Interview mit Marco Göllner

Vincent-Preis: Hallo Hr. Göllner. Zunächst natürlich herzlichen Glückwunsch zur Nominierung zum Vincent Preis 2009 in der Kategorie Bestes Hörspiel/-buch.

Marco Göllner: Vielen Dank, ich freue mich darüber sehr.

VP: Hörspielmacher agieren naturgemäß im Unsichtbaren. Wer verbirgt sich denn hinter dem Namen Marco Göllner?

MG: Tja... ich. Mit all meinen Facetten. Doch für die ausführliche Beschreibung dieser, ist der Platz ein zu geringer...

VP: Es sind gleich zwei Hörspiele nominiert, bei denen Sie Regie und Produktion innehaben. Dorian Hunter, Teil 6 „Freaks“ und „Die Geisterseher“ (beide von Zaubermond-Audio). Können Sie uns beschreiben, worum es in den Hörspielen jeweils geht?

MG: „Freaks“ ist ein Teil der Mystery-Horror-Serie „Dorian Hunter“, adaptiert nach Romanheftvorlage aus den 1970er Jahren. Der Hauptprotagonist (Dorian Hunter) kommt nach New York und gerät zwischen die Fronten zweier verfeindeter Parteien: Der Schwarze Familie, das organisierte weltumspannende Böse, bestehend aus Vampiren, Ghouls, Werwölfen u.a. und den Freaks. Ehemalige der Schwarzen Familie, welche ausgestoßen und verbannt wurden, weil sie irgendetwas falsch gemacht haben, alle zur Strafe körperlich missgestaltet, deshalb ihr Name. Die schwarze Familie tötet einen Freak und sorgt dafür, dass es Hunter angehängt wird. Erzählt wird die Episode aus der Sicht eines Bösewichts der Schwarzen Familie namens Frank Leary. Dieser wird kongenial gespielt von Hans-Werner Bussinger, was sicherlich zum großen Teil, das Besondere der Folge ausmacht. Ich hatte diese Rolle exakt für ihn geschrieben.

„Die Geisterseher“ ist eine düstere Abenteuergeschichte mit einst real existenten Personen, adaptiert nach dem gleichnamigen Roman von Kai Meyer. Die Brüder Grimm sind zu Besuch bei Goethe in Weimar und besuchen Schiller am Sterbebett. Dieser übergibt ihnen sein letztes Manuskript, den zweiten und letzten Teil seines Buches „Der Geisterseher“ mit der Bitte, es Goethe auszuhändigen. Auf dem Weg zurück, wird es den Brüdern von einem Unbekannten geraubt und am nächsten Tag ist Schiller tot und die Brüder finden sich plötzlich mittendrin in der Jagd nach dem Manuskript.

VP: Bereits in den 80er Jahren gab es eine Hörspielserie DORIAN HUNTER aka DÄMONENKILLER, damals bei Europa. Wie kam die Neuauflage zustande? Warum ausgerechnet der DÄMONENKILLER?

MG: Für mich war es Zufall. Mir waren die Europa Hörspiele nicht bekannt, als man die Idee an mich herantrug, „Dorian Hunter“ umzusetzen. Ebenso wenig kannte ich die Romane. Das war eine Entscheidung des Verlags, diese Serie (nochmals) als Hörspiel umzusetzen. Ich las die Vorlagen, mit der Frage im Hinterkopf, ob man daraus eine interessante, unterhaltsame Hörspielserie machen könne, und ich fand, man könne.

VP: DORIAN HUNTER ist bei den Gruselhörspielfans eingeschlagen wie eine Bombe. Was ist Ihrer Ansicht nach das Geheimnis des Erfolges?

MG: Das weiß ich nicht. Wüsste ich es, würde ich es in Tüten packen, unverschämt teuer verkaufen und mich aus dem Leben lachen.

Wenn Sie Erfolg daran messen, ob es viele Leute hören und es gut finden, mag es vielleicht so sein, dass ich einen sehr „mainstreamigen“ Geschmack habe, also einen Geschmack ähnlich vieler anderer. Das die Adaption eine ähnliche ist. Ich werde gern überrascht, sehe und höre gern etwas Neues, mag es, wenn die Geschichte plötzlich eine interessante Wendung nimmt, wenn die Story eine neue Perspektive bietet. Aus dieser Haltung gegenüber Unterhaltung, mache ich Unterhaltung. Anscheinend ist die Schnittmenge zur Menge eine große.

VP: Wodurch unterscheidet sich die DORIAN HUNTER-Produktion von der, vergleichbarer Serien?

MG: Die Art der Produktion muss sich der Art des Geschichteerzählens anpassen. Bei „Die Geisterseher“ ist alles sehr episch angelegt. Der Erzähler erzählt von einer fahrenden Kutsche und der Hörer hört die Kutsche und er erzählt das schönes Wetter ist und man hört die Vöglein zwitschern. Das Bild wir beschrieben und akustisch dargebracht. Die Geschichte wird so episch erzählt, also ist die Produktion eine epische. Bei Dorian Hunter würde man die Kutsche und die Vöglein lediglich hören. Wir haben ja keinen klassischen Erzähler. Es finden keine Dopplungen statt. Hunter verlangt etwas mehr Aufmerksamkeit, man bekommt keinerlei Ort oder Zeit Beschreibung. Die Geschichte wird in Fetzen erzählt und so ist auch die Produktion. Sie gleicht mehr der „Musik-Video-Optik“. Unser Auge weiß seit Aufkommen der schnellen Videoschnitte mit dieser Fetzen-Information umzugehen, warum sollte unser Ohr dazu nicht der Lage sein? Hunter ist nicht für „nebenbei“ gedacht. Es kaut nichts vor. Es fordert. Wir wussten am Anfang nicht wie weit wir damit gehen können, oder ob das ankommt. Aber das wichtigste ist wohl, dass wir mit der Art des Erzählens der Geschichte versuchen „Schema F“ zu umgehen und das wir genau das in der Produktion ebenfalls umsetzen. So wird Hunter Nr. 11 z.B. sehr leise, musikarm und langsam erzählt werden – passend zur Story. Die Produktion von Hunter unterscheidet sich wohl am meisten von anderen dadurch, dass sie – bis auf den düsteren Grundton - immer etwas variiert.

VP: DORIAN HUNTER verfügt über eine weitreichende Mythologie. Immer wieder sind kurze Szenen enthalten, die erst einige Folgen später wirklich Sinn machen. Wie realisiert man so etwas? Muss man dazu alle Romane kennen?

MG: Nein. Ich kenne nicht alle Romane. Das wäre wohl auch ein ziemlich großer Bogen, würde man bereits jetzt etwas einflechten, was erst in Folge 50 Sinn macht. So lang ist der Atem vieler Hörer wohl kaum. Und ich gehe dabei einfach von mir selbst aus. Ich mag Klammern, mag Fragen stellen, mag aber auch Antworten. Und diese sollten in einem überschaubaren Rahmen auch geliefert werden. Auch wenn andere Serien das anders handhaben.

Unser erster (Story)Bogen endet mit Folge 10. Der nächste geht von 11 bis 17. Und genauso lang, wie diese Bögen sind, so lang arbeite ich im voraus.

VP: Wird es in absehbarer Zeit auch den Coco Zamis-Spin Off als Hörspiel geben?

MG: Ist nicht geplant.

VP: DIE GEISTERSEHER ist ein Hörspiel mit einer Laufzeit von 300 Minuten. Wie lange dauert eine solche Produktion?

MG: 300 Minuten. Ach, Sie meinen, sie zu „machen“? Kann ich schlecht sagen. Aber es sind viele Stunden. Der Reihe nach geht das bei mir so: Buch lesen, Buch weglegen, nach längerer Zeit überlegen, was passierte dort, dann aufschreiben, so habe ich eine subjektive Inhaltsangabe, denn ich merke mir ja nur, was mir gefallen hat. Dann Skript schreiben, dazu das Buch wieder vornehmen. Das Skript war vielleicht eine Arbeit von fünf, sechs Wochen. Dann folgen Sprecheraufnahmen. Als Beispiel: Hasso Zorn, welcher den rückblickenden Wilhelm Grimm einsprach, verbrachte ungefähr sechs Stunden mit mir im Studio. Dann folgt der Schnitt der Stimmen, da ja alle einzeln aufgenommen wurden. Da brauche ich für 70 min etwa 3 Tage.

Dann folgt das „Verkleiden“. Geräusche und Musik hinzufügen. Das ist je nach Geschichte sehr oder eben wenig aufwändig. Für eine Geschichte, wie diese, welche 1805 spielt, ist es aufwändiger, da es aus dieser Zeit ja keine Tonaufnahmen gibt, sondern lediglich die Idee davon, wie etwas geklungen haben mag. Ein Beispiel: die Brüder graben nachts eine Leiche aus. Also fuhr ich weit weg in den Wald bei Nacht. Denn Vögleinzwitschern durfte nicht drauf sein und ich wohne in der Nähe der A2, also hörte man leise Autos, so musste ich also weit davon entfernt aufnehmen. Und ich hatte auch ein bisschen Angst...

Solche Exkursionen lassen eine Produktion natürlich noch länger dauern, aber sie bieten dadurch etwas, was nicht aus irgendeiner Konserve stammt, etwas Neues, auch wenn es nur leise im Hintergrund zu hören ist. Die einzelnen Striche machen das Bild.

VP: Mit DIE WINTERPRINZESSIN ist auch hier bereits eine Fortsetzung in Arbeit. Was erwartet den Hörer im zweiten Fall der Gebrüder Grimm?

MG: Wilhelm Grimm fährt mit seinem Bruder nach Karlsruhe um der Hauslehrer eines Kindes zu werden, also einen neuen Job anzunehmen. Auf dem Weg dorthin, begegnen sie einer indischen Prinzessin, die Wilhelm sehr gut gefällt, die aber einen seltsamen Grund vorgibt überhaupt in dieser Gegend zu sein. In Karlsruhe angekommen stellt sich heraus, dass das Kind bereits tot ist, aber vielleicht doch nicht. Unheimlich verkleidete Krieger sind in der Stadt, die etwas bestimmtes suchen. Haben aber nichts mit der Prinzessin zu tun. Oder doch?

Alles sehr sehr seltsam... und Goethe hatte Wilhelm doch empfohlen. Schon wieder dieser Goethe...

VP: Haben Sie bei der Hörspielumsetzung mit dem Autor Kai Meyer zusammengearbeitet?

MG: Ja, sicher. Ihm sollte es ja auch gefallen.
Ich las sein Buch, schrieb ein Skript, schickte es ihm und dann feilten wir gemeinsam an Feinheiten und Sprache.

VP: Worum geht es in Ihrer neuen Serie Goldagengården (ebenfalls bei Zaubermond-Audio)?

MG: Goldagengården ist ein Thriller. Angelegt in 9 Teilen erzählt er durchgehend ein und dieselbe Geschichte. Er spielt in Mittelschweden, einer Gegend, die ich gut kenne. Ein Deutscher, ein Engländer und ein Däne werden eingeladen der Testamentseröffnung eines verstorbenen Bekannten beizuwohnen. Was sich anhört, wie der Anfang eines Witzes, entpuppt sich allerdings als sehr ernst: Als sie dort ankommen ist, der Anwalt ermordet, das Testament fort und jemand anderes anscheinend auch am Erbe interessiert...

VP: Herzlichen Dank für das Interview und viel Glück beim Vincent 2009.

MG: Ich danke Ihnen und wünsche einen schönen Sommer.


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