Interview mit Fred Ink
Stell dir einen schlichten, schwarzen Raum vor, zwei sich gegenüberstehende blutrote Kanapees, einen schlichten, weiß lackierten Tisch, eine weiße Vase mit einer schwarzen Dahlie zum Inhalt. Im Hintergrund hören wir David Bowie Ziggy Stardust (1972)
VV: Bevor wir auf dein aktuelles Buch „Hexenhaus“ eingehen, möchte ich erst
einmal wissen, wer ist denn eigentlich Fred Ink. Also, wer bist du? Was machst
du so?
Im Ernst: Ich bin Ergotherapeut, habe aber nie wirklich als solcher gearbeitet.
Außerdem Diplombiologe mit Schwerpunkt Neurobiologie, aber auch als solcher
konnte ich nie so recht Fuß fassen. Diverse Nebenjobs umfassten die Tätigkeit
in einer Nudelfabrik, die industrielle Buchbinderei, das professionelle Bemalen
von Miniaturen, das Sortieren von Briefen sowie einen Lektoratsservice. Außerdem
bin ich natürlich Autor, derzeit sogar hauptberuflich.
Ich mag düstere und phantastische Geschichten (egal in
welcher Darreichungsform), Rockmusik und Katzen. Sofern der Körper mitspielt,
gebe ich mir außerdem Mühe, regelmäßig Sport zu treiben.
Rockstars sind wir leider nicht, aber das ist vermutlich
ganz gut so – ich hatte mit 27 trotzdem eine recht ruppige Zeit, und wer weiß,
ob es mich mit (noch) mehr Sex, Drugs & Rock 'n' Roll noch gäbe …
Eigentlich verflechte ich meine verschiedenen Bücher schon
von Beginn an. „Hinter den Winkeln“ und „Crossover“ sind auch nicht die
einzigen Romane, deren Fühler sich bis ins Hexenhaus erstrecken – wer tief
genug einsteigt, kann noch mehr entdecken.
Ich gebe mir viel Mühe, damit die einzelnen Werke
eigenständig funktionieren, aber ich möchte treue Leser auch belohnen, indem
sie den einen oder anderen Verweis entdecken oder so manche Figur
wiedererkennen. Und außerdem gibt es natürlich ein „Großes Ganzes“, das im
Hintergrund abläuft und sich nach und nach herauskristallisiert, wenn man die
Zeichen zu deuten weiß.
Wie ich zu meinen Ideen komme, weiß ich ehrlich gesagt nicht
so genau. Ich plotte auch nicht immer alles durch, sondern habe mehr eine grobe
Roadmap mit Zwischenstopps im Kopf. Den Rest entdecke ich während des
Schreibens selbst, und auf diese Weise entstand schon so mancher Mäander, der
sich im Nachhinein als Highlight entpuppt hat. Für die aktuelle Reihe „ Die Akte
Arkham“ (deren erster Band „Hexenhaus“ ist) habe ich ebenfalls nur einzelne
Stationen vor Augen, die Protagonist Walter Dekker abklappern wird, sowie einen
Endpunkt, an den ihn die Reise schließlich führt. Und natürlich gibt es Pläne,
wie das alles wieder mit anderen Geschichten verflochten sein wird. Aber
darüber hinaus lasse ich mich selbst überraschen.
Mit Anfang 20 habe ich mir seine erste Geschichte
einverleibt – ich glaube, es war „Der Ruf des Cthulhu“ , und zwar als Hörbuch.
In den folgenden Jahren saugte ich dann alles von Lovecraft in mich auf, was
ich finden konnte.
FI: In vielen Figuren steckt etwas von ihren jeweiligen
Autoren. So ist es auch hier. Zwar klebt an meinen Hacken kein Fluch (zumindest
hoffe ich das), aber auch ich bin ein Meister der Pechsträhnen und habe schon
so manches technische Spielzeug durch bloße Berührung zum Tode verurteilt. Hinzu
kam der Wunsch, eine Noir-artige Erzählung in Arkham anzusiedeln, die natürlich
einen passenden Protagonisten benötigte. Da lag der Griff zum Privatschnüffler
nahe und Walter Dekker war geboren.
VV: Wer deine Werke kennt, weiß, dass du keine Scheu hast, einen opulenten Weltenbau vorauszusetzen. Alles aus dem Bauch heraus, oder hast du etwas, womit du Strukturen schaffst?
FI: Wie gesagt ist mir wichtig, dass alles innerhalb der gesteckten Grenzen
Sinn ergibt. Je mehr man sich ausdenkt und je mehr Haken die Handlung schlägt,
desto schwieriger wird das, aber ich denke, es gelingt mir recht gut. Ich mag
meine Welt(en) und habe gern in ihnen zu tun, das hilft bei der Sache
sicherlich.
Vermutlich sollte ich mir mehr Notizen machen, aber bisher
konnte ich noch alle Ungereimtheiten beim Korrekturlesen erspähen und ausmerzen
(oder einer meiner tollen Testleser hat sie mir um die Ohren gehauen). Bei
komplizierteren Erzählweisen und einer Vielzahl an Figuren kommt aber auch ein
Faulpelz wie ich nicht um zusätzliche Aufzeichnungen und Zeitstrahlen herum.
Ganz wichtig an dieser Stelle: Vor etwa einem Jahr wurde
mein Facebook-Account gehackt und ich komme seitdem nicht mehr an meine
Autorenseite heran (die aber immer noch aktiv ist)! Es gibt daher seit einiger
Zeit eine neue „Fred Ink“-Seite bei Facebook. Sie ist unter facebook.com/fredinkofficial zu
erreichen!
VV: Jetzt wird es etwas persönlicher. Ist dir schon einmal etwas Unheimliches
passiert, das du dir nicht erklären kannst?
FI: Als 2013, nach einer als Werbemaßnahme durchgeführten kostenlos-Aktion, mein Roman „Uppercut“ auf Platz 1 bei Amazon stand, verschwand er plötzlich spurlos. Bis der Support das Problem endlich behoben hatte (nach Wochen!), war das Buch aus sämtlichen Bestseller-Listen raus und dafür zigtausendfach illegal über diverse Piratenseiten heruntergeladen worden. Seither dümpelt es erfolglos vor sich hin. Ich weiß bis heute nicht, was da los war und wer zum Fick nicht wollte, dass ich Erfolg habe. Aber ohne Erlebnisse wie dieses gäbe es heute vermutlich keinen Walter Dekker.
Nichtsdestotrotz habe ich natürlich einen Heidenspaß daran,
mir solche Dinge auszudenken – nur für möglich oder gar wahr halte ich sie
nicht. Parallelwelten bilden eine Ausnahme, immerhin erscheinen sie theoretisch
möglich, zumindest nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand.
VV: Wann gruselst du dich?
FI: Das zu beantworten, finde ich ungemein schwer. Normalerweise sage ich dann
„Phantastik mit Schwerpunkt Horror“, und viel enger kann man das wohl auch
nicht eingrenzen. Allerdings habe ich auch schon Bücher ohne phantastische
Elemente geschrieben (wie beispielsweise den angesprochenen Hardboiled-Thriller
„Uppercut“).
FI: Aber sicher doch! Im Moment „arbeite“ ich mich quer
durch die deutschsprachigen Genrevertreter (Faye Hell, Baukowski, Torsten
Scheib, Erik R. Andara sowie ein gewisser Vincent Voss, um nur einige zu
nennen), aber auch große internationale Namen wie King und Koontz finden sich in
meinen Bücherregalen. Außerdem bin ich großer Fan von Terry Pratchett, und auch
das eine oder andere Fantasy-Epos habe ich verschlungen (Tad Williams finde ich
z.B. großartig). Selbstverständlich muss
ich hier außerdem noch Michael Marrak erwähnen, dessen „Lord Gamma“ mich seinerzeit
schwer beeindruckt und inspiriert hat.
VV: Und wie schätzt du so die Szene ein?
FI: Schwierig. Die großen Verlage beschränken sich heutzutage ja meist auf
blassen Einheitsbrei, mutigere Ideen und unkonventionelle Themen finden sich (fast)nur
bei den Kleinverlagen und Selfpublishern – und die kämpfen vielfach ums
Überleben. Ich habe schon einige Namen erscheinen und wieder verschwinden
sehen, alle paar Monate liest man, dass wieder jemand übers Aufhören nachdenkt.
Ich kann nur hoffen, dass ich nicht der Einzige bin, der sich geschworen hat,
sich nicht unterkriegen zu lassen.
VV: Hast du ein Patentrezept, wie man mehr Reichweite erzeugen kann?
Vorschläge? Oder bist du so zufrieden?
FI: Leider nein, und ich bin auch nicht zufrieden. Vielmehr geschieht immer
dann, wenn es den Anschein hat, als würde endlich „der Knoten platzen“,
irgendeine Katastrophe und ich lande wieder einmal auf der Fresse. Aber leider
(oder gottlob, je nach Sichtweise) bin ich zu stur, um hinzuschmeißen.
Ich denke, es ist hilfreich, sich mit anderen Autoren zu
vernetzen und den Kontakt zu den eigenen Lesern zu suchen und zu pflegen. Und
natürlich die besten Geschichten abzuliefern, die man sich unter Qualen aus der
bluttriefenden Brust zerren kann. Unterm Strich scheint eine dicke
Werbekampagne aber deutlich mehr zu bringen als Herzblut, und die kann sich
kaum einer der hiesigen Phantastik-Autoren leisten.
VV: Wie sieht es bei dir mit weiteren Projekten aus? Kannst und möchtest du
schon etwas verraten?
VV: Vielen Dank, und schön, dass du dich den Fragen gestellt hast!!
Bullets (Wie aus der Pistole geschossen …)
VV: Deine Lieblingsjahreszeit?
FI: Frühling
VV: Du darfst frei entscheiden, wer Walter als Schauspieler spielen soll. Unabhängig vom Alter.
FI: Ein etwas heruntergewirtschafteter Jude Law würde wohl ganz gut passen.
Tatsächlich habe ich mir bis eben aber noch nie Gedanken darüber gemacht und
beschreibe meine Figuren auch absichtlich nie bis ins Detail, damit die Leser
sich buchstäblich ein eigenes Bild machen können.
VV: Beste Lovecraft-Erzählung?
FI: Berge des Wahnsinns
VV: Warum?
FI: Weil das einfach eine so gewaltige, allumfassende Geschichte ist, gespickt
mit biologischen, geologischen und (erfundenen) geschichtlichen Details, die
sie nahezu greifbar machen. Dazu der Schauplatz (Antarktis), eine gewaltige
Alien-Stadt samt totgeglaubter Urzeit-Monstren darin … what’s not to love?
VV: Guter Horror ist für mich … ?
FI: Unverbraucht.
VV: Whiskey, Gin oder Rum?
FI: Whisky ohne „e“, also aus Schottland (u. a.).
VV: Eine gute Lebensweisheit?
FI: Zu Vino sagt man nie no!
VV: Ein Ort, wo du unbedingt noch einmal hin willst??
FI: Neuseeland.
VV: Deine persönliche Superkraft?
FI: Katze. (Und scheinbar Telekinese, da dieses wahre Wort nicht von mir
getippt wurde.)
VV: Dein letzter Satz, bevor du den Bösewicht im Bosskampf wegpustest?
Ein anderer Mann hätte
sich womöglich versucht gefühlt, (zensiert) einige letzte Worte an den Kopf zu
schleudern. Ihm zu sagen, was er sich wo hinstecken sollte, oder ihn einfach
wissen zu lassen, was er von ihm hielt. Manche Mörder bevorzugten es, die Orte
zu benennen, an die sie die Seelen ihrer Opfer zu befördern gedachten.
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