Lisanne Suborg zu Gast bei Vincent Voss beim Vincent Preis


Lisanne Suborg zu Gast bei Vincent Voss beim Vincent Preis


Stell dir einen schlichten, schwarzen Raum vor, zwei sich gegenüberstehende blutrote Kanapees, einen schlichten, weiß lackierten Tisch, eine weiße Vase mit einer schwarzen Dahlie zum Inhalt. Im Hintergrund hören wir Cryo Chamber : https://www.youtube.com/watch?v=ppiGTLqfaWc



VV: Moin Lisanne, herzlich Willkommen hier beim Vincent Preis. Schön, dass du da bist. Was möchtest du trinken?

LS: Hi! Grünen Tee, bitte!



VV: Dein Roman XOA ist für den Vincent-Preis nominiert. Was sagst du dazu?


LS: Ich habe es gerade erst erfahren und jetzt freue ich mich natürlich sehr darüber. Vor Xoa habe ich fast zehn Jahre lang nur in Anthologien veröffentlicht. Es freut mich, dass jemand fand, Xoa wäre vielleicht preiswürdig.


VV: Xoa ist ja unter dem Dach der Zombie Zone Germany veröffentlicht worden. Wie kam es dazu?  


LS: Wenn wir es schaffen, treffen sich die Autoren und Autorinnen der „Mängelexemplare“-Anthologien zur LBM jedes Jahr auf eine Suppe. Ich glaube, 2016 hat Jürgen Eglseer vom Amrûn Verlag mich da gefragt, ob ich Lust hätte, eine Novelle für die ZZG zu schreiben. Hatte ich natürlich! Es hat sich dann alles etwas gezogen, es gab einen Herausgeberwechsel. Aber zum Schluss ging alles ganz schnell.


VV: Was ist nach deinem Debutroman Laburion für dich anders geworden? Wie hat denn dein Umfeld reagiert? Oder blieb alles beim Alten?


LS: Das ist inzwischen zehn Jahre her. Allzu viel hat sich nicht geändert. Ein paar Lehrer haben mich darauf angesprochen, die Zeitung hat berichtet. Meinen Freunden hatte ich ja schon vier Jahre zuvor zum ersten Mal von meinem Buch erzählt.

Zur Buchmesse 2010 bin ich dann mit meiner Mutter und einer meiner besten Freundinnen (Sie hat auch mein Cover gezeichnet.) nach Leipzig gefahren. Am Verlagsstand durfte ich da meine erste Lesung halten. Ich war 16, zu Tode aufgeregt und hatte Schwierigkeiten, laut genug zu sprechen. Letzteres trifft immer noch zu. Dieser Messebesuch hat ziemlich sicher dazu beigetragen, dass ich mich zwei Jahre später für Leipzig als Studienort entschieden habe. Ich bin geblieben.


Außerdem – und das klingt jetzt vielleicht ein bisschen albern – fiel die Veröffentlichung in meine Teenager-Zeit und damit ja irgendwie auch in eine Phase der Selbstfindung. Spätestens danach wusste ich: Ich bin Lisanne und ich schreibe.


VV: Und war das Debut eines Horror-Romans mit Xoa dann noch einmal anders?


LS: Ja! Das Feedback war direkter. Xoa hat gleich mehrere ausführliche Rezensionen bekommen. Man selbst beschäftigt sich ja lange mit der Geschichte, und dann zu hören oder zu lesen, wie andere sie empfinden, ist toll. Es hat natürlich auch Feedback zu meinen Kurzgeschichten gegeben, aber nie in der Fülle oder Intensität.


VV: Was macht bei Zombies für dich den Horror aus? Wie bist du zu den wankenden Untoten gekommen?


LS: Vieles kann Horror auslösen. Bei Zombies ist für mich der Ekel vorherrschend. Man kann so tolle Verben und Adjektive für die torkelnden Kadaver finden, zu viel geht eigentlich nicht. Aber bevor Jürgen mich angesprochen hat, habe ich nie über klassische Zombies geschrieben. In meinem ersten Roman gibt es allerdings die „Murdaner“, verfluchte Menschen, die sich bis auf das Gehirneessen ziemlich zombiehaft verhalten. Es ging mir um die Entmenschlichung.


VV: Ich habe deine Lesung auf der Leipziger Buchmesse sehr genossen. Die war ja auf der Bühne eines Radiosenders. Wie kam es dazu und wie war es für dich? Also außer heiß, denn an dem Tag heizte es sich unter der Glaskuppel enorm auf …  


LS: Das war der Tag, an dem es von der Decke tropfte, oder? Der Radiosender ist mephisto 97.6, der Lokalsender der Uni Leipzig. Ich bin im zweiten Semester in die Redaktion gestolpert und war dann fünf Jahre aktiv, besonders im Hörkunstressort. Da habe ich eigene Hörspiele geschrieben, im Studio produziert und gebaut, und eigene Sendungen geplant. Zur Zeit der Lesung war ich nicht mehr aktiv, aber bei mephisto wussten sie natürlich trotzdem von der Veröffentlichung und hatten als Lokalsender Interesse. Heute besuche ich den Sender hin und wieder, wenn jemand fragt, ob ich eine Rolle für sein oder ihr Hörspiel einsprechen würde.


VV: Du bist ja auch mit Kurzgeschichten in den „Mängelexemplaren“ von Constantin Sauff vertreten. Waren das deine ersten literarischen Werke? Wie ist es dazu gekommen?


LS: Nein, das erste, was ich ernsthaft geschrieben habe, war Laburion. Das ist das Fantasy-Jugendbuch, mit dem ich 2010 in Leipzig war. Es ist ganz seltsam, heute in das Buch reinzulesen, denn es war mein erstes Ausprobieren und es ist eine Geschichte, die aus dem Kopf einer Zwölfjährigen stammt. Nachdem Laburion fertig war, habe ich das nächste Buch geschrieben und dann immer weiter. Es sind geschätzt inzwischen zehn, die alle unveröffentlicht sind. Irgendwann habe ich angefangen, auch Kurzgeschichten zu schreiben. Für Wettbewerbe. Und Constantin hat auf einem Portal nach Autoren für seine Ausschreibung gesucht, Bookrix (Gibt es das noch? Ich sollte mein Profil löschen.), auf dem ich mich auch herumgetrieben habe. So nahm es seinen Lauf.


VV: Die Geschichten haben mir ausnahmslos gefallen. Wie kommt deine Liebe zur Dunklen Phantastik zustande?


LS: Das freut mich, danke! So richtig habe ich es noch nicht ergründet. Ich habe Phantastik gelesen und als ich beschlossen habe, zu schreiben, stand außer Frage, dass es Phantastik würde. Außerdem erinnere ich mich an den Gedanken, dass ich von der echten Welt noch viel zu wenig Ahnung hätte, um eine spannende Handlung darin zu entwickeln. Also habe ich eine eigene erfunden. In der Phantastik habe ich unbegrenzte Möglichkeiten.


VV: Du beschreibst in deinen Erzählungen immer auch eine psychologische Ebene, gehst sehr subtil vor. Ist das deine Stärke? Wie machst du das?


LS: Das war mir lange gar nicht klar. Aber ich versuche immer, meinen Geschichten ein bisschen Substanz unter die eigentliche Handlung zu legen. Mein Ziel ist, Hinweise zu verteilen, die dem Leser oder der Leserin am Ende einen Aha-Moment ermöglichen, ohne währenddessen schon genau zu wissen, worauf es hinausläuft. Wenn sie nach dem letzten Satz noch ein wenig über das Gelesene nachdenken, freut mich das natürlich.


VV: Was meinst du fehlt dem Genre für ein großes Publikum? Also ich meine jemand Deutschsprachiges. Liegt es an der Schreibe oder an den Verlagen?

LS: Ich glaube, es liegt am Label. Wenn man mal Game of Thrones oder The Witcher betrachtet, haben beide deutliche Horrorelemente. Man würde aber beide nicht dem Genre Horror zuordnen. Ich habe erlebt, dass „Horror“ von Leuten, die selbst keinen schreiben, weitgehend als Splatter verstanden wird, obwohl das ja nur eine Ausprägung von vielen ist. Viele stellen sich unter „Horror“, glaube ich, zwingend etwas Billiges und Vulgäres vor.


VV: Okay. Das kann man so sagen. Meinst du das wird sich ändern? Oder was könnte man tun, um es zu ändern?


LS: Wenn man mehr Leser erreichen möchte, könnte man das Label einfach weglassen. Es generell „Phantastik“ nennen, oder „Thriller“, wenn das passt. Beide Begriffe sind in Deutschland positiver besetzt. Zumindest ist das mein Eindruck.


VV: Okay. Jetzt wird es persönlich. Wie ist denn deine Beziehung zum Übersinnlichen?


LS: Ich überlege im Alltag gerne: Was wäre, wenn? Ich glaube nicht an das Übersinnliche, aber ich stelle es mir gerne vor.


VV: Gab es ein gruseliges Ereignis oder eine Begebenheit, die dich zweifeln ließ?


LS: Die Klassiker. Da ist ein Fenster offen, obwohl ich es doch ganz sicher zugemacht habe. Wieso liegt das Kartendeck aufgeklappt auf dem Tisch, obwohl ich es seit Monaten nicht angerührt habe? Ich denke dann aber nie an rachsüchtige Geister, sondern eher an einen kranken Stalker, der mich einschüchtern will. Das Böse im Menschen macht mir Angst. Und – tada! – ich schätze, das ist die Antwort auf deine Frage von vorhin. Wieso ich eine psychologische Ebene einbaue. Das ist ja wie ein Therapiegespräch, hier!


VV: Hast du nach Xoa wieder Blut geleckt? Wird es mehr aus deiner Feder geben?


LS: Unbedingt! Ich arbeite gerade an etwas Größerem, das mich noch fast zwei Jahre beschäftigen wird. Danach möchte ich mich unbedingt meinem Hexenroman wieder widmen, der liegt gerade brach. Und im Hinterkopf arbeite ich gerade eine düstere Kurzgeschichte aus, die ich bald niederschreiben möchte.

VV: Wo siehst du dich denn in zehn Jahren? Träumen erlaubt …


LS: Ich hätte gern einen kleinen Raum in meiner Wohnung, den ich Bibliothek nennen kann. Auf einem samtbezogenen Ohrensessel werde ich da in Ruhe lesen und von Zeit zu Zeit zu dem schmalen Regalbrett aufblicken, auf dem meine eigenen Romane stehen. Und vielleicht werde ich ein niedliches Hausschwein haben, das vor mir auf dem Teppich liegt und schläft.


VV: Lisanne, vielen Dank für Deine Zeit und ich wünsche Dir viel Erfolg für die Endrunde!


LS: Danke!




Bullets (Wie aus der Pistole geschossen …)






VV: Leipzig oder Berlin?

LS: Leipzig! Wow, allein die Frage…


VV: Du wurdest entführt und in einen Keller gesperrt. Na sowas. Drei Bücher darfst du mitnehmen. Welche?


LS: Die Ken-Follett-Trilogie, die ich seit Ewigkeiten lesen will. Wenn ich fertig bin, kann ich mich mit dem schweren Schuber gegen den Entführer zur Wehr setzen.


VV: Eine Person, die du gerne mal kennenlernen wolltest? Darf auch schon tot sein …

LS: Goethe, Lindgren, Ende, Austen und Mercury. Ich bin sehr entscheidungsschwach.

VV: Dürfen Zombies auch schnell laufen können?

LS: Klar, und es sollte auch mal einen geben, der allergisch auf Gehirn reagiert.

VV: Warum?

LS: Das fände ich originell.

VV: Frühling oder Herbst?

LS: Herbst.

VV: Du darfst ein Horrorsetting real austesten. Welches wäre das und warum?

LS: American Horror Story: Coven. Hexen haben es mir schon immer angetan.

VV: Feste Schreibzeiten oder dann, wenn es passt?

LS: Ohne Routine versacke ich. Ich versuche, nach der Arbeit jeden Tag ein bisschen zu schreiben. Klappt natürlich nicht immer.

VV: Poe oder Lovecraft?

LS: Poe.

VV: Warum?

LS: Mit 13 hatte ich eine dunkel-romantische Phase. Okay, sie dauerte auch mit 16 noch an…

VV: Meine größte Macke ist …?

LS: Nach zwei Sekunden Tiervideo flenne ich wie ein Wasserfall.

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