Constantin Dupien (Interview)
Michael Schmidt: Hallo Constantin, die meisten aus der Szene kennen dich schon, aber stell dich doch bitte trotzdem mal vor!
Constantin Dupien: Hallo Michael,
vielen Dank für die Einladung. Für die Vorstellung mache ich’s so kurz wie
möglich:
Ich bin Autor und Herausgeber mit
Home Base in Leipzig. Meine Veröffentlichungen bezeichne ich selbst gern als dunkle
Bücher. Dabei geht es gar nicht so sehr um eine Genrezuordnung. Mich
beschäftigen vor allem menschliche Abgründe die Dunkelheit. Lesetechnisch bin
ich etwas breiter aufgestellt. Mein Lieblingsautor ist Georges Simenon, ich
liebe seinen Blick auf die Gesellschaft und die großen Geschichten von kleinen
Leuten. Klassische Detektivgeschichten mag ich, und vor etwa einem Jahr habe
ich New Adult für mich entdeckt.
Michael Schmidt: Auf dem Bucon
hast du einen beeindruckenden Auftritt beim PAN Poetry Slam hingelegt und
Gedichte vorgetragen. Wie war generell die Erfahrung dieses Events? Der PAN
Poetry Slam hatte ja seine Premiere dort!
Constantin Dupien: Vielen Dank für die netten Worte. Na ja, als beeindruckend empfand ich vor allem die Auftritte meiner sieben Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Teresa Teske zum Beispiel, die den Slam am Ende auch gewonnen hat, präsentierte eine fünfminütige phantastische Ballade – vollkommen frei vorgetragen. Oder Axel Aldenhoven, der tiefe Einblicke in seine eigene Seele geboten hat. Ich hatte danach echt Gänsehaut!
Der Phantastik Slam powered by PAN war insgesamt ein wunderbares und herrlich unkompliziertes Event. Keine große Technik, lockere Moderation durch PAN-Vorstandsmitglied Stefan Cernohuby und die für Slams typische Abstimmung über die Lautstärke des Beifalls.
Ich habe nicht gezählt, aber gefühlt befanden sich 60–70 Leute im großen Lichtsaal. So ein großes Publikum, das sich allen Teilnehmenden gegenüber extrem wertschätzend verhalten hat, bekommt man nicht alle Tage.
Während die anderen Slammerinnen
und Slammer auf zusammenhängende Texte setzten, hatte ich mir vier Gedichte rausgepickt,
eines hatte ich extra für den Auftritt geschrieben.
In Summe vielleicht nicht die
beste Entscheidung, da durch die ständigen Wechsel kein guter Fluss entstanden
ist und die Zuschauenden sich immer wieder neu eindenken mussten.
Ich hatte trotzdem super viel Spaß und habe die Auftritte der anderen ebenso sehr genossen wie meinen. Für die Gewinnerin gab es einen Wanderpokal. Ich hoffe also, dass der Slam in den nächsten Jahren Bestand hat.
Michael Schmidt: Du bist Autor
und Herausgeber. Deine Mängelexemplare hatten damals voll eingeschlagen,
gewannen dreimal in Folge den Vincent Preis und nach längerer Pause erschien im
Oktober 2023? ein Doppelband. Wird die Reihe fortgesetzt?
Constantin Dupien: Die kultigen Vincent-Preis-Urkunden stehen gerahmt auf meinen Bücherregalen. Die Auszeichnungen bedeuten mir viel.
Insgesamt wurde die Reihe sogar noch
öfter ausgezeichnet. Torsten Scheibs Roman Mängelexemplare: Götterschlacht
wurde 2017 als bester Roman prämiert, die erste Ausgabe der Anthologiereihe
belegte den 2013 den 3. Platz bei den Kurzgeschichtensammlungen. Xander Morus‘ Beitrag
aus Dystopia belegte 2014 den 2. Platz in dieser Kategorie. Und nicht zuletzt
wurden die Cover von Timo Kümmels Cover ebenfalls mehrfach ausgezeichnet. Das
ist in Summe ziemlich cool!
2023 veröffentlichte der Amrûn
Verlag die Konzept-Anthologie-Dilogie (oh je …) Mängelexemplare V, bestehend
aus den miteinander verknüpften Bänden Hinter den Fenstern und Am
Ende der Zeit.
Dieses Projekt war unglaublich
komplex und als Anthologie-Dilogie auch sehr experimentell in einem ohnehin
schon extrem nischigen Segment.
Ich liebe die Bücher sehr, die
Autorinnen und Autoren haben da ganze Arbeit geleistet und tolle Erzählungen
beigesteuert. Co-Herausgeber Stefan Cernohuby und ich haben einen Metaplot
entwickelt, der die Bücher und teilweise auch einzelne Geschichten miteinander
verbindet.
Ich habe insgesamt zwei Jahre an der Umsetzung gearbeitet. Vielleicht stecken da am Ende zu viele Ideen drin, denn verkauft haben sich die Bücher leider schlecht.
Jürgen (der Verleger des Amrûn
Verlags) und ich hatten das im Vorfeld schon geahnt und befürchtet, aber wir
hatten beide Bock, die Mängelexemplare nach sechs Jahren Pause zurückzuholen
und qualitativ auf ein neues Level zu heben. Ich denke nach wie vor, dass uns
dies gelungen ist. Für das Vertrauen des Verlags bin ich auf alle Zeit dankbar.
Trotzdem wird es in naher Zukunft
keine weitere Ausgabe geben.
Michael Schmidt: Wie würdest du die Reihe beschreiben und welche Geschichten waren dein persönliches Highlight?
Constantin Dupien: Die Welt der Mängelexemplare ist bunt und düster zugleich. Im Kern sind es Horrorbücher, die sich je nach Ausgabe in verschiedene Richtungen ausprägen und mit anderen Genres bzw. Subgenres verschmelzen.
Neben der Themenbezogenheit ist es
mir immer ein Anliegen gewesen, sowohl junge Schreibende ins Boot zu holen als
auch unterschiedlichsten Stimmen ein Sprachrohr zur Verfügung zu stellen.
So stehen zum Teil
Debütveröffentlichungen neben den Geschichten von arrivierten Autorinnen und
Autoren wie Markus K. Korb oder Sonja Rüther.
In der Anthologie-Dilogie Mängelexemplare
V habe ich auf eine Parität von männlichen und weiblichen Schreibenden
geachtet. Außerdem gibt es in Hinter den Fenstern queere Beiträge (own
voice), die das Spektrum der Mängelexemplare unglaublich erweitert haben.
Eine Auswahl der bei den Fans beliebtesten Geschichten gibt es im 10-Jahre-Jubiläumsband Mängelexemplare: Das Familienvermächtnis, der im Dezember 2023 erschienen ist. Darin enthalten sind auch meine persönlichen Highlights und sogar einige neue Geschichten, z. B. von Sanjina Karma. Ich halte sie für eine Autorin, von der wir in Zukunft noch so einiges hören werden.
Bei Liza Grimm und Lisanne Surborg
hatte ich vor über zehn Jahren den richtigen Riecher. Beide Autorinnen waren in
den frühen Ausgaben vertreten, mittlerweile veröffentlichen sie ihre Bücher im
Großverlag, also in ganz anderen Sphären. Ich freue mich unglaublich für den
Erfolg der beiden.
Michael Schmidt: Du bist Autor und hast dieses Jahr mit „Das Vermächtnis des schwarzen Katers“ eine Novelle am Start. Da es keine Novellenkategorie gibt, wird es bei den Kurzgeschichten aufgelistet und ist dort wählbar. Worum geht es in der Geschichte?
Constantin Dupien: DieKaternovelle (vielen Dank an meine Lektorin Lilly für diese auf mehreren Ebenen
sehr treffende Bezeichnung!) atmet natürlich die Luft der Kurzgeschichte
"The Black Cat" von Edgar Allan Poe. In fünf Akten entwickelt sich
daraus jedoch eine ganz eigenständige Erzählung.
Der schwarze Kater Pluto sieht mit seinem blau funkelnden Auge mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Er schaut in das Innere seiner Herrchen und Frauchen, wo er auf dunkle Geheimnisse und tief Verborgenes stößt. Diese Dunkelheit fördert er zutage und hält den Menschen den Spiegel vor.
Michael Schmidt: Du hattest
auch ein Band mit phantastischen Gedichten veröffentlicht. Wo findet man den
und wie kam es zu der Idee? Gedichte sind ja nicht gerade die potenziellen
Bestseller!
Constantin Dupien: Richtig, ich
habe Anfang dieses Jahres einen Gedichtband mit dem Titel Flammenmeer im
Dunkelmodus via Story.One veröffentlicht. Zu kaufen gibt es das Buch via
Thalia und Amazon – oder direkt bei mir als signiertes Hardcover.
In dem Buch sind größtenteils Texte, die ich in schlaflosen Nächsten am Handy geschrieben habe – im Dunkelmodus, damit meine Frau schlafen kann. Daher auch der Buchtitel.
Die Gedichte sind nicht durchweg
phantastisch, aber stets düster und emotional.
Es gibt autobiographische Elemente, zum größten Teil aber verarbeite ich in den Gedichten die Leiden und Sorgen meiner Charaktere.
Ich finde Charakterbögen ultimativ
langweilig und trivial, deshalb schreibe ich Gedichte aus der Perspektive
meiner Protagonistinnen und Protagonisten, um mich in deren Gefühlswelt
hineinzuversetzen.
Michael Schmidt: An welchen Werken arbeitest du gerade?
Constantin Dupien: Ich schreibe aktuell an meinem nächsten Roman und liege in den aller letzten Zügen. Wenn alles glatt geht, erscheint die Endzeitgeschichte zur Leipziger Buchmesse im März 2023. An dem Projekt arbeite ich übrigens seit 2016 mit teilweise mehrjährigen Unterbrechungen.
Michael Schmidt: Und welche Veröffentlichungen sind geplant?
Constantin Dupien: Wahrscheinlich im November 2024 erscheint eine Neuveröffentlichung meiner Spuk-Novelle Der Spuk auf Lakewood Manor im Schund Verlag. Darauf freue ich mich sehr, das Feedback auf die erste, streng limitierte handmade-Auflage im KOVD Verlag fiel positiv aus.
Ansonsten ist nach dem Roman vor
dem Roman. Als nächstes Projekt starte ich entweder eine klassische
Horror-Geschichte oder eine Romantic Ghost Story.
Michael Schmidt: Ein Blick zurück. Du hast schon längere Geschichten veröffentlicht, z.B. zusammen mit Vincent Voss. Welche sind das?
Constantin Dupien: Vincent hat 2013 Gedankensplitter zu meiner Storysammlung in Blut und Liebe beigetragen. Außerdem ist er in fast allen Mängelexemplare-Büchern mit seinen großartigen Kurzgeschichten vertreten.
Ich liebe die authentische und
nahbare Erzählweise von Vincent, und mit den Jahren ist sein Werk immer
intensiver und meist auch vielschichtiger geworden. 2023 haben wir den
gemeinsam verfassten Roman Das Vermächtnis: Ruf der Dunkelheit im Nectu
Verlag veröffentlicht und damit sogar den Preis Bester Roman national
bei den Planet Awards abgeräumt.
Michael Schmidt: Werden da weitere gemeinsame Arbeiten folgen?
Constantin Dupien: O ja, aber darüber darf ich noch nicht reden.
Michael Schmidt: Wie siehst du
die aktuelle deutschsprachige Horror- bzw. Phantastikszene?
Constantin Dupien: Nach dem, was ich auf dem BuCon erlebt habe, sehe ich da eine aktive, engagierte und bunte Szene, die mit der Zeit geht und neue Perspektiven mit offenen Armen empfängt. Für mich ist die Phantastik ein Genre, in dem alles möglich ist und es keine Ausgrenzung aufgrund von Andersartigkeit gibt.
Das Andersartige ist vielmehr
eines der Kernthemen der Phantastik.
Wenn wir Phantastinnen und
Phantasten im Herzen offen bleiben und weiter Welten erschaffen, in die
Menschen aller Couleur eintauchen wollen bzw. sich repräsentiert fühlen, werden
wir auch abseits der Mainstreamthemen am Leben bleiben und Wertvolles leisten.
Michael Schmidt: Ein Wort noch an die Meute dort draußen!
Constantin Dupien: Miau! Vielen Dank, dass ihr unserem Gespräch beigewohnt habt. Dir vielen Dank für die interessanten Fragen und deine Zeit, lieber Michael.
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