Daniel Schenkel: Der gelbe Traum

Das Theaterstück war vermutlich niemals aufgeführt worden. Angeblich lag sein Ursprung im Frankreich Napoleons III., aber die mehr als spärliche Sekundärliteratur ließ Dirk darauf schließen, dass Le Roi en Jaune die Übersetzung eines nichtfranzösischen, wesentlich älteren Textes war.
Im damaligen Frankreich stand allein auf den Besitz des Manuskriptes die Todesstrafe. Ein geheimes Dekret des Königs befahl, die Delinquenten kurz nach der Verhaftung umgehend zu guillotinieren, möglichst noch am gleichen Tag. Die Leichen waren zu verbrennen und die Asche auf Feldern oder Straßen zu verstreuen, das Manuskript sollte ebenfalls verbrannt werden.
Erstaunlicherweise waren trotzdem einige Exemplare erhalten geblieben und hatten ihren Weg in die spezialisierten Antiquariate der Neuzeit gefunden. Bei der Sichtung der vergilbten Seiten hatte Dirk sich die harsche Reaktion des Königs nicht erklären können. Le Roi en Jaune enthielt keine auch noch so versteckte Kritik an der Regierung, weiter gab es auch keine Obszönitäten oder Hinweise auf zeitgenössische Skandale. (….

Carcosa, Hali, die drei Monde über den Wassern … Daniel Schenkels Verbeugung vor Robert W. Chambers‘ „Der König in Gelb“kann nicht geleugnet werden. In seiner experimentellen Erzählung „Der gelbe Traum“ greift der Autor selbstbewusst Elemente des literarischen Vorbilds auf und verarbeitet sie in einem Verwirrspiel von der Intensität eines David Lynch-Films, das den Leser anfangs ratlos dastehen lässt, ihn dann aber unweigerlich in seinen Bann zieht.

Lang lebe der König!
 
Links:

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die Nominierungsliste des Vincent Preis und Rein A. Zondergeldpreis 2023

Vincent Preis und Rein A. Zondergeld Preis 2023

Anthologien/Storysammlungen/Magazine 2011