Interview Erik Hauser
Vincent Preis: Lieber Erik, 2022 hat dein Roman „Das Erbe der Wölfe“ einen der vorderen Plätze beim Vincent Preis belegt, heuer ist deine Kurzgeschichte „Das Gesicht im Staub“ nominiert. Worum geht es in der Story?
Erik Hauser: Letztlich um einen Messie, der in seiner Wohnung so viel Kram anhäuft, dass er selber darunter verschwindet und ununterscheidbar von dem Müll um ihn herum ist. Da es sich um eine Geschichte im phantastischen Genre handelt, ist das Ganze wortwörtlich zu nehmen.
VP: Soziale Verwahrlosung und Messietum sind dort ein Thema.
Ist es dir ein Anliegen, Aufmerksamkeit für das Thema zu erregen oder allgemein
auf soziale Missstände hinzuweisen?
EH: Nein, ich möchte Geschichten schreiben, die unterhalten, und eine gewisse literarische Qualität haben, mein Anspruch ist nicht, die Welt zu verbessern oder den moralischen Zeigefinger zu heben. Das Sujet reizte mich wegen der phantastischen Möglichkeiten, die es bot: die Verwandlung eines Menschen in etwas anderes ist ja auch ein ureigener Topos der Horrorliteratur. Hubert, mein Protagonist, ist natürlich ein Außenseiter und zudem auch nicht sonderlich sympathisch. Seine Kumpel aus der Skatrunde, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, finden ihn absonderlich und skurril – jeder einzelne von ihnen hat aber auch seine Schrullen. Am Ende ist Hubert auch so etwas wie ein moderner Golem – aus Müll anstatt aus Erde.
VP: Auch wenn „Das Gesicht im Staub“ in eine tragische Richtung umschlägt, wohnt deinen Geschichten zwischen den Zeilen ein leiser, oft ironischer Humor inne. Wie passt das mit Phantastik zusammen? Gibt es Vorbilder, die dich dahingehend beeinflussen?#
Was die literarischen Vorbilder anbelangt, so habe ich als
Kind und vor einiger Zeit wieder neu Fletcher Pratt und Lyon Sprague de Camps
„Geschichten aus Gavagans Bar“ gelesen, wo sich eine ständig wiederkehrende
Gruppe von Gästen phantastische Geschichten in dem heimeligen Ambiente eines
typischen New Yorker Pubs erzählt. Kneipengeschichten dieser Art gehören zu
meinen Lieblingsgeschichten, auch die mehr der SF zuzurechnenden „Geschichten
aus dem Weißen Hirschen“ von Arthur C. Clarke. „Das Gesicht im Staub“ stellt
den waghalsigen Versuch dar, eine ähnliche Serie von „Kneipengeschichten“ im
Genre Urban Fantasy zu schreiben, die sich eben auch durch eine Mischung von
Erzähltem und Erlebtem, Humor und Horror auszeichnen. Ob mir das gelingt, steht
noch in den Sternen. Eine zweite Geschichte in der Art habe ich zwar angefangen,
bin aber in den Niederungen des Plots steckengeblieben.
VP: Gerade ist deine Novelle „Verhext, verzaubert – undverloren“ im Ashera Verlag erschienen. Was erwartet den Leser hier?
EH: Die Novelle ist insgesamt deutlich mehr mainstream und nicht so verschroben wie „Das Gesicht im Staub“. Auf der Heimfahrt von einer feucht-fröhlichen Party fährt Malte Friedrichs, Lektor in einem kleinen Horrorverlag, anscheinend eine Frau am Straßenrand an. Als er sie nach dem Unfall nach Hause bringt, stellt sich Stück für Stück heraus, dass die Frau ein Geheimnis hat – und mehr über ihn weiß, als ihm lieb ist. Im Laufe der Novelle muss er sein gesamtes bisheriges Leben in Frage stellen und gerät in den Strudel einer Auseinandersetzung zwischen zwei Frauen, der Unbekannten und seiner Verlobten. - So weit der Teaser. Mehrere Rezensenten, u.a. YvonneTunnat, Andreas Flögel und Frank Werneburg, haben bereits darauf hingewiesen, dass die Novelle mit unerwarteten Wendungen überrascht, weshalb ich auch hier nicht so viel spoilern möchte. Am besten man macht sich als Leser/in selbst ein Bild davon: für 2.99 als e-book zum Herunterladen erschienen, ist es ja wirklich ein Schnäppchen, oder? 😀 - In jedem Fall würde es mich interessieren, was Leser von dem Ende halten, das nochmal eine Volte um 180 Grad schlägt.
VP: Neben deiner Tätigkeit als Autor warst du als Ko-Herausgeber (neben Frank Rainer Scheck, + 2013) klassischer fantastischer Literatur aktiv („Berührungen der Nacht“, „Als ich tot war“). Gibt es derzeit weitere Projekte in diese Richtung?
EH: Der Tod von Frank Rainer Scheck hat eine große Lücke im
Bereich klassischer fantastischer Literatur hinterlassen, er war ein
überragender Kenner der Materie, der mit seinen Anthologien und kritischen Urteilen
sich große Verdienste erworben hat. Bis fast zu seinem überraschenden Tod habe
ich mit ihm als sein Ko-Herausgeber verschiedene Anthologien im Festa- und
Blitz-Verlag herausgebracht. Als er starb, hatte er gerade ein zweibändiges
Werk mit 'Kolonialphantastik' geplant, das nun vermutlich nicht mehr das Licht
der Welt erblicken wird. Ich selbst hatte mich schon vorher aus dem Projekt
zurückgezogen, weil ich mehr Zeit für mein eigenes Schreiben haben wollte. Eine
andere Anthologie mit 'satanischen' Geschichten unter dem Titel 666 war davor
allerdings schon so gut wie fertig: die Geschichten übersetzt, es fehlten nur
noch Vorwort und biographische Informationen. Ich hatte Kaegelmann
[Blitz-Verlag] versprochen, die Anthologie, auch in Erinnerung an FRS, fertigzustellen,
habe das Ganze jedoch aufgrund meiner Berufstätigkeit und der eigenen Schreibe
auf die lange Bank geschoben – wann und ob es tatsächlich einmal erscheint, ist
also ungewiss.
VP: Was können wir denn als Nächstes von dir erwarten? Ich habe von einem Science Fiction-Roman läuten hören.
EH: Wie? Wer hat das herausposaunt? Doch nicht etwa ich bei unserem letzten Treffen auf dem BuCon? - Ja, ich habe die verrückte Idee, einen SF-Roman in der Art der Honor-Harrington-Reihe oder Jack Campbells Lost Fleet zu schreiben. Mit Raumschiffen im Weltraum, die aufeinander schießen und allem, was dazugehört. Im Gegensatz zu Campbell und Weber soll der Schwerpunkt aber auf der Militärsatire liegen. In einer fernen Zukunft, in einer weit entfernten Galaxie finden sich Zustände wie in einer rückständigen Bananenrepublik auf Erden, wo nichts funktioniert und Bürokratie und Schlendrian fröhliche Urstände feiern. Beim ersten Schusswechsel beispielsweise stellt sich heraus, dass statt der modernen Supra-Ultra-Ionentorpedos Fässer mit bandoranischem Whiskey in der Waffenkammer eingelagert wurden. So ungefähr. - Also, ähnlich wie bei meinen Horrorgeschichten ein sehr ironischer Weltraumroman, der aber trotzdem – hoffentlich – auch spannend ist und sich auch ganz ernsthaft der Frage nach Krieg und Frieden widmet. Im Moment bin ich noch auf der Suche nach einem interessierten Verlag – und habe schon festgestellt, dass SF (aus Deutschland), zumindest bei Agenturen, nicht so angesagt ist.
VP: Vielen lieben Dank, Erik, für das Interview und ich
drücke die Daumen für die Preisverleihung!
EH: Ja, danke, lieber Elmar. - Wenn dieses Interview on-line geht, werden die Ergebnisse wohl schon bekannt sein. Ich bin stolz, es auf die Liste der Nominierten geschafft zu haben, und bedanke mich bei allen, die für mich gestimmt haben. Und natürlich bei allen, die den Vincent-Preis durch ihre unermüdliche Arbeit am Leben erhalten. Wenn ich mich jetzt auch noch nach Platz 5 (2011: „Odem des Todes“) und Platz 4 (2022: Das Erbe der Wölfe) auf Platz 3 vorgearbeitet hätte, wäre das schon ein Erfolg! :)
Mehr zum Autor unter: www.erik.hauser.de
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