Julia Annina Jorges zum Gewinn des Vincent Preis 2024

 


Michael Schmidt: Hallo Julia, herzlichen Glückwunsch zum Doppelsieg beim Vincent Preis 2024!

Julia A. Jorges: Vielen Dank für die Glückwünsche, Michael. Ich freue mich, dir einmal mehr Rede und Antwort stehen zu dürfen!

Michael Schmidt: Ich habe nachgeschaut. Einmal bei den Romanen und zweimal bei den Kurzgeschichten warst du nominiert, hast dabei zwei 2. Plätze erreicht. Mit Nominierung 4+5 den Doppelsieg eingeheimst. Was überwiegt? Die Freude oder Erleichterung?

Julia A. Jorges: Definitiv die Freude. Bei einer Doppel-Nominierung steigt statistisch zwar die Wahrscheinlichkeit, es aufs Siegertreppchen zu schaffen, und als Nominierter hofft man natürlich insgeheim, dass es irgendwann für Platz 1 reicht, aber damit gerechnet habe ich nicht. Mich hat jede Nominierung und jede Platzierung riesig gefreut, so auch die beiden 3. Plätze bei den Storysammlungen und Kurzgeschichten 2018 und 23, die gab es ja auch noch. Diese Auszeichnungen bedeuten mir sehr viel! Sie bestärken mich darin, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, auch wenn es mal nicht so gut läuft.



Michael Schmidt: Was hat der Siegerroman Hochmoor, was Glutsommer nicht hat?

Julia A. Jorges: Zunächst mal die klare Zugehörigkeit zu einem Genre, ersichtlich schon daraus, dass er in der Blitz-Reihe „H. P. Lovecrafts Schriften des Grauens“ erschien. Das ist sicherlich ein Vorteil, weil viele Leserinnen und Leser es vorziehen, zu wissen, was sie genremäßig erwartet. Glutsommer hingegen ist ein Mystery-Thriller, der aber einige Horror- und Fantasy-Elemente aufweist. Ich lese solche Hybriden ganz gerne, kann aber verstehen, dass Genremischungen nicht jeden gleichermaßen ansprechen und finde es daher nur logisch, dass die Resonanz bei Hochmoor höher ist als bei Glutsommer. Hinzu kommt die schreibtechnische Weiterentwicklung, die man als Autor mit jedem Werk durchläuft, resultierend aus Erfahrung, Selbst- und Fremdkritik. Aus den Rückmeldungen zu Hochmoor konnte ich ebenfalls bereits wertvolle Erkenntnisse ziehen, und ich möchte die Gelegenheit ergreifen, mich für Lob und konstruktive Kritik zu bedanken! Vielleicht spielt in den größeren Erfolg von Hochmoor mit hinein, dass seine Thematik sich hundertprozentig mit meinen literarischen Vorlieben deckt und man ihm die Begeisterung anmerkt. Hochmoor ist nicht ohne Grund Wilum „Hopfrog“ Pugmire (1951-2019) gewidmet, dessen Art, Lovecraft zu interpretieren und umzudeuten mich schon beim ersten Lesen schwer beeindruckte, woran sich bis heute nichts geändert hat.   

Michael Schmidt: Du arbeitest an Hochmoor 2. Wann erscheint der Roman?

Julia A. Jorges: Geplant ist Herbst ’25.


Michael Schmidt: Bei den Kurzgeschichten hast du viele in Zwielicht veröffentlicht. Die erste in Zwielicht 9, die erste nominierte war in Zwielicht Classic 12. Wie würdest du deine Entwicklung bei den Kurzgeschichten sehen und wundert es dich, dass gerade „Zwischen zwölf und Mittag“ gewonnen hat oder ist das folgerichtig?

Julia A. Jorges: Im Bereich Kurzgeschichten habe ich inhaltlich und stilistisch viel experimentiert und bin dir und Achim sehr dankbar, dass ihr mir in Zwielicht den Raum dafür gegeben habt. „Zwischen zwölf und Mittag“ hat bereits kurz nach Veröffentlichung einige höchst positive Rückmeldungen erhalten, von daher hat mich die Nominierung nicht so sehr verwundert, die Wahl auf Platz 1 war dann aber doch überraschend. Ganz zu Beginn hatte ich allerdings Zweifel, ob die Story überzeugt, weil sie sehr unspektakulär daherkommt – vielleicht erinnerst du dich, dass ich dir etwas Ähnliches schrieb, als ich sie für Zwielicht einreichte. Ich halte sie insgesamt für recht gelungen, auch wenn sie nicht mein persönlicher Favorit ist. Den Platz nimmt eine Kurzgeschichte ein, die es nicht auf die Nominierungsliste schaffte, nämlich „Diese verfluchten kleinen Dinge“ aus Zwielicht 12. Außerdem eine Lovecraft-Story, die vor Jahren im Verlag Torsten Low in der Anthologie Verbotene Bücher erschien. Einiges daraus greife ich in einem der kommenden Hochmoor-Bände wieder auf, wahrscheinlich in Teil 3.  


Michael Schmidt: Welche Ziele hast du als Autorin, jetzt, wo du schon eine erkleckliche Anzahl an Kurzgeschichten und Romanen veröffentlicht hast?

Julia A. Jorges: Reich und berühmt werden? (lacht) Dafür ist die Phantastik, insbesondere im deutschsprachigen Raum, das falsche Genre. Aber ernsthaft: Im Großen und Ganzen werde ich einfach weitermachen wie bisher, sprich alle ein bis zwei Jahre einen Roman und zwischendurch die eine oder andere kurze Story veröffentlichen. Letztere gern in Zwielicht. An Ideen mangelt es nicht, aber momentan steht die Fortsetzung von Hochmoor an erster Stelle, Material habe ich für mindestens zwei weitere Teile. Ein paar andere Schreibprojekte spuken mir noch im Kopf herum, und ich hoffe sehr, ich finde irgendwann die Zeit, sie umzusetzen. Der Schwerpunkt wird aber weiterhin auf dunkler Phantastik und übernatürlichem Horror liegen. 

Michael Schmidt: Jetzt war ich so in Fahrt, das ist ja nicht das erste Interview, das letzte ist vom April 2024. Vielleicht sagst du trotzdem noch mal was zu deiner Person, deiner aktuellen Situation und deinen Wünschen als Autor und Leser!

Julia A. Jorges: Mein Leben ist unspektakulär. Ich habe Familie, brauche aber auch viel Zeit für mich allein. Soll heißen, ich verbringe meine freien Stunden am Schreibtisch oder mit einem Buch auf dem Sofa statt mit geselligen Aktivitäten, Urlauben etc. Auch aus Facebook und Co. bin ich mittlerweile weitgehend raus, was sich als ungemein nervenschonend erweist. In dem von dir erwähnten Interview beschreibe ich meinen Bezug zur unheimlichen Phantastik, H. P. Lovecraft und dessen Einfluss auf mein Schreiben; wer mehr zu mir erfahren möchte, kann dort oder auf meiner Website nachlesen. Körperlicher Ausgleich zu Kopfarbeit und Sitzen ist mir sehr wichtig, ich laufe mehrmals pro Woche, schwimme und mache Krafttraining. Was die Wünsche angeht – puh, gar nicht so leicht. Sowohl aus Autoren- als auch aus Lesersicht würde ich es begrüßen, wenn mehr gute und anspruchsvolle Phantastik (recht subjektiv, ich weiß) einen Weg in die größeren Verlage und somit die Buchhandlungen und Hände potenzieller Leserinnen und Leser fände. Bei meinen Lesungen stelle ich regelmäßig fest, dass sich der literarische Horizont vieler Zuhörer auf Krimis, Thriller und ein bisschen Fantasy beschränkt. Das finde ich schade.   

Michael Schmidt: Noch ein letztes Wort an die Horrorgemeinde!

Julia A. Jorges: Bleibt unserem Genre gewogen, es gibt kein ehrlicheres und besseres!

 

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