Interview mit Harald A. Weissen
Vincent Preis: Lieber Harald, herzlichen Glückwunsch zur Nominierung Deines Debütromans BEGEGNUNG MIT SKINNER als Bester Roman 2010.
Harald A. Weissen: Besten Dank! Obwohl ich von der Qualität des Romans insofern überzeugt bin, als dass er etwas ist, das ich gerne selber lesen würde, kam die Nomination doch sehr überraschend.
VP: Würdest du uns zunächst etwas über dich verraten?
HW: Ich liebe das Abenteuer, Überraschungen und Entdeckungen! Und ich halte es für eine bedauerliche Tatsache, dass es auf der Landkarte keine weißen Flecken mehr gibt, die uns allen Rätsel aufgeben und die Fantasie anregen. Was auf der Erde noch zu erforschen ist, ist die Tiefsee, und wenn wir darüber erst mal alles wissen, bleibt uns nur noch der Kosmos. Der bietet aber glücklicherweise mehr als genug Raum für Träume, Fantastereien und Geschichten, und das entschädigt mehr als genug, für den Platzmangel auf unserer kleinen, blauen Kugel im Nichts. Diese Freude am Abenteuer erklärt wohl auch meinen Hunger nach Geschichten, und ob ich sie nun in Form von Texten, Filmen oder Comics verschlinge, spielt für mich keine besondere Rolle. Was zählt, ist der Inhalt. Weiterhin fühle ich mich noch immer wie ein 18 jähriger Bengel, der gerade die Welt entdeckt, obwohl ich unaufhaltsam auf die 40 zugehe – ein Empfinden, das ich hoffentlich auch mit 60 oder 80 noch genau so fühlen werde.
VP: Könntest du, für alle die dein Buch nicht kennen, kurz erzählen, um was es geht?
HW: Laika, eine junge traumatisierte Frau, macht sich gemeinsam mit ihrem Verstand, der sich als äußerst dünnes, grauhäutiges Wesen mit katzenähnlichem Kopf präsentiert, und Salvador Skinner, dem letzten Illusionisten, auf den Weg, um den legendären Kontrollraum zu finden. Aus diesem wird angeblich alles große in der Welt kontrolliert und bestimmt, und sollte die falsche Person – z.B. Laikas Kreativität, die ebenfalls als externalisiertes Wesen durch die Welt wandelt – in ihm sitzen und an den Reglern herumhantieren, dann könnte das ziemlich üble Konsequenzen mit sich bringen. Im Kern ist der Roman eine Geschichte über Selbstkontrolle, den Verlust der selbigen und das persönliche Glück, das letztendlich in unseren eigenen Händen liegt. Es braucht viel Mut und Kraft, sich den eigenen dunklen Geistern zu stellen.
VP: Laikas Suche nach ihrer Kreativität lässt unweigerlich Assoziationen an ALICE IM WUNDERLAND entstehen (an eine sehr düstere Version). Was hat dich tatsächlich zu der Geschichte inspiriert?
HW: Im Grunde genommen war das lediglich die Frage, wie ich eine traumatisierte Person darstellen könnte, ohne mit ermüdenden Klischees wie Ärzten, Psychiatern und dem ganzen Trara zu hantieren. Aus dieser Grundfrage schüttelte ich relativ schnell das erste Kapitel aus dem Ärmel, das mir dann den weiteren Weg vorgab – in etwa so, wie bei einer langen Kette aufgereihter Dominosteine, bei der der erste Stein angestupst und somit eine Folge von Ereignissen ins Rollen gebracht wird. Vorausgeplant habe ich nichts – das mache ich eigentlich nur selten. Der Vergleich mit ALICE IM WUNDERLAND fiel mir selbst erst auf, als in einer Rezension davon die Rede war – ein Vergleich, den ich übrigens hoch schätze!
VP: Gibt es Personen, die dich bei der Charakterisierung von Laika und Skinner (oder anderer Figuren aus dem Roman) beeinflusst haben.
HW: Bewusst gab ich eigentlich nur Laika das Aussehen einer sehr guten Freundin – mit ein paar kleinen Anpassungen an die Story, versteht sich. Ich bin aber überzeugt, dass im Grunde genommen jede Figur, die ein Autor in seinem Werk verwendet – sei es nun ein Mensch oder eine monströse Kreatur – ihr Aussehen und ihren Charakter in den persönlichen Erfahrungen, den Leidenschaften und im Umfeld ihres Schöpfers finden. Letztendlich können wir nur über das Schreiben, was wir kennen und mit dem wir uns beschäftigen – eine natürliche Grenze, die uns die Funktionsweise unseres Hirns leider vorgibt.
VP: Hast du dir Skinner so vorgestellt, wie er nun auf dem Buchcover zu sehen ist?
HW: Ja und nein ... Mark Freier hat mit seiner Interpretation Skinners Wesen, aber nicht ein tatsächliches Äußeres, porträtiert. Dabei weiß ich nicht, ob das ein bewusster Entscheid war oder einfach so geschehen ist, zumal Mark den Roman zum Zeitpunkt der ersten Grafikentwürfe noch gar nicht gelesen hatte. Die skizzenhaften Angaben, über die er verfügte, bekam er von mir – und da betonte ich Skinners geckenhaftes, aristokratisches Aussehen, das jedes Mädchenherz im Nu brechen kann. Allerdings erwähnte ich auch, dass er über eine dunkle und ungemütliche, geradezu grausame Seite verfügt.
VP: Dein nächster Roman, ES WAR EINMAL ..., ist bereits angekündigt; die Inhaltsangabe kling ähnlich skurril wie BEGEGNUNG MIT SKINNER. Worum geht es da?
HW: Allzu viel kann ich selbst noch nicht dazu sagen, weil ich (wie schon erwähnt) keine große Planung führe und der Story einfach ihren freien Lauf lasse. Was ich aber verraten kann ist folgendes: Joshua Bonapartes Leben wird gänzlich aufgerüttelt, als die Decke in seinem Schlafzimmer einstürzt, während er sich gerade körperlich ertüchtigt. Seine Liebesgespielin wird dabei ins Nirwana geschickt, und dafür sieht sich Joshua einem unnatürlich großen, faulenden, hasenähnlichen Ding gegenüber, das sich als guter Kumpel vom Ende der Zeit entpuppt. Hase – so der Name der hasenähnlichen Kreatur – wurde geschickt, damit der Träumer (Joshua) das natürliche Ende des Universums abwenden und neue Zeit erträumen kann. Dann gibt es aber auch noch Kräfte, die dagegen sind, dass am Lauf der Dinge herumgepfuscht wird, und daraus entpuppt sich ein blutiger Kampf um das Schicksal von überhaupt allem. Der Roman wird tatsächlich wieder sehr skurril werden, viel Blut wird fließen, und das ganze wird auch wieder den grimmigen Humor aufweisen, der schon in BEGEGNUNG MIT SKINNER zu finden ist.
VP: Wird es weitere Abenteuer mit Salvador Skinner, dem letzten Illusionisten, geben?
HW: Geplant habe ich nichts Konkretes, aber denkbar ist das auf jeden Fall. Der Kerl bietet mit seinem übermenschlich langen Leben ja auch mehr als genug Möglichkeiten für herrliche Abenteuer! Das will ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.
VP: Lieben Dank, Harald, für dieses Interview.
HW: Gern geschehen. Es hat Spaß gemacht!
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