Interview mit Sonja Rüther
Stell dir einen schlichten,
schwarzen Raum vor, zwei sich gegenüberstehende blutrote Kanapees, einen
schlichten, weiß lackierten Tisch, eine weiße Vase mit einer schwarzen Dahlie.
Im Hintergrund hören wir Tom Petty– Wildflowers
SR: Gern ein Glas Rotwein. Danke. Ein bisschen Klischee muss sein, aber
tatsächlich trinke ich trockenen Rotwein sehr gern. Folglich auch meine Figuren
in den Romanen, die darüber sicher in einer außerplanmäßigen Sitzung ihrer
Selbsthilfegruppe noch reden werden.
VV: Wie ist dazu die Idee gekommen, eine Geschichte in der Kultur der native
americans anzusiedeln?
SR: Es muss 2012 gewesen sein, als Konrad Hollenstein auf mich zukam und mich fragte, ob ich nicht Lust hätte einen Roman zu einer seiner Ideen zu schreiben: Kolumbus hat von den Ureinwohnern auf den Sack bekommen, die Bevölkerung hat sich ohne den Einfluss von Invasoren entwickelt und das Ganze spielt in der heutigen Zeit als Fantasy-CSI-Crossover. Ich bin ihm heute noch dafür dankbar, dass er mir die Grundidee überlassen hat, weil daraus die Geistkrieger-Romane geworden sind. Es hat mir großen Spaß gemacht, mir diese Welt, die Figuren und die Handlung auszudenken. Besonders Finnley ist mir sehr ans Herz gewachsen.
VV: Letztlich sind die Horroranteile in der Erzählung recht hoch. Kannst du
nicht anders oder war das so geplant? Du siehst, dass ich etwas grinsen muss …
SR: Ehrlich gesagt, plane ich niemals einen Roman. Es passiert, was beim
Schreiben passiert. Verrate es nicht meinen Figuren, aber es war mir schon eine
diebische Freude, in dieser wunderschönen, nahezu heilen Welt, Leute von
unsichtbaren Mächten zerfetzen zu lassen. Außerdem liebe ich neben Splatter
auch subtilen Horror. Zum Beispiel das Gefühl einer krabbelnden Spinne auf der
Haut, die man nicht wegwischen kann, weil da nichts ist.
VV: Markus Heitz hat eine Novelle in deiner Welt angesiedelt. Gefällt mir
ebenfalls sehr. Wie kam es zu dieser Kooperation?
SR: Markus und ich kennen uns schon über 20 Jahre und haben bereits eine Menge
Textarbeit zusammen gemacht. Als ich ihm damals Geistkrieger zeigte, war er
begeistert und meinte, das würde sein Kreativzentrum direkt anwerfen, und er hätte
große Lust in dieser Welt etwas in Japan anzusiedeln. Es hat mich sehr gefreut,
dass er das dann später mit den beiden Kurzgeschichten auch umgesetzt hat. Schade
war, dass manche Leute das für einen Marketingtrick hielten und direkt in den
Rezensionen verrissen haben. Fürs Marketing hätte auch ein schickes Zitat
gereicht, dafür muss man keine ganze Novelle schreiben. Mir haben beide
Geschichten sehr gefallen und im dritten Teil führen die Fäden dann zusammen.
VV: Ich finde das Setting total spannend. Für mich ist ein absolut gelungenes
Crossover aus Shadowrun, Geistererzählungen und einem andersartigen kulturellen
Hintergrund. Das funktioniert irre gut. Planst du dahingehend noch einmal etwas
zu schreiben?
SR: Definitiv. Der dritte Teil ist gerade in Arbeit und wird hoffentlich noch in diesem Jahr erscheinen. Das Gute an dieser Welt ist, dass man immer wieder neue Geschichten dort ansiedeln kann. Und bei dem, was ich vorhabe, steigen die Möglichkeiten sogar noch. Mehr kann ich an dieser Stelle noch nicht verraten. Es gibt übrigens auch einen Shadowrun- und einen Splittermond-Roman von mir. Ich habe sozusagen in die RPG-Szene eingeheiratet, als ich damals meinem Mann das Ja-Wort gegeben habe, und es macht großen Spaß, sich auch erzählerisch in diesen Welten zu bewegen.
Mit den Anthologien habe ich mir
selbst eine große Freude gemacht, weil ich mit Kolleginnen und Kollegen
zusammenarbeiten konnte, die ich sehr schätze. Es gab nur die Vorgabe „Horror“,
was sie schreiben, war mir egal. Und so vielfältig sind die AUS DUNKLEN FEDERN
Bände dann auch geworden. An dieser Stelle sei erwähnt, dass du, lieber
Vincent, mich am meisten mit deinen Geschichten verstört hast. Nie wieder
schöne Rapsfelder sehen, ohne ein Frösteln im Nacken.
VV: Du hast auch ein
Zeichentalent. Du hast Bücher verlost, in denen du mit kleinen Zombieskizzen.
Was magst du an Zombies? Du schreibst ja gelegentlich auch
Zombiekurzgeschichten.
SR: Manche behaupten, ich hätte die Anthologien nur ins Leben gerufen, um meine Zombies hineinzeichnen zu können. Wer weiß, vielleicht ist es so gewesen … Ich denke, die Psychologie dahinter fasziniert mich. Diese Angst, geliebte Menschen könnten von Fremden beeinflusst werden, sich komplett verändern und gegen einen wenden. Gut möglich, dass ich da zu viel hineininterpretiere, jedenfalls haben Zombies für mich alles, was mich begeistert: Sie sind ekelhaft, stumpf, super bedrohlich und klar begreiflich – oh, und nicht real, ohne so richtig phantastisch zu sein … ergibt das Sinn? Ich meine, man hält es schon irgendwie für möglich, dass sowas passieren könnte, aber nicht für wahrscheinlich. Nach den letzten drei Corona-Jahren kann man nur sagen: Möge es niemals ein Zombievirus geben, sonst wären wir nach drei Monaten ausgerottet.
VV: Was genau verbindet dich
eigentlich mit dem Horror? Wie ist es dazu gekommen?
VV: Wie ist dein Eindruck in der Verlagsszene, öffnen sich die Publikumsverlage dem Genre? Oder eher nicht?
SR: Derzeit
habe ich das Gefühl, dass sämtliche Publikumsverlage eher dichtmachen und in
keinem Genre mehr experimentierfreudig sind. Zu den geschlossenen Buchläden kam
die Papierknappheit. Das hat der Vielfalt nicht gutgetan. Man kann nur hoffen,
dass die Leserschaft das Engagement und den Mut von Kleinverlagen und
Selfpublishern mit mehr Aufmerksamkeit und Käufen belohnt. Deswegen ist die
Mund-zu-Mund-Propaganda so wichtig. Gern auch in Form von Rezensionen.
Und als
special Feature haben wir jedes Mal unser Maskottchen am Start – Vincentus
Vossus. Ohne ihn wäre es nicht dasselbe.
VV: Ich freue mich schon sehr! Okay. Du schreibst in verschiedenen Genres, oder? Erzähl mal, in welchen
und was das mit dir macht. Wechselt du dann immer deine
Autorinnenpersönlichkeit?
SR: Ich sehe das wie bei SchauspielerInnen und MusikerInnen. Wenn mir die
Arbeit von jemandem gefällt, verfolge ich, was die Person noch so macht. Ich
denke, meine Persönlichkeit bleibt immer gleich, aber ich liebe es, Genres mit
meinen eigenen Interpretationen zu bedienen. Ich schreibe Horror, Phantastik,
Liebesromane, Thriller und Erotik (Poppy Lamour). Die Gemeinsamkeit der Romane
ist meine Vorliebe für figurenlastige Erzählungen. Das heißt, mein Fokus liegt
immer auf der Tiefe der Konflikte, der Entwicklung der Figuren und einer
gewissen Authentizität. Das Genre bietet den Rahmen dafür, was ich äußerst
reizvoll finde. Wenn eine Geschichte es hergibt, kann es richtig brutal oder
ekelig werden, dafür wird der Sex in allen Genres, die nicht Erotik sind,
sozusagen rechtzeitig ausgeblendet. In den erotischen Liebesromanen geht es
dafür sehr detailreich zur Sache, aber eben nicht plakativ. Ich bringe in jedes
Genre gern Themen ein, über die man nachdenken kann, aber nicht muss. Außerdem
habe ich ADHS und könnte es nicht ertragen, immer das gleiche Genre zu
bedienen. In meinem Kopf ist echt eine Menge los.
VV: Ich habe das zumindest beim Horror. Wenn ich richtig tief drinnen bin, dann
gruseln mich die kleinsten Dinge. Was können wir in Zukunft von dir erwarten?
An was schreibst du gerade?
Geistkrieger III steht ganz weit
oben auf der Liste, bei Weltbild wird Ende des Jahres ein Thriller erscheinen,
fig – Hochzeitsglocken (4) geht demnächst ins Lektorat und es könnte eventuell
sein, dass mich Yanis und Pierres Vorgeschichte so überfallen hat, dass ich
binnen einer Woche 250.000 Zeichen geschrieben habe, obwohl ich was ganz
anderes vorhatte.
VV: Sonne, vielen Dank, dass du da warst!
Bullets (Wie aus der Pistole geschossen …)
VV: Berge oder Meer?
SR: Meer.
VV: Wenn du könntest, wie alt wärst du gerne?
SR: 30 mit dem Wissen von heute.
VV: Warum?
SR: Weil ich langsam den Dreh raushabe.
VV: Katze oder Hund?
SR: Wir haben Wolfspitze, weil hier ein Katzenallergiker wohnt. Ich liebe Hunde
und Katzen, also, warum oder?
VV: Dein Lieblingsspruch á la Was du heute kannst besorgen …?
SR: Erfolg hat der, der’s macht.
VV: Und welchen magst du gar nicht?
SR: Ein alter Hund lernt keine neuen Tricks.
VV: Dein schönstes Erlebnis als Schriftstellerin?
SR: Eine Leserin, die mir erzählte, mein Roman habe ihr Leben verändert.
VV: Was kannst du nicht essen?
SR: Ich hasse den Geruch von Trüffeln (Nicht aus Schokolade).
VV: Und was besonders gerne?
VV: Eine Stadt, die du noch einmal sehen willst?
SR: Paris.
VV: Vielen Dank!
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