Morgan D. Crow (Interview)

 


Michael Schmidt: Hallo Morgan, stell dich doch mal vor! Wer ist Morgan D. Crow?

 Morgan D. Crow: Wie ich höre wurde diese Frage auch auf Facebook, bei der Bastei-Abenteuerlust, schon gestellt. Dann mal ran! Ich bin ein britisch-deutscher, halbfiktionaler Autor im Bereich Horror und Phantastik. Im Klartext heißt das, dass ich unter anderem Namen auch noch andere Dinge tue, schon echt bin, aber anders. Zum Spiel gehört, dass das nie ganz beantwortet werden wird. Verraten darf aber werden, dass ich auch schon für Online-Magazine geschrieben habe (damals im Bereich Metal und elektronische Musik) und Gastspiele in einer Tageszeitung hatte, mich aber seit einigen Jahren komplett auf fiktionales Schreiben konzentriere.

 Michael Schmidt: Du bist mit Der Schrecken aus dem Meer für den Vincent Preis 2022 nominiert. Ein Gespenster Krimi! Herzlichen Glückwunsch!

Morgan D. Crow: Hey, ja! Das ist schon ein bisschen irre. Lustiger Weise habe ich gerade tags vor der Veröffentlichung der Liste noch zu Thomas (Williams – mein erklärter Lieblingskollege) gesagt, dass ich nicht real glaube, dass ich es auf die Shortlist schaffe. Man träumt ja viel, aber so ganz real vorstellen konnte ich mir das nicht. Ich freue mich natürlich sehr darüber. Es gibt für einen Autoren wenig besseres und schöneres, als zu sehen, dass die Geschichten die man strickt anscheinend einer ganzen Menge Menschen gut gefallen. Daraus kann man viel ziehen.

 Michael Schmidt: Dein erster Heftroman so weit ich weiß. Worum geht es in dem Roman?


Morgan D. Crow: Der Der Schrecken aus dem Meer  ist tatsächlich mein allererster Versuch einen Heftroman zu schreiben. Die Handlung kam mir komplett spontan in den Kopf, eigentlich eher eine alkoholfreie Schnapsidee; die dann aber anfing zu zünden. Alles dreht sich um Eliza, Lady Fitzgibbon, eine junge Adlige aus der (fiktiven) südenglischen Grafschaft Griefshire, ca. 1926. Am Strand vor ihrem Herrenhaus, Musgrave Hall, wird ein Blob-artiges Etwas angespült, das sich als äußerst lebendiges Seeungeheuer unbekannter Art entpuppt, welches mit Vorliebe Menschen verspeist. Aber auch ein paar Schafe sind durchaus drin. Eliza und ihr Jugendfreund, Professor Harker, machen sich daran, das Monster aufzuhalten. Wobei Harker (dessen Spezialgebiet magische Vorstellungen und Aberglaube sind) eher die Stimme der Vernunft ist, und Eliza diejenige, die zur Elefantenbüchse greift. Ich verrate wohl nicht zu viel, wenn ich sage, dass das Monster-Blobs am Ende besiegt wird. Im ganzen Heft sind popkulturelle Anspielungen und Eastereggs versteckt, die sich auf reale Personen und Ereignisse beziehen. Inspiration für das Monster in diesem Heft war das „Monster von St. Augustine“, das Harker an einer Stelle auch beschreibt.

Michael Schmidt: Wie kam es zur Veröffentlichung im Gespenster Krimi?

 Morgan D. Crow: Sheer dumb luck 😁 Nein, ernsthaft. Ich hatte, wie gesagt, ziemlich spontan diese fixe Idee von einem Heftroman. Also fing ich wieder an welche zu lesen (Oh, was eine Schatzsuche! Gibt es hier alles nicht mehr! Dazu unten mehr.), der erste war der Gespenster-Krimi Nr. 50, Philippe Pascal: „Der Schrecken aus dem Teufelsmoor“. Ich habe dann zunächst mit viel Schwung geschrieben, aber der Sache ging die Luft aus. Es lag nicht mal unbedingt an der Geschichte, mehr allgemein an der Belastbarkeit, Zeit, anderen Umständen... Ich hatte ehrlich schon den Finger an der Löschtaste. Aber irgendwie konnte ich es dann doch nicht, und entschied eine kleine Weile später, das Ganze mal Thomas zu zeigen. Damals stand so etwa die Hälfte, glaube ich. Er hat es gelesen, fand es gut, und das hat mich motiviert weiterzumachen. Als dann die ganze Geschichte stand und in Sack und Tüten war, habe ich nochmal an Thomas‘ digitale Tür geklopft. Sein Urteil war „Es würde mich sehr wundern, wenn sie es nicht nehmen“ – well... Das freute mich natürlich sehr, und nachdem ich das Skript an Britta Künkel geschickt hatte, kam sehr flink eine erste Antwort, dass ihr das Exposé sehr gefällt. Schon eine Woche später in etwa hatte ich die Zusage. Spätestens da fiel dann die Entscheidung, dass ich mehr mit den Figuren anfangen will.

Michael Schmidt: Mittlerweile ist ein zweiter Roman dort erschienen. Wie heißt der Roman und worum geht es?



 Morgan D. Crow: Der zweite Roman ist „Die Bestie von Baldoon“ (Gespenster-Krimi Nr. 111). Auch hier ist wieder reales, popkulturelles und mythologisches mit verwoben. Diese kleinen Bonbons sind fester Bestandteil des Konzepts geworden, und haben in diesem Heft auch das erste Mal ihre eigenen Sonderseiten bekommen. In der „Bestie“ geht es um einen Familienfluch, der auf dem Geschlecht derer von Berwick lastet. Auf der Geburtstagsparty von Lucy of Berwick, einer guten Freundin von Eliza, kommt es zu einem merkwürdigen Vorfall – und schließlich zum Mord. Die Tat ist der Auftakt zu einer Reihe von fatalen Anschlägen, die es offenbar auf Lucy abgesehen haben. Den Gruselfaktor bringt das legendäre „Beast of Baldoon“, dessen Auftauchen Gefahr ankündigt. Natürlich greifen Eliza und Harker erneut ein, und versuchen dem Mysterium auf die Spur zu kommen. Allerdings hat es mit dem Monster in dieser Episode dann doch etwas anderes auf sich als zunächst gedacht.

Michael Schmidt: Sind weitere Romane im Gespenster Krimi geplant?

Morgan D. Crow: Ich werfe mal gerade einen prüfenden Blick auf die lange Liste von Ideen... – Ja. Ein solides, etwas überspanntes „Ja!“. Wie das immer so ist: Wenn man einmal drin ist, fallen einem immer mehr Monster und Details ein, und schon hat man eine ganze Kuhhaut voller wirrer Notizen. Tatsächlich arbeite ich aktuell an Teil IV, zu Teil III trudelte erst dieser Tage der Vertrag ein. So viel darf man wohl ungestraft verraten. Die einzelnen Episoden werden aber alle auch als alleinstehende Geschichten funktionieren, es muss sich also niemand vor völlig unverständlichen Anspielungen fürchten.

Michael Schmidt: Schreibst du nur Heftromane oder gibt es noch andere Veröffentlichungen?

Morgan D. Crow: Ich schreibe auch Kurzgeschichten, wenn auch nicht so regelmäßig wie andere Kollegen allerlei Geschlechts. Da muss die Idee mich einfach packen, und dann geht es los. Vor ein paar Monaten kam mir plötzlich der Satz in den Kopf „Ich liege auf dem Bett und stelle mir vor dich zu töten“ – ja, da kann man ja wohl nicht anders, als zum Stift zu greifen. Eine Kurzgeschichte wird dieses Jahr noch in einer Anthologie erscheinen, eine andere möglicherweise. Das ist noch nicht ganz so sicher. Aber ich arbeite auch an einem recht umfangreichen mehrteiligen Roman. An dem bin ich an drei Tagen in der Woche dran, an meinen Heftromanen – die ich unter dem Seriennamen „Musgrave“ fasse – an zwei Tagen.

Michael Schmidt: Wie beurteilst du den Heftroman in der heutigen Zeit?

Morgan D. Crow: Uff! Tja. Hm. Ja. – Also: Es ist schwierig. Jetzt erzählt Vatti mal kurz von früher... Sicher werden viele Leser und Leserinnen da ähnliche Erinnerungen haben. Damals, als noch die guten Animes auf RTL II liefen und Tamagochi die Kinderzimmer beherrschten, da war der örtliche Zeitschriftenladen ein magischer Ort. Da gab es meterweise Heftromane aller Art, Stickerheftchen, Wundertüten... 

Man hat sofort den Duft in der Nase, wenn man nur daran denkt. Ich erinnere mich lebhaft, wie mein älterer Bruder damals die Hefte nachhause schleppte und stundenlang darin versank, und wie toll ich damals schon einige Cover fand, und das typische graue Papier. Nur das eine Cover von John Sinclair machte mir irrwitzig Angst 😁Eine Episode mit einem Werwolf. Das werde ich nie vergessen. Damals war das total normal, dass überall die Hefte auslagen. Heute ist die Situation schon eine ganz andere. Wenn man Glück hat, sieht man irgendwo im Supermarkt ein paar Arztromane und sündige Fürstinnen neben Mickey Mouse und der „Wendy“ liegen, aber dann ist auch oftmals schon Essig. 

Als ich wieder anfing mit den Heften, haben wir in unserer Poststelle eine Bestellung aufgegeben, um eins zu ergattern. Die Dame die den Laden führt musste erstmal erforschen, wie das vor sich geht. Sie konnte mit „Gespenster-Krimi“ erst gar nichts anfangen. Inzwischen kann ich mir meine Hefte (GK und die UFO-Akten – mehr schaffe ich einfach nicht) alle zwei Wochen abholen. Bückware, unter der Theke. Aber: Es hängen schon eine Weile auch immer 2-3 Exemplare im Gestell an der Wand. Ob das verfängt, oder ob sie letztlich einstauben und zurückgeschickt werden: Who knows. Nach dem wie ich es erlebe, und wie ich es auch von anderen höre, werden Heftromane immer weiter zum Phantom, dem man hinterhersteigen muss. Sie verschwinden stärker aus den Auslagen, viel mag sich auch auf E-Books verlagern... Ich finde das sehr schade. Heftromane sind viel gescholten, seit es sie gibt. Aber sie bringen auch etwas Tolles mit, nach dem – glaube ich – heute viele Menschen ein Bedürfnis haben. Ein paar Stunden unkomplizierte Unterhaltung, ein bisschen Grusel, ein bisschen Romanze; je nach Bedarf. Alltag aus, Kopfkino an. Vierundsechzig Seiten abtauchen. Keine gehobene Hirnakrobatik, sondern einfach das Klischee hochleben lassen. Das darf dann absurd und überzogen, abgründig und schräg sein, ganz nach Herzenslust. Heftromane haben ihre eigene Art etwas zu erzählen, ihren eigenen Charme. Ich würde mir wünschen, dass die Fangemeinde wieder wächst, die Hefte wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Michael Schmidt: Planst du auch bei anderen Serien wie ProfessorZamorra oder John Sinclair mitzuschreiben oder ist es schwer da reinzukommen?

 Morgan D. Crow: Wie es mit dem reinkommen ist, kann ich nicht sagen. Ich muss gestehen, dass ich seit laaaangem keinen Sinclair in der Hand hatte, und Zamorra noch nie gelesen habe. Neugierig bin ich schon sehr, aber zeitlich kriege ich es einfach nicht gepackt mehr als „meine“ beiden Serien zu lesen. Und auch da bin ich in Rückstand geraten. Man will es ja genießen, und nicht irgendwann nach Akkord abarbeiten. Und: Du musst halt die Serie gut kennen, wenn du da selbst kreativ werden möchtest. Sonst geht das gewaltig nach hinten los. Die Leserschaft merkt das ganz genau. Entsprechend: Nein, da ist nichts geplant. Ich bin mal gefragt worden, so über den digitalen Gartenzaun, nicht von Verlagsseite, ob ich mir was für die „UFO-Akten“ vorstellen könnte, aber im Moment sehe ich das nicht.



 Michael Schmidt: Was liest du selbst?

 Morgan D. Crow: Oh, quer Beet! Die beiden oben erwähnten Heftroman-Serien, bzw. Reihen. Und in Sachen Bücher so einiges. Das ist sehr unterschiedlich. Romane, Sachbücher, Magazine... Wenn ich mal grade einen Blick über meine Regale schweifen lasse, was haben wir denn da... Jüngst zum Beispiel ein Buch über Ernst Gennat, einen bekannten Kriminalisten aus der Weimarer Republik (Regina Stürickow), „Paranormal“ von Richard Wiseman, Agatha Christie all over the place, aber auch Klassiker wie „Der Graf von Monte Christo“. „Die Frau in Schwarz“ von Susan Hill hat mich voll erwischt, Blochs „Psycho“ ist unnachahmlich. Selbst wenn (!) man den Film bereits kennt. „Das Herz ist ein einsamer Jäger“ von Carson McCullers ist kein Horror, aber das einzige Buch, bei dem ich beim Lesen zusammengezuckt bin.

Michael Schmidt: Wie beurteilst du die deutschsprachige Horrorszene?

 Morgan D. Crow: Uff – again. Nun, dazu kann ich eigentlich nicht wahnsinnig viel sagen. Zum einen arbeite ich gerade erst wieder daran, tiefer in das Thema einzusteigen, meine Ecke zu finden, zum anderen war ich halt auch noch nie ein Szene-Kind. Ich bin immer so am Rande herumgeschippert. Allgemein zu Horror und deutschsprachigem Horror kann ich fast das Gleiche sagen, wie zu Heftromanen. Ich würde mir wünschen, dass es mehr Aufmerksamkeit gibt, dass das Ganze so ein bisserl aus seiner Nische herauskommt. Sicher ist es nett, wenn man eine überschaubare, eingeschworene Gemeinde hat; aber es wäre den Schaffenden und den Geschichten zu wünschen, dass der Sargdeckel aufspringt, und man häufiger außerhalb desselben auf das Genre stößt.

Michael Schmidt: Noch ein Wort an die Leute dort draußen!

 Morgan D. Crow: Oje. Jetzt was Kluges. Oje. Here we go! - Zum einen, so ganz allgemein gesprochen: Es ist ne wilde Zeit, passt auf euch auf. So ganz ohne Mist und Zwinker. Habt ein Auge auf euch und eure Menschen – und zieht, so irgend möglich, die Bremse an, wenn ihr merkt, dass es euch nicht gut geht.  Zum zweiten: Kaufen Sie mein Buch.

 

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