Interview mit Tobias Bachmann
Stell dir einen schlichten,
schwarzen Raum vor, zwei sich gegenüberstehende blutrote Kanapees, einen
schlichten, weiß lackierten Tisch, eine weiße Vase mit einer schwarzen Dahlie.
Im Hintergrund hören wir The Foo Fighters:
Foo
Fighters @ Lollapalooza Chile 2022 [Full Concert - HD] - Last show of Taylor
Hawkins in Chile - YouTube
VV: Moin Tobias, schön, dass du
heute hier bist. Nimm bitte Platz. Was magst du trinken?
TB: Kaffee fürs erste. Danke.
TB: Erstmal danke für deine
Interviewanfrage, durch die ich überhaupt erst von der Nominierung erfahren
habe. Durch solche Preise können Bücher eine Wertschätzung erhalten, die sich
von nüchternen Verkaufszahlen abhebt. Wir Autoren brauchen sowas und genießen
das natürlich.
VV: Wir sind ja in diesem Fall Konkurrenten, mein Lieber. Ich weiß gar nicht,
wie ich damit umgehen soll … ich könnte ja jetzt sagen, dass ich deinen Roman
scheiße finde, aber … das ist er leider nicht. *lacht verrückt*. Ehrlich
gesagt, finde ich die Idee sogar ausgesprochen gut … Erzähl mal, wie ist dir
Despina als Hauptfigur begegnet?
TB: Der Dryas-Verlag suchte neuen Stoff
für eine Reihe mystischer Krimis, die allerdings in London spielen sollten. Ich
ging meine Sammlung unausgegorener Ideen durch und im Hintergrund winkte eine
nett aussehende und freundlich lächelnde, leicht exotisch anmutende Dame. Sie
trat aus den Schatten, stellte sich mir als Despina Jones vor und ich
interviewte sie, so wie du mich gerade. Und erst durch dieses Interview erfuhr
ich mehr über sie und aus den ursprünglichen recht vagen Ideen wurden
Handlungsszenen und Spannungsbögen und fügten sich weitere interessante
Charaktere dazu…; eine ganze Lawine an Ideen also, die ich nur noch in die
richtige Reihenfolge bringen musste.
VV: Despina hat ja eine besondere Gabe. Wie kamst du auf diese Idee?
TB: Die Idee ist ja nicht neu. Schon in alten Religionen wird mit Toten
gesprochen. In der okkulten Szene der 20er und 30er Jahre war es en vogue an
Seancen teilzunehmen, und mit den Geistern von Verstorbenen in Kontakt zu
treten. Es gibt die Vampir-Serie von Brian Lumley um den Necroscope … was es
aber noch nicht gab, war eine Kriminalistin mit dieser Fähigkeit. Es klingt ja
recht einfach: Man geht zur Leiche und fragt: „Sag, wer hat dich ermordet?“,
und der Tote antwortet: „Es war der Gärtner“, was man dann nur noch beweisen
müsste … aber so einfach mache ich es meiner Heldin natürlich nicht.
VV: Neben Despina gibt es ja auch weitere wichtige und vor allem tolle Nebenfiguren.
Hat mich ein bisschen an eine Rollenspielcombo erinnert. Wie kam es zu dieser
Gesamtkomposition? Drogen?
TB: Wer braucht denn sowas? Wenn ich
eines gelernt habe im Leben, dann dass es eigentlich nur im Team funktioniert.
Ich habe da tatsächlich ein wenig auf diese beliebten Ermittlerteams der
TV-Serien geschielt. Da braucht es einen Crack am PC, dann den Mann fürs Grobe
und einen Chef, der über alles den Überblick behält. Ich habe die Rollen
eigentlich nur neu verteilt, sie an Despinas Charakter angepasst und hier und
da ein paar Konflikte eingebaut: ihre übergewichtige Halbschwester Tori, die
der absoluter Computer-Nerd ist, sich aber eigentlich nur auf Portalen für
Partnersuche herumtreibt und hierfür ein Foto von Despina missbraucht … , oder ihre
beste Freundin Jean, die hoffnungslos in Despina verliebt ist und für sie durch
die Hölle wandern würde und tatsächlich darunter leidet, dass Despina ganz und
gar hetero ist …; und mit Barbarossa North einen alten Herren, der sich vor
allem in historischen Belangen sehr gut auskennt, denn es geht ja nicht nur um
die Toten und ihre Geschichte sondern auch um alte Bücher, denen ich ja eh
erlegen bin.
VV: Ist Despina für weitere Abenteuer angelegt?
TB: Auf jeden Fall. Aktuell arbeite ich
an Band 2, der wahrscheinlich schon längst fertig wäre, hätte mir die gesamte
Pandemie, damit einhergehende persönliche Schicksalsschläge und noch weitere
Katastrophen nicht immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Aktuell ist es daher ein bisschen ruhig geworden, um meine literarischen
Belange.
Aber die Despina Jones Reihe ist
ja nur oberflächlich eine Reihe phantastischer Thriller. Im Mittelpunkt stehen
die Toten und ihre Geschichten. Despina unterhält auch Freundschaften im
Totenreich, wobei ich mich hier teilweise weit aus dem Fenster lehne, wenn sie
sich mit Persönlichkeiten unterhält, die tatsächlich einmal gelebt haben. Einer
ihrer guten Freunde etwa ist der verstorbene Autor Umberto Eco, dessen Rat sie
einholt, sobald es um mittelalterliche Handschriften geht … Ich hoffe, die
Toten verzeihen mir diesen literarischen Spaß.
VV: Tobias, du hast Familie, bist musikalisch aktiv, arbeitest, schreibst. Gibt
es einen Bachmann-Klon?
TB: Ich wurde von einigen LeserInnen abgemahnt, meine körperlichen Liebesszenen wären oft zu ausführlich oder zu häufig … ich könne doch mal einen Erotikroman schreiben. Das habe ich dann mit „Sukkubus - Tödliche Leidenschaft“ (Elysion-Books) getan, was mir tatsächlich großen Spaß gemacht hat und auch dahingehend befreiend war, dass mein Hang zu solchen Szenen etwas nachgelassen hat.
TB: Das Übersinnliche oder Phantastische Element ist und bleibt mit meinen Werken verwoben. Und wenn es nicht offensichtlich existiert, dann baue ich zumindest subtile Anspielungen ein, wie in meinem nicht phantastischen Krimi „EISkalt - Ein Fall für Herbert Eis“ (Amrûn Verlag). Es ist meine Art und Weise mit dem Grauen der Realität umzugehen. Ich verbringe gerne Zeit in phantastischen Welten, um das Reale auszublenden oder mit der Phantastik zu überdecken. So wie man ein Pflaster über eine klaffende Wunde klebt. Es hat keine heilende Wirkung, aber man sieht das Grauen nicht mehr. Und ja, das Pflaster kann ein Horrorroman voller Zombies, Tentakel und anderer Monster sein, ist mit aber lieber als diese furchtbare Wunde aus Krankheiten, Kriegen und Hass!
VV: Du weißt, dass ich dich regelmäßig in meinen Werken unterbringe?
T.B.: Ich kenne genau einen Fall. (Wie hieß die Geschichte im
Ulthar-Reiseführer?) Aber tatsächlich öfter? In welchen Titeln denn noch? Ich
habe Lesebedarf.
T.B.: Die Sachen, die du schreibst, sind so geil, dass ich dich daran nicht
hindern werde. Aber ich werde mich rächen. Nicht nur in Form des Dr. Voss
(siehe „Geist“, Bastei Lübbe), sondern auf vielfältige Weise. Der Gedanke daran
bringt meine literarischen Synapsen zum Leuchten.
VV: Ein paar Fragen zum Schreiben … Gibt es bei dir eine Wechselwirkung
zwischen deinem Beruf und deiner Berufung?
VV: Glaubst du an etwas Übersinnliches, das auch bei dir in deinen Werken immer wieder vorkommt?
T.B.: Da gibt es diese Geschichte vom Fledermausbaum. Ich war 16 Jahre alt und mit zwei Freunden auf Rundreise durch Großbritannien. Irgendwo in Schottland kamen wir nachts mit dem Zug an. Wir hatten Hunger und noch keine Unterkunft. Von einem Straßenhändler organisierten wir uns Pizza und setzten uns damit nahe einer Kirche auf eine Parkbank. Uns gegenüber befand sich ein Baum, in dem es wie wild raschelte und zirpte. Ein paar Vögel im Geäst, dachten wir. Man sah im Dunkeln nur den schwarzen Umriss des Baumes vor grauem Hintergrund. Wir aßen Pizza, als die Kirchturmuhr Mitternacht schlug. Der Baum stob auseinander. Abertausende Fledermäuse (vielleicht waren es auch ganz gewöhnliche Vögel, aber in meiner Erinnerung waren es Fledermäuse) flatterten wild davon. Zurück blieb das Gerippe des Baumes, vollkommen kahl.
VV: Alles so lassen oder was
könnte man ändern, bzw. verbessern?
Im KOVD-Sublabel Tagtraumpresse
erscheint bald meine Erzählung „Das Mansardenfenster“. Die sehr kleine Auflage
von - ich glaube 50 Stück - ist bereits
ausverkauft, und die Vorbesteller warten bereits sehnsüchtig. Die Bücher werden
per Hand gesetzt und gedruckt und gebunden. Alles ist reinste Handarbeit (sogar
das Manuskript habe ich per Hand geschrieben, was für mich sehr ungewohnt war,
aber ich wollte das mal so durchziehen).
Bei KOVD selbst wird auch in
absehbarer Zeit mein Sagunth-Roman „Totgeträumt“ erscheinen, auf den viele
meiner Stammleserschaft seit langem warten. Für mich ein phantastisches
Highlight!
Und dann warten noch ein paar
Erzählungen darauf, von mir geschrieben zu werden. Ich habe mal wieder für ein
tolles Anthologieprojekt zugesagt, obwohl ich mir vorgenommen habe, hier kürzer
zu treten.
VV: Vielen Dank, dass du da warst. Ich hoffe, wir lesen noch viel, viel mehr von dir und drücken dir die Daumen für den Vincent Preis!
T.B.: Danke dir. Ich drücke dir auch die Daumen übrigens. So. Nachdem ich das
jetzt gesagt habe, kannst du die Waffe wieder runternehmen.
Bullets (Wie aus der Pistole geschossen …)
VV: Welches wäre deine bevorzugte Waffe in einer Zombieapokalypse?
T.B.: Hirn.
VV: Warum?
T.B.: Ich würde es in eine bestimmte Richtung werfen - alle Zombies stürzen
sich darauf - und in die andere Richtung davonrennen.
T.B.: Steak. Frisch vom Grill. Mit ohne Beilage. Okay, die Knoblauchbutter geht
in Ordnung.
VV: Eine Frage, die du Lovecraft unbedingt stellen würdest?
T.B.: Keine Ahnung. Die nach dem Lieblingsgemüse vielleicht?
VV: Welches deiner Werke sollte als erstes verfilmt werden?
Okay, das scheint mir alles
recht unwahrscheinlich. Sowas passiert im realen Leben niemandem.
Gut könnte ich mir auch
„EISkalt“ als Tatortvariante vorstellen.
VV: Warum? Und mit wem?
T.B.: Warum nicht? Aber nicht mit mir.
VV: Kaffee oder Tee?
T.B.: Kaffee. Heiß und Schwarz bitte. Keine Milch, kein Zucker, keine exotische
Geschmacksrichtung und bitte in einer Porzellantasse. Kein Glas, kein
Pappbecher und erst recht kein Plastik. Einfach nur ein stinknormaler Kaffee,
ohne Namen!
VV: Im Stress bist du am ehesten ein/e (wähle ein Monster aus)?
T.B.: Horrorclown.
VV: Warum?
T.B.: Weil Horrorclowns doch nur lustig sein wollen.
VV: Ein Ort, zu dem du dich jederzeit teleportieren könntest?
T.B.: Eine Bibliothek und wenn das nicht geht, dann doch die einsame
Karibikinsel.
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