Interview mit Alisha Bionda


Vincent Preis: Hallo Alisha. Die meisten Leser werden dich kennen. Stell dich doch trotzdem mal vor!

Alisha Bionda: Ich bin in Düsseldorf geboren und aufgewachsen und lebe seit 1999 auf den Balearen, bin sehr naturverbunden, liebe Individualisten und leiste mir den Luxus nur mit Menschen, die respektable Umgangsformen pflegen, Kontakt zu haben.
Ich liebe Kunst in jeglicher Form – allen voran die WORTkunst, sprich Literatur. Und das seit meiner Kindheit. Ich bin die typische Quereinsteigerin der Lit-Branche, hatte vorher über 20 Jahre einen Beruf als Staatshoheitsbeamtin und habe dann für meinen neuen Beruf, meine Berufung, ein Studium absolviert und bin 1999 aus meinem alten Beruf aus- und in meinen neuen eingestiegen, den ich nun als Autorin, Herausgeberin, Lektorin und Agentin bestreite.

Vincent Preis: Herzlichen Glückwunsch zur Nominierung beim Vincent Preis mit “Odem des Todes” als “Beste Horroranthologie” und dir persönlich für den “Sonderpreis” für die Förderung junger Autoren und der phantastischen Literatur im Allgemeinen!

Alisha Bionda: Vielen Dank! In letzterem Fall hat es mich gefreut und auch erstaunt, dass auch einmal solche “Einsätze” (in meinem Fall seit ca. 15 Jahren) gewürdigt werden.


Vincent Preis: Letztes Jahr die Nominierung mit „Advocatus Diabolus“. Dieses Jahr mit „Odem des Todes“. Das zeichnet ja große Anerkennung für deine Arbeit als Herausgeberin. Wie siehst du deine Chancen und kennst du die vier Konkurrenzbücher?

Alisha Bionda: Da ich für meine Nominierung keine Werbetrommel gerührt habe/rühre, kann ich das nicht beurteilen.
Ich kenne GHOST WRITER des von mir sehr geschätzten Andreas Gruber und habe den Band auch rezensiert.
Da ist der Vergleich zu einer Themen-Anthologie verschiedener Autoren aber schwierig bis unmöglich.

Vincent Preis: „Odem des Todes“ hat eine Besonderheit. In jeder der Geschichten spielt „Edgar Allan Poe“ die Hauptrolle. Wie kam es zu der Idee?

Alisha Bionda: Ich hatte sie – wie die meisten – nachts als ich mit meinem Hund am Meer entlang schlenderte. Es regt stets meine Kreativität an, wohl weil ich mich dort am wohlsten fühle.
In dem Fall wollte ich nicht einfach nur Storys bieten, die sich stilistisch und plottechnisch an Poe anlehnen, davon gibt es ja auch schon satt und genug. Und daher war die Tatsache, dass Poe in persona agiert in meinen Anthos eine Novität, worum ich mich bei jedem Projekt – soweit das möglich ist – bemühe. Ich finde schon, dass sich „Odem des Todes“ alleine dadurch von anderen „Poe“-Anthos abhebt.

Vincent Preis: Jeder hat so seine Lieblinge. Welche der Geschichten aus „Odem des Todes“ fandest du besonders gelungen?

Alisha Bionda: Als Herausgeberin finde ich jeden Text, den ich aufnehme, “besonders gelungen” – und da jeder Text eigenständig ist, finde ich solche Vergleiche eher suboptimal und kann sie auch nicht ziehen.

 Vincent Preis: In deinen Anthologien finden sich eine Mischung aus festen Autoren, die man immer wieder in deinen Anthologien trifft, aber auch immer wieder neue Gesichter. Wie gehst du ein Anthologieprojekt an und wie sind die Chancen für interessierte Autoren? Gibt es Ausschreibungen oder sprichst du die Autoren direkt an?

Alisha Bionda: Wie es mittlerweile bekannt ist, spreche ich grundsätzlich die Autoren an, nur in der CHILL & THRILL haben wir für Tanyas “Hälfte” mal eine Ausnahme gemacht.
Ich händel das grundsätzlich so – aus diversen Gründen.
Es stimmt, dass ich bestimmte Autoren habe, die fast regelmäßig auftauchen, mit Betonung auf fast. Und es stimmt ebenso, dass ich auch immer neue Autoren aufnehme. Die Mischung machte es halt – wie überall im Leben.
Da ich mit sehr vielen Autoren in Kontakt stehe, dadurch, dass ich auf beiden Seiten der Branche arbeite, habe ich eher immer ein Überangebot an interessanten Autoren.
Aber künftig werde ich ohnehin nicht mehr so viele Anthologien herausgeben.

Vincent Preis: Unter deiner Ägide sind ja schon eine Menge an Anthologien erschienen. Welche drei liegen dir besonders am Herzen?


Alisha Bionda: Auch da habe ich keine spezielle, denn dafür sind meine Anthologie-Projekte dann bei näherem Hinsehen doch zu different. MÜSSTE ich aber EINE benennen, stünde die ADVOCATUS DIABOLI (wegen der Texte und sehr edlen Aufmachung) an erster Stelle.
Die anderen sind jede für dich gesehen, für mich gleichwertig und liegen mir nicht minder am Herzen.

Vincent Preis: Nach der Anthologie ist vor der Anthologie. Welche Projekte stehen kurz davor veröffentlicht zu werden?

Alisha Bionda: Durch den Start meiner beiden neuen Reihen bei Fabylon, gibt es 2012 zufälligerweise noch einmal einige Anthologien von mir. Sprich die MEISTERDETEKTIVE Reihe bietet nun als Start eine Sherlock Holmes-Anthologie mit phantastischen Plots und dann im Herbst noch einmal eine Novellensammlung mit klassischen Fällen, und die STEAMPUNK Reihe startet gleich mit zwei Kurzgeschichtensammlungen zeitgleich – eine mit normalen SP-Storys, die andere mit Steampunk-Erotics. Eine weitere DARK LADIES-Antho erscheint ebenfalls bei Fabylon – auch mit erotischen Texten, und es gibt dieses Jahr zwei Anthologien bei p.machinery.
Darüber hinaus werden in Kürze die ersten Anthos aus meinen Fabylon-Projekten bei neobooks/Knaur als eBooks erscheinen. Besonderheit ist hier, dass man sowohl den Titel komplett, wie auch (wie in der Musikbranche schon lange üblich), jeden Text, der eine bestimmte Länge hat, einzeln erwerben kann.
Aber ab 2013, wie gesagt, wird es Jahr für Jahr weniger Anthologien geben, es sei denn mir werden wirtschaftlich interessante Angebote gemacht. Mein Herz schlägt nach wie vor für Kurzgeschichtensammlungen, aber gibt man sich Mühe mit Konzept, Auswahl der Texte, Zusammenstellung und auch optischer Umsetzung – wie es bei meinen Anthos der Fall ist –, wird das vom Leser nicht wirklich gewürdigt – erst recht nicht wie viel Zeit und Arbeit tatsächlich hinter nur einer Anthologie steckt. Und auch ich muss wie alle anderen wirtschaftlich denken.

Vincent Preis: Und welche sind schon in konkreter Planung?

Alisha Bionda: Die oben Genannten – darüber hinaus kann man die konkreten Titel, somit auch die Anthologien, immer auf meiner Website, http://www.alisha-bionda.net, in der VORSCHAU ersehen. Ich halte meine Seiten täglich auf aktuellem Stand.

Vincent Preis: Du bist nicht nur Herausgeberin sondern auch Autorin. Welche Werke nennst du dein eigen?

Alisha Bionda: Das wäre jetzt müßig sie alle aufzuzählen, grob würde ich sagen: Ich habe Einzelromane geschrieben (z.B. für Ueberreuter), und die Vampirserie „Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik“, die ja auf meiner Idee basierte, im Gros konzipiert und als Autorin bestritten, bei einigen anderen Serien und Reihen mitgeschrieben, da lohnt sich ebenfalls ein Blick auf meine Website.
Ich musste dann zu einem bestimmten, eher unschönen Zeitpunkt meines Lebens und Schaffens einen nötigen Cut vollziehen und habe danach eine bewusste Schreibpause eingelegt, um mich neu zu erden (was mir sehr gut bekommen ist), aber auch zugunsten anderer Arbeiten. Ab 2013 wird es aber wieder etwas von mir geben. Das jedoch ebenso dosiert wie Anthologien, da mein derzeitiger Fokus auf meiner Agentur und meinen Reihen bei Fabylon und p.machinery ruht.

Vincent Preis: Du schriebst mal, du wolltest dich in Zukunft mehr auf deine eigenen Sachen konzentrieren und die Anthologien reduzieren. Auf welche Romane oder Bücher können sich die Leser denn freuen?

Alisha Bionda: Es wird für den Anfang zwei Romane unter dem TriAdeM-Segel geben, die ich zusammen mit Tanya Carpenter und Guido Krain bestreite. Zum einen “Erben der Luna” (Düstere Phantastik) bei Fabylon, zum anderen, zu Gedenken an den leider viel zu früh verstorbenen Andrä Martyna, mit dem ich die letzten Jahre sehr eng zusammengearbeitet habe, “Equinox” (Social Fiction) bei p.machinery, der auf einem Grob-Expo des Verstorbenen beruht, dessen Grafiken auch in den Band einfließen.
Alles andere ist noch nicht spruchreif.

Vincent Preis: Du betreibst auch die Seite www.literra.info. Worum geht es da?

 Alisha Bionda: Die betreibe nicht ich, sondern wir sind drei Masterminds: Meine Wenigkeit, Michael Beyeler und Florian Hilleberg, plus ein kleines Team freier Redakteure, die völlig eigenständig bei uns mitwirken.
Worum es geht: Um Literatur.
Wir sind ein Non-Profit-Literaturportal, das über alles Interessante aus der Branche berichtet und tägliche News und Updates anbietet. Wir haben zwar Phantastik als Schwerpunkt gehabt, als wir starteten, aber das ist längst in alle Genres ausgeweitet worden.
Zusätzlich zur Literatur berichten wir auch über Film- und Musikprojekte.
Wert legen wird dabei darauf – von Anfang an -,dass jeder Beitrag auch optisch halbwegs schön rüber kommt. Soweit das bei einem Portal möglich ist. So haben wir auch einen festen Stamm Künstler, die über das Jahr gesehen, sehr viele Grafiken zaubern.
Fester Bestandteil sind neben dem Infotainment auch Kolumnen, Specials, Kurzgeschichten und vieles mehr. 

Vincent Preis: Auch als Literaturagentin bist du aktiv.

Alisha Bionda: Das stimmt. Seit ca. zehn Monaten betreibe ich die „Agentur Ashera“. Die Zusammenarbeit mit meinen Autoren und Künstlern trägt auch schon für die kurze Zeit sehr schöne Früchte.

Vincent Preis: Bei der vielen Aktivität verwundert es ja nicht, dass du für den Sonderpreis nominiert bist. Sind Literaturpreise Ansporn oder mittlerweile eher Alltag für dich? Und welche Rolle nimmt so ein Sonderpreis ein?

Alisha Bionda: Das sprichst du ein wichtiges Thema an.
Sie sind weder Ansporn noch Alltag, weil sie nicht die Triebfeder und der Fokus meiner Arbeit sind. Das wäre ja der völlig falsche Ansatzpunkt.
Ich mache, wie jeder andere, meine Arbeit, einzig weil sie mir Spaß macht, ich Lesern schöne Projekte anbieten möchte, Autoren wiederum eine Chance auf gute Zusammenarbeit und weil ich mich kreativ austoben kann.
Ich sehe Preise auch generell mit etwas gemischten Gefühlen, es kommt immer darauf an, wer und in welchem Rahmen, unter welcher Prämisse ein solcher Preis verliehen wird. Aber auch wem und warum.
Mir persönlich ist da z.B. absolute Neutralität wichtig.
Und wenn ich da so sehe, was da manchmal hinter den Kulissen abläuft, was der kundige Netzwerkler ja mitbekommt, dann wirft das in meinen Augen einen Schatten auf so manchen Preis. Was ich sehr bedauerlich finde.
Was Sonderpreise – wie den von dir o.g. – angeht, so ist das natürlich generell eine sehr schöne Anerkennung für eine Person, die sich nicht nur ein oder zwei Jahre unermüdlich einsetzt, sondern schon über einen sehr langen Zeitraum und breitflächig, und nicht nur partiell und wenn es ihr vielleicht selbst nutzt. Gerade diese Rubrik, halte ich daher für sinnvoll, weil es da um lange und anerkennenswerte Arbeit geht, die auch jeder beurteilen kann. Was mich angeht, so bin ich ein Mensch, wie alle anderen auch, ich setze mich gerne für andere ein, wenn das dann Anerkennung findet, freut mich das natürlich!
Aber wenn nicht, ist es für mich auch da nicht von einem Preis abhängig. Für mich ist wichtig, wie die Menschen, mit denen ich lange zusammenarbeite, auch denen ich helfe, mich behandeln, wie sehr ich mich – besonders in Krisenzeiten – auf sie verlassen kann. Und da habe ich in den angesprochenen 15 Jahren eine enge Gruppe um mich geschart, die MEIN persönlicher PREIS sind. Sie haben mich unerschütterlich durch alle Höhen und Tiefen begleitet, nicht ihr Höschen in den Wind gehangen und meine Arbeit – und auch mich – immer geschätzt und mir das auch deutlich gemacht – und ich hoffe, sie werden es auch noch weiterhin, weil sie wertvoll in meinem Leben sind.

Vincent Preis: Du kennst die Szene ja wie keine andere. Wie würdest du sie beschreiben?

Alisha Bionda: Ich halte die Szene teils für recht schwierig. Ich vermisse da immer mehr, den Zusammenhalt. Wir sitzen schließlich alle im selben Boot. Das wird in meinen Augen zu oft vergessen. Ansonsten, ist das aber ein interessanter, bunter Haufen, von dem viele Autoren wirklich was “drauf haben”.

Vincent Preis: Und was fehlt der Szene noch im Gegensatz zum englischsprachigen Raum?

Alisha Bionda: Oftmals der professionelle, respektable Umgang mit Kollegen und vor allem mit Kritik. Mehr auf dieser Ebene mangelt es. Ich habe schon sehr bekannte US-Autoren lektoriert – um nur ein Beispiel zu nennen – die haben sich sehr professionell bei Änderungen gezeigt und es so gesehen wie es ist, dass jeder gute Lektor das Werk verbessern will. Sie haben nicht um jedes unsinnige Wort gestritten, als wolle man ihnen den rechten Arm abschneiden. Vor allem haben sie nichts persönlich genommen.
Bei den deutschsprachigen Autoren gibt es da schon mehr “Diven”, meist wenn sie aus dem Semi-Profi-Lager kommen, da denke ich dann oft: ohooooo, du musst noch viel lernen.
Aber auch der ein oder andere Kleinverleger könnte noch viel lernen, wenn er sich wegen einer Rezension, die ihm nicht passte, entgleisend und persönlich in öffentlichen Foren äußert und Personen angreift, die nicht einmal Mitglied dieses Forums sind, sich also gar nicht „verteidigen“ können (wenn sie es denn wollten). Aber im Grunde „outen“ sich solche Menschen ja damit immer selbst.
Was aber die Texte der so genannten Szene angeht, da fehlt unseren Autoren/unserer Szene rein gar nichts. Es gibt viele gute deutsche Autoren, die leider oftmals zugunsten gleichwertiger oder gar schlechterer Übersetzungen abgelehnt werden. Bedauerlicherweise gibt es ja auch den ein oder anderen Kleinverlag, der nun ebenfalls immer mehr oder nur noch ausländische Autoren präferiert.
Diese Bewegung halte ich für sehr bedenklich.
Das könnte jedoch ein etwas bewussteres Kaufverhalten der Leser natürlich ausgleichen. Das sehe ich aber leider auch nicht.
Ich würde mir da eine gesündere Mischung wünschen.
Summa summarum kann man sagen: Es mangelt manchmal am Umgang und der professionellen Einstellung.
Aber beides kann man erlernen, wenn man auch mal vor seiner eigenen Tür kehrt.
Das muss ich auch!
Hehe, also insoweit besteht ja noch berechtigte Hoffnung.

Vincent Preis: Gibt es deutschsprachige Autoren die du besonders schätzt?

 Alisha Bionda: Oh da gibt es etliche, da jetzt nur wenige zu nennen, wäre schwierig und würde denen, die man auslassen müsste, nicht gerecht. Ich lese und rezensiere im Gros deutsche Autoren, und durch meine Lektoratsarbeiten, habe ich dann fast zu 90% mit ausländischen Autoren zu tun. Insoweit ist meine Bandbreite recht groß, daher ist es unmöglich da eine derartige Wertung vorzunehmen.
Besonders schätzen, ist kaum zu beantworten.
Mich muss ein Autor “abholen”, das gelingt meist nur denen zu hundert Prozent, die mir entweder nachhaltiges “Kopfkino” bescheren, wie Marc-Alastor E.-E., durch seinen außergewöhnlichen Stil, aber auch seine sehr intensiven Plots und seine Kunst zu schreiben, aber auch Barbara Büchner, die mir nicht nur plakative Plots wie viele Mainstream-Bücher des heutigen Marktes um die Ohren klatscht (denn das ist nicht schwer), sondern sehr fein gewobene Plot- und Charakternetze.
Aber auch Autoren, denen es gelingt, mir sowohl Spannung als auch Augenzwinkern zu schenken – wie Andreas Gruber und Boris Koch. Aber auch Christian von Aster schätze ich dahingehend. Die Liste ließe sich noch Stunden fortsetzen. Daher ärgert es mich ja auch immer mehr, dass es der Vielzahl guter deutscher Autoren (alleine im Phantastikgenre, und ich lese und arbeite ja nicht nur in diesem, sondern auch im Krimi/Thrillerbereich, aber auch Humor) teils so schwer gemacht wird.

Vincent Preis: Und zu guter Letzt. Was wünschst du dir für die Zukunft?

Alisha Bionda: Gesundheit, für alle, die ich liebe und meine Wenigkeit, und weiterhin meinen Mann und die wenigen, aber engen Freunde und Kollegen an meiner privaten Seite – und die Möglichkeit noch lange meine Projekte umsetzen zu können.

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