angefangen habe, phantastische Literatur zu lesen, war das zunächst hauptsächlich klassische SF und Horror. Vor allem Lovecraft begleitet mich seit Jahrzehnten. Im Anschluß habe ich dann andere Klassiker wie Poe, Kubin, Meyrink, Blackwood, Machen, Hodgson und andere entdeckt. Von der SF bin ich zwischendurch wieder abgekommen, entdecke sie aber seit ein paar Jahren wieder. Als Autor fühle ich mich aber vor allem in der Weird Fiction und im atmosphärischen Horror zuhause, ich bin z.B. ein großer Fan von Thomas Ligotti. Weird Fiction ermöglicht es, auf vielfältige Weise die Realität zu unterminieren und subtilen Horror einzusetzen. Thronos gehört in diese Kategorie.

Michael Schmidt: Herausgeber der Reihe Lovecrafts Schriften des Grauens ist ja Jörg Kleudgen, in dessen Verlag Goblin Press erschien ja auch ihr Roman Thronos über einen außergewöhnlichen Maler. Ist der Roman noch erhältlich und hat er Bezüge zu ihrer eigenen Person?

Rainer Zuch: Thronos (ich würde es eher als Novelle bezeichnen) ist noch erhältlich, Interessenten wenden sich dazu am besten an Jörg Kleudgen selbst. Das sind wunderbare Bücher, die quasi auf Bestellung gefertigt werden und ich bin auch deshalb stolz darauf, weil es eine Zusammenarbeit mit meiner Lebensgefährtin Angelika Schönborn ist, sie hat nämlich die Illustrationen gestaltet. Thronos enthält durchaus Bezüge zu mir. Im Mittelpunkt steht ein Kunsthistoriker, der sich mit esoterischen Themen beschäftigt, wie ich in meiner Dissertation über Die Surrealisten und C.G. Jung. Ich arbeite selbst als freier wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Künstlerhaus, dem Otto Ubbelohde-Haus in Goßfelden, und habe dort den Nachlaß des Künstlers geordnet und inventarisiert. Und wenn man sich über längere Zeit mit dem Werk und dem Lebensumfeld eines Künstlers beschäftigt, wird das irgendwann zu einem Blickwinkel, unter dem man auch die übrige Welt betrachtet. Wie das Künstlerhaus in Thronos, ist auch das Ubbelohde-Haus eine Art Gesamtkunstwerk mit gestalteter Umwelt in Form von Gärten. Außerdem bin ich bei meiner Arbeit öfter allein im Haus, und da bildet man sich schon manchmal ein, Dinge zu hören, die (wahrscheinlich?) gar nicht da sind... Im Laufe der Zeit hat sich die Idee zu einer Geschichte herauskristallisiert, in der ein einsam lebender Künstler in und mit seinem Werk Hinweise auf eine andere, okkulte Realität gibt.

Michael Schmidt: Woran arbeiten Sie im Moment?

Rainer Zuch: Gerade arbeite ich an einer Novelle um F.W. Murnaus Horrorklassiker Nosferatu. Außerdem plane ich eine weitere Kurzgeschichte zum Yuggoth-Thema. Und dann ist noch ein Folgeroman zu Kali in Arbeit.

Michael Schmidt: Neben den beiden Romanen haben Sie auch Kurzgeschichten veröffentlicht. Welche waren das und haben Sie einen Favoriten unter ihnen?

Rainer Zuch: Das waren bisher nur zwei: Das Gasthaus der Götter in der Anthologie Xulhu und andere Erzählungen kosmischen Grauens im BLITZ-Verlag und Lava, womit ich mich am Marburg-Award 2019 zum Thema Viel zu heiß!!! beteiligt habe. Letzteres war ein kleiner Spaß, Das Gasthaus der Götter ist mir schon wichtiger.

Michael Schmidt: Wie beurteilen Sie die deutschsprachige Phantastik-Szene?

Rainer Zuch: Schwer zu sagen, ich komme ja erst langsam rein. Ich habe ja lange nur so vor mich hin geschrieben. Aber was ich bisher kennengelernt habe, ist ein nettes Völkchen von Verrückten. Ich glaube, da passe ich rein. Allerdings habe ich den Eindruck, daß es manchmal ein wenig zu familiär zugeht und etwas frischer Wind vielleicht nicht schaden könnte.

Michael Schmidt: Noch ein Wort an die Meute dort draußen!

Rainer Zuch:  Haltet euch von Viren fern, die Marburg-Con im Mai soll ja stattfinden! Bis dann!


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